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Finnland rückt weit nach rechts
Neues Kabinett unter Ministerpräsident Orpo steht für Klassenkampf von oben
Am Dienstagabend wurde es dann offiziell: Finnlands Präsident Sauli Niinistö entließ die scheidende Regierung von Sanna Marin und vereidigte das neue Kabinett von Ministerpräsident Petteri Orpo. Dieser führt mit seiner konservativen Sammlungspartei die am weitesten rechts stehende Regierung an, die Finnland seit Ende des Zweiten Weltkriegs hatte. Mit von der Partie sind auch die rechtspopulistischen »Die Finnen«, Christdemokraten und die Schwedische Volkspartei (SFP). Besonders letztere hatte sich als liberale Partei, die die Rechte der schwedischsprachigen Minderheit in Finnland verteidigt, schwer getan in den sieben Wochen Koalitionsverhandlungen. Letztendlich fungiert die SFP als Mehrheitsbeschafferin für den rechten Block. Eigentlich illiberale Vorhaben wird die Partei mittragen, um die Position der Finnlandschweden in der Gesetzgebung zu schützen.
Das am Freitag veröffentlichte, 244-seitige Regierungsprogramm unter der Überschrift »Starkes und sich kümmerndes Finnland« liest sich wie ein Handbuch der Austeritätspolitik und neoliberalen Arbeitsmarktpolitik. Im Vergleich zur Vorgängerregierung der sozialdemokratischen Sanna Marin ist das Programm eine Kehrtwende in der finnischen Politik. Kein Wunder, dass die Vorsitzende des Linksbündnisses Li Andersson das druckfrische Programm als »feuchten Traum der Sammlungspartei« bezeichnete. Das Wohngeld soll gekürzt und das Arbeitslosengeld schrittweise herabgesetzt werden. Die Grundsteuer auf Bücher, Medikamente und Kulturveranstaltungen soll von zehn auf 14 Prozent erhöht werden, dafür gibt es Steuererleichterungen für Besserverdienende und einen höheren Steuerfreibetrag für Anlagenpakete an der Börse.
Die arbeitspolitischen Reformvorschläge zielen auf Liberalisierung und Stärkung der Arbeitgeberseite. Der erste Krankheitstag soll unbezahlt bleiben, wenn es nicht anders im Tarifvertrag festgelegt wird. Kündigungen und Befristungen sollen erheblich erleichtert werden. Auch das Streikrecht soll stark verändert werden: So sollen politische Streiks und Solidaritätsstreiks erschwert und höhere Strafzahlungen für illegale Streiks eingeführt werden.
Fast absurd mutet der Vorschlag an, das bekannte finnische Mutterschaftspaket, das Windeln, Strampelanzug und Lätzchen enthält, durch ein Aktiensparkonto zu ergänzen. Jedes Neugeborene in Finnland wäre dann von Geburt an Anleger in Fonds oder Aktien.
Weniger amüsant sind die Pläne in der Migrations- und Ausländerpolitik: SFP und Sammlungspartei hatten sich zwar vorab klar für eine geregelte Arbeitsmigration nach Finnland ausgesprochen, »Die Finnen« sind allerdings selbst gegen diese Form der als nützlich geltenden Migration. Beide Seiten konnten sich in einzelnen Punkten durchsetzen, insgesamt tragen die Vorschläge aber einen deutlichen rechtspopulistischen Anstrich: Ausländer müssten nach dreimonatiger Arbeitslosigkeit das Land verlassen, Abschiebezahlen sollen erhöht werden und neben dem bereits vorhandenen Sprachtest soll auch ein Staatsbürgertest eingeführt werden.
In der migrantischen Community in Finnland sorgen die Verschärfungen in der Ausländerpolitik schon für Entsetzen. Die in der Erwachsenenbildung tätige Thailänderin Fon Krairiksh erklärt gegenüber »nd«: »Ich versuche eigentlich, keine Nachrichten zu schauen, aber wenn ich es tue, werde ich sofort daran erinnert, dass ich eine Persona non grata in diesem Land bin. Wegen der neuen Regierung will ich nur weg von hier und niemals zurückkommen.«
Auch der afghanische Doktorand Ershad Balkhi spielt mit dem Gedanken, Finnland den Rücken zu kehren: »Eine der Bedingungen, ein dauerhaftes Bleiberecht zu bekommen, soll ein Einkommen von 40 000 Euro sein. Als Forschender, selbst mit guten Stipendien, kommt man nicht dauerhaft auf so eine Summe. Das heißt, dass ich nie eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung bekommen würde. Ich habe schon angefangen, darüber nachzudenken, in ein anderes Land zu gehen, aber das würde bedeuten, meine Doktorarbeit abzubrechen.«
Für die zahlreichen Vorhaben der Regierung reicht zwar die parlamentarische Mehrheit, aber insbesondere die Verschärfungen auf dem Arbeitsmarkt und beim Streikrecht werden erheblichen Widerstand hervorrufen. Die fünf größten Gewerkschaftsverbände hatten schon am Montag erklärt, dass Orpos Pläne als versuchte Einschränkungen des Streikrechts aufgefasst werden. Auch der unbezahlte erste Krankheitstag und die Kürzungen der Arbeitslosenhilfe könnten die Gewerkschaften auf die Straße bringen. Finnland steht ein heißer Herbst bevor.
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