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Robert Herberg: »Das ist ein Heimspiel für mich«
Der Zeitfahrer über die Special Olympics World Games in Berlin und das Leben mit Beeinträchtigung
Herr Herberg, Sie sind Vierter geworden im Zeitfahren über zwei Kilometer, wie finden Sie das?
Ich hatte mir ein bisschen mehr erhofft. Das Ziel war eigentlich, ganz oben zu stehen. Es wäre auch schön gewesen, wenn ich den zweiten oder dritten Platz gemacht hätte. Aber okay.
Wie haben Sie sich auf die Wettbewerbe vorbereitet?
Ich trainiere einmal die Woche mit meiner Trainerin Ricarda Koch und meiner Trainingsgruppe, ansonsten täglich zuhause. Und ich fahre auch mit dem Fahrrad durch den Gartenlandschaftspark Herzberge zur Arbeit und zurück. Hin und her eine Stunde, schätze ich. Da ist das Training eingebaut.
Wo arbeiten Sie denn?
Ich arbeite in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Dort bin ich in der Aktenvernichtung tätig. Es macht mir Spaß.
Sind das Ihre ersten World Games?
Ich war 2015 in Los Angeles, da habe ich dreimal Gold und einmal Silber geholt. Bei den Spielen in Abu Dhabi vor vier Jahren war ich auch dabei. Da hat sogar der große Scheich zugeschaut. Und wir durften das allererste Mal auf einer Formel-1-Rennstrecke fahren mit den Fahrrädern. Als ich darauf gefahren bin, habe ich kurz angehalten und mich neben mein Fahrrad gestellt. Dann habe ich meine beiden Hände wie bei so einem Anbetungsknicks auf die Rennstrecke gelegt. Die Zuschauer haben gedacht: »Was macht denn der da?« Ich fand das super. Das allererste Mal auf einer Rennstrecke, richtig toll.
Und wie finden Sie den Kurs hier auf der Straße des 17. Juni?
Den kenne ich schon ein bisschen vom vergangenen Jahr, als hier die Nationalen Spiele waren. Natürlich verändert sich das immer durch Baumaßnahmen. Aber ansonsten ist die Strecke gut. Ich bin ja aus Berlin, das ist ein Heimspiel für mich. Also, es gibt einen Extraschub mit dem Publikum. Besonders die Familien und die Kollegen, die zuschauen und vor den Bildschirmen sitzen, da freut man sich noch mehr. Und am Freitag findet ja noch die lange Rennstrecke statt.
Robert Herberg ist 41 Jahre alt und nimmt seit 2007 regelmäßig an Special-Olympics-Veranstaltungen teil, die für Menschen mit geistiger Behinderung ausgerichtet werden.
Zu den größten Erfolgen des Radsportlers, der auf das Zeitfahren spezialisiert ist und auf dem Dreirad antritt, zählen seine Gold- und Silbermedaillen bei den Weltsommerspielen in Los Angeles 2015. Zusammen mit anderen Menschen mit geistiger Beeinträchtigung wird er von Ricarda Koch beim SG RBO Berlin e.V. trainiert.
Herberg lebt in Berlin-Lichtenberg und arbeitet in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Unser Autor Noah Kohn hat ihn am Mittwoch vor und nach seinem Zeitfahren über zwei Kilometer an der Straße des 17. Juni begleitet und mit ihm gesprochen. Herberg holte den vierten Platz.
Das Zeitfahren über fünf Kilometer – was haben Sie sich dafür vorgenommen?
Ich versuche, vorne bei den großen Jungs mitzufahren. Ich will zeigen, dass Fahrradfahrer, die ein Fahrrad mit drei Rädern fahren, es auch schaffen können zu gewinnen.
Wieso fahren Sie mit dem Dreirad?
Ich habe Gleichgewichtsstörungen. Ohne Fahrrad mit drei Rädern macht es »knacks« und ich liege auf der Seite.
Reizen Sie auch andere Disziplinen, zum Beispiel Rundfahrten wie die Tour de France?
Nein, also bei der Tour de France fahren die ja über Hügel und Berge und was weiß ich für einen Asphalt. Aber hier ist es eine schön flache, glatte Strecke. Die passt. Mir schmeckt sie. Mir gefällt sie. Ich fahre ungern über Huckelpisten und Steine.
Wie ist die Stimmung im Team?
Ein paar Leute muss man manchmal motivieren. Und ein paar Leute machen natürlich ihr eigenes Ding. Aber im Großen und Ganzen passt das. Es gab ein Vorbereitungstreffen, auf dem ich den anderen gesagt habe: »Kommt, Jungs, wir stehen zusammen, und wir halten zusammen. Es ist Sommer, es ist heiß, und statt Kaffee wird einfach mal Wasser getrunken.« Man braucht nämlich was Flüssiges. Und daran haben sie sich bisher gehalten. Keiner ist umgekippt, Gott sei Dank. Und ja, ansonsten schmeckt uns das Hotel, in dem wir untergebracht sind.
Wo sind Sie denn untergebracht?
Wir sind im Hotel »Park Inn« am Alexanderplatz. Der einzige Mangel ist, dass nur drei von vier Fahrstühlen funktionieren. Einer ist kaputt. Da muss man schon mal ein bisschen koordinieren: Welche Truppe fährt hoch, welche runter? Manchmal muss man 20 Minuten warten. Aber ansonsten ist es perfekt.
Thema Barrierefreiheit...
Genau. Es müsste sehr viel mehr ausgebaut werden, und die Fahrstühle, auch in Berlin, die müssten funktionieren. Und nicht nur von einer Firma betreut werden, sondern von zwei oder drei. Wenn eine dann ausfällt, kann die andere Firma einspringen. Die Fahrstühle werden gebraucht.
Wie ist der Umgang der Gesellschaft mit Menschen mit Beeinträchtigungen? Gibt es Dinge, die Sie stören und die bei dieser Veranstaltung besser laufen als im Alltag?
Also, ich würde mich freuen, wenn die Leute auch ein bisschen mehr aufeinander achten und mir und den anderen Leuten mit Beeinträchtigung mehr Respekt zollen würden. Nicht nur jetzt, wenn die Spiele laufen. Man kann auch nett sein im Alltag, obwohl man seine eigenen Wege geht. Das fehlt hier in Berlin. Klar, man bekommt Hilfe, aber man muss echt bitten. Und in der Straßenbahn, da quetschen sich die Leute rein, anstatt mal Platz zu machen für einen Kinderwagen oder einen Rollstuhl mit Elektroantrieb. Das sollte sich ändern.
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