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Literaturzeitschriften feiern Wulf Kirsten, Wolfgang Hilbig, Marianne Fritz. Und in Berlin gedenken heute drei Erneuerer einem großen Fan

  • Jens Grandt/Niko Daniel
  • Lesedauer: 3 Min.

Wulf Kirsten

Der alljährliche »Exkurs« in der Sommerausgabe der Dresdener Literaturzeitschrift »Signum« ist wieder einem besonders Bodenständigen der »Sächsischen Dichterschule« gewidmet: Wulf Kirsten (1934–2022). Das Heft glänzt mit einigen Neuerscheinungen aus dem Nachlass. Der im Meißner Hinterland aufgewachsene Kirsten beschreibt, wie der »unverzichtbare Bezugspunkt Dresden« durch »enorme Sogkraft« auf ihn wirkte. Hinreißend der kleine Essay »Entwurf einer Landschaft« über die Begrenzung des Poeten auf ein lokales Segment (»Die Erde bei Meißen«) und das tiefe Eindringen in die Natur, in ihre Mehrschichtigkeit, ihre historischen Bezüge. Das ist vielleicht das Klügste, was in letzter Zeit über Naturlyrik geschrieben wurde.  jg

»Signum«, Sommer 2023, 152 S., 8,20 €.

Marianne Fritz

»Was noch zu retten ist, wer weiß« ist der Titel der neuen Ausgabe der Leipziger Literaturzeitschrift »Edit«. Im Editorial heißt es: »Vergangene und gegenwärtige Katastrophen hinterlassen ihre Spuren in diesem Heft, nahendes Unglück kündigt sich an.« Es gibt einen Ausschnitt aus dem Langgedicht »Die Fuge E(s)« der österreichischen Schriftstellerin Marianne Fritz (1948–2007) und einen Einblick in ihre manische Produktionsweise: »Marianne Fritz war eine sehr flinke Schreiberin. Wie das Prasseln eines heftigen Regens gegen eine Scheibe klang es, wenn sie schrieb. Durch die ständigen Wiederholungen – fast vollständige Seiten wurden immer und immer wieder neu geschrieben – erreichte sie eine Tiefe im Text, die bei einer einfachen Korrektur nicht möglich gewesen wäre.« Von Kopano Maroga gibt es ein Gedicht über Jesus als Masochisten, der Peitschen, Ketten und Nägel mochte und Jona Spreter schreibt über eine Frau, die Instagram nicht mehr erträgt, weil es sie »an ihre eigene mehr oder weniger mickrige Existenz« erinnert. nd

»Edit«, Nr. 88, 128 S., 9 €.

Wolfgang Hilbig und Walter Höllerer

Die Frühlingsausgabe der Literaturzeitschrift »die horen« ist unter dem Titel »Wiedergewinnung der Moderne« den Schriftstellern Wolfgang Hilbig (1941–2007) und Walter Höllerer (1922–2003) gewidmet. Hilbig steht hier als Garant einer eigenständigen »DDR-Moderne«, deren Lyrik er einmal so charakterisierte: »Im Gegensatz zu einigen Schreibweisen abendländischer Lyrik, mit denen banal gewordenen Inhalten durch Verdunkelung des Ausdrucks neue Texte entlockt werden sollten, entstand in der DDR eine Lyrik des verdunkelten Zustands oft als Voraussetzung, die auch durch bohrendes Hinterfragen dieses Zustands oft nicht zu einer Erhellung durchdrang.« Demgegenüber ist Höllerer mehr Literaturpolitiker als Dichter, von Westberlin aus erneuerte er in den 60er Jahren als Professor die Germanistik. Abgedruckt ist seine Korrespondenz mit dem US-Beat-Pionier Gregory Corso (und von Hilbig ein Briefwechsel mit Sarah Kirsch). nd

»die horen«, Nr. 289, 232 S., 14 €.

Storch, Schmidt, Henschel –- ein Ausgehtipp

An diesem Donnerstagabend gedenken drei Erneuerer eines ihrer großen Fans. Der Filmemacher und Katholizismusforscher Wenzel Storch (u. a. »Sommer der Liebe«) sowie die Schriftsteller Christian Y. Schmidt (u. a. »Der letzte Huelsenbeck«) und Gerhard Henschel (u. a. Martin-Schlosser-Romane) lesen ab 18.30 Uhr in der Berliner »Baiz« aus ihren Werken, um den verstorbenen Arnim Stamm zu ehren, einen beständigen Unterstützer intelligenter, humorvoller Literatur, der sich im Frühjahr umgebracht hat, weil er aus seiner Wohnung rausmusste. nd

»Ein Arnim-Abend«, 29.6., 18.30 Uhr, »Baiz«, Berlin, Schönhauer Allee 26 A.

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