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Grand Depart der Tour de France: Begeisterung in Bilbao
Mit dem Start im Baskenaland kehrt die Frankreich-Rundfahrt ins »Paradies des Radsports« zurück
Zum Start der 110. Tour de France fehlt es nicht an Superlativen. »Die Mutter aller Rennen kommt ins Paradies des Radsports«, jubilierte die spanische Sportzeitschrift »Marca« angesichts des Grand Departs im Baskenland. Natürlich, hier ist die Radsportbegeisterung groß. Zwar sind die glorreichen Zeiten des baskischen Radsports, als Joseba Beloki aufs Podium der Tour de France kam und der komplett mit gebürtigen Basken bestückte Rennstall Euskatel Euskadi im Feld der von Großunternehmen gesponserten Rennställe für Furore sorgte, schon länger vorbei. Die Leidenschaft aber ist geblieben.
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Die Basken lieben den Radsport nicht nur dann, wenn er ihnen eigene Erfolge verheißt. Sie sind im Gegenteil schon lange mit ihm verwachsen. Bereits 1868 war in Lokalzeitungen aus Bilbao über Männer auf Rädern zu lesen, die die Uferstraße Campo de Volantin entlangfuhren. Einen Steinwurf davon entfernt wird an diesem Sonnabend der Teufelslappen flattern, der den letzten Kilometer der ersten Etappe der Tour ankündigt. 1896 hatte Bilbao schon ein Velodrom. »Damals gab es ein regelrechtes Ökosystem aus Radherstellern, Radsportzeitungen, Radsportfans und natürlich Radsportlern.
In den 1920er Jahren hatte sogar der Fußballklub Athletic ein eigenes Radsportteam, das durchaus erfolgreich war«, erzählte der Journalist und Radsporthistoriker Ander Izagirre dem Onlineportal relevo.com. Die Verbindungen zwischen Fußball und Radsport im Baskenland zeigt zurzeit auch eine Ausstellung im Museum von Athletic Bilbao, mit Fotos und Objekten aus alten Zeiten. Dass diese Verbindung nicht erloschen ist, sieht man auch daran, dass das Einschreiben für die erste Etappe unmittelbar vor dem Eingang des Stadions San Mamès erfolgt.
Die Tour de France selbst machte schon 1906, bei ihrer vierten Austragung, im Baskenland Station. Damals endete die aus Toulouse kommende Mammutetappe über 300 Kilometer noch auf der französischen Seite, in Bayonne. Es gewann Jean-Baptiste Dortignacq, den man nach seinem Wohnort im französischen Baskenland die »Gazelle von Peyrehorade« nannte. Bayonne ist in diesem Jahr das Ziel der dritten Etappe – und markiert zugleich das Finale des Baskenlandspektakels.
Auf ein Spektakel hoffen die Politiker. Zwölf Millionen Euro ließ sich die öffentliche Hand den Grand Depart kosten. Davon gehen laut spanischen Medien 7,2 Millionen Euro direkt an den Tour-Ausrichter Aso. Etwa zwei Millionen Euro werden für die Sicherheit ausgegeben, knapp eine Million für Marketing, der Rest für Begleitevents und Management. Wie bei jeder Sportgroßveranstaltung werden auch hier Experten ins Feld geführt, die einen Rückfluss des Mehrfachen der Ausgaben versprechen. »Laut den Informationen, die wir haben, können wir mit positiven Effekten von sechs bis neun Euro auf jeden eingesetzten Euro rechnen«, beruhigte Bilbaos Wirtschaftsstadtrat Xabier Ochandiano die Bürgerinnen und Bürger. Er sprach angesichts solcher Einnahmeaussichten sogar von einem »historischen Ereignis für Bilbao und das ganze Baskenland«.
Ähnlich optimistisch zeigte sich Andoni Ortuzar. Er sprach von den »besten drei Tour-Etappen in der Geschichte« – und meinte natürlich die drei Auftaktetappen. Ortuzar ist Lokalpatriot, das ist sogar sein Beruf. Der Mann ist der Chef der Baskischen Nationalpartei. Dass Nationalisten die Tour mögen, war nicht immer so. Beim letzten größeren Abstecher auf die Pyrenäenseite im Baskenland warnte die marxistisch-leninistisch gefärbte Separatistenorganisation Eta im Juli 1992 noch vor Anschlägen auf den Parcours der Etappe in San Sebastian. Kurz zuvor waren einige Mitglieder der Führungsebene der Organisation festgenommen worden. »Die ETA drohte. Es herrschte großer Druck. Am Ende gab es aber nur ein paar kleinere Explosionen, einfach um Lärm zu machen. Und es wurden Reißzwecken auf die Straßen gestreut«, erzählte der damalige Mitorganisator der Baskenland-Etappen, Juanjo Arratibel, der Tageszeitung »Diario Vasco«.
Derartige Szenarien sind diesmal nicht zu befürchten. Die Eta hat sich vor fünf Jahren aufgelöst. Und selbst der Radsport-Hooliganismus, der einige Jahre lang die Pyrenäenetappen überschattete, ist abgeflaut. Vor allem in den 2000er Jahren fielen baskische Fans in ihren traditionell orangenen Trikots durch exzessiven Alkoholkonsum, bis in die Gesichter der Profis geschwenkte baskische Fahnen und frenetisches Anschieben auf.
Voller Stolz notierte Radsportjournalist Izagirre anlässlich der letzten Baskenlandrundfahrt, die Tour-Titelverteidiger Jonas Vingegaard gewann: »Da ist ein dänischer Radfahrer, der im Begriff ist, die Rundfahrt vor zwei Basken, vor Mikel Landa und Ion Izagirre, zu gewinnen. Links und rechts von ihm sind nur Fans in Orange zu sehen. Aber der Respekt ist riesig. Sie feuern den Dänen an, machen für ihn die Gasse auf. Und kein Idiot läuft an seiner Seite mit, um ihn zu irritieren.« Vingegaard, der neben dem Gesamtsieg auch drei Etappen für sich entschied, erinnert sich voller Wärme an die baskischen Fans: »Die Radsportbegeisterung hier ist die größte der Welt und ich kann mich für die Wertschätzung der Fans nur bedanken.«
Der 26-Jährige aus Hillerslev weiß also, wie man hier Rennen gewinnt. Sein großer Rivale Tadej Pogacar ließ die letzten beiden Baskenlandrundfahrten wegen seiner Klassikerkampagne aus. Wie hier Siege gehen, weiß aber auch der Slowene. 2021 wurde er Gesamtdritter und holte einen Etappensieg. Während der Tourvorbereitung fuhr er Passagen der drei baskischen Touretappen ab. Vor allem der Jaizkibel, der bis zu elf Prozent steile Anstieg 16 Kilometer vor dem Ziel in San Sebastian, hatte es ihm angetan. Eine Attacke dort, um allen zu zeigen, dass nach seiner Verletzungspause wieder mit ihm zu rechnen ist, ist ziemlich wahrscheinlich.
Von den deutschen Radprofis ist am ehesten den Bora-Fahrern Nils Politt und Nico Denz auf den ersten Tagesabschnitten etwas zuzutrauen. Gut möglich aber auch, dass das große Duell Vingegaard gegen Pogacar schon im baskischen Hügelland einen ersten feurigen Auftakt findet.
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