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Klimaproteste in Frankreich: Als »Ökoterroristen« verboten
Frankreich verfügt Auflösung von Umweltbewegung
Wie von Beobachtern erwartet hat der französische Ministerrat auf einer Sitzung vom Mittwoch die Auflösung der Umweltbewegung Les Soulèvements de la Terre (Aufstände der Erde) verfügt. Zur Begründung hieß es, diese stifte »zu Sabotage und Sachbeschädigung, auch durch Gewaltakte« an. Die Bewegung habe sich »unter dem Deckmantel der Verteidigung der Umwelt« schuldig gemacht. In Rede steht etwa eine Aktion, bei der Aktivisten Anlagen eines Zementhersteller sabotiert hatten. Rechtliche Grundlage für das Verbot ist das erst Mitte 2021 verabschiedete »Antiseparatismusgesetz«, das vorsieht, dass ein Verein oder eine Gruppe durch den Ministerrat aufgelöst werden kann, wenn sie »zu bewaffneten Demonstrationen oder zu gewalttätigen Handlungen gegen Personen oder Güter aufruft«.
Der Regierungssprecher Olivier Véran erklärte zu dem Verbot: »Diese Auflösung ist keine Einschränkung der Meinungsfreiheit und des Demonstrationsrechts, aber Gewaltanwendung ist nie legitim in einem Rechtsstaat.« Als Beispiel für die Gewalt durch einzelne radikale Gruppen, von der sich selbst viele Demonstranten distanzieren, verwies der Sprecher darauf, dass es bei den Zusammenstößen während der Protestaktionen vom vergangenen Wochenende gegen den Bau des Alpentunnels für die Hochgeschwindigkeitsbahnlinie Lyon-Turin auf Seiten der Polizei sieben Verletzte gab, dagegen bei den Demonstranten nur einen.
Noch am Mittwochabend kündigte die Umweltbewegung Reaktionen an. Auf einer Pressekonferenz vor dem Staatsrat, dem obersten Verwaltungsgericht, wo Einspruch gegen die Entscheidung der Regierung eingelegt werden soll, erklärten Sprecher und Unterstützer des Bündnisses, sich weder durch die administrative Auflösung noch durch den Einsatz der Antiterrorpolizei einschüchtern zu lassen.
Les Soulèvements de la Terre ist ein Netzwerk, dem sich landesweit 110 000 Menschen und 180 lokale Komitees angeschlossen haben. Benoît Feuillu, einer der Sprecher der Bewegung, konnte bei der Pressekonferenz nicht anwesend sein, denn er befindet sich nach einer Razzia am Dienstag noch in Polizeigewahrsam in den Räumen der Antiterrorismusabteilung in Paris. Am Mittwochabend fanden in ganz Frankreich rund 150 Kundgebungen gegen die Auflösung des Netzwerks statt. Außerdem wurde dort für die Unterstützung der Umweltaktivisten geworben, die bei landesweiten Verhaftungswellen der Gendarmerie und der Antiterrorismuspolizei am 5. Juni und am 20. Juni festgenommen worden waren.
Aus den Reihen der linken Parteien und von Verbänden wie Greenpeace und Attac wird betont, dass eine deutliche Verschärfung des Kurses gegen Umweltaktivisten spätestens seit Ende März zu beobachten ist, als es nahe dem westfranzösischen Sainte-Soline bei Protestdemonstrationen gegen Wasserbecken für die Bewässerung in der Intensivlandwirtschaft zu opferreichen Zusammenstößen mit der Polizei kam. Zu diesem Anlass hat Innenminister Gérald Darmanin, der schon immer Umweltaktionen zu kriminalisieren versuchte, das populistische Schlagwort vom »Ökoterrorismus« geprägt. Seitdem setzt er sich in der Regierung für ein hartes Vorgehen gegen Umweltproteste und die Vereinigungen ein, die diese organisieren.
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