Bolsonaro darf nicht mehr kandidieren

Oberstes Wahlgericht spricht Brasiliens Ex-Präsident wegen Desinformation des Amtsmissbrauchs schuldig

  • Niklas Franzen
  • Lesedauer: 4 Min.

Brasilien befinde sich auf dem Weg in die Diktatur. Das erklärte ein sichtlich aufgebrachter Jair Bolsonaro am Freitag in der Stadt Belo Horizonte vor einer Gruppe von Reportern. Grund für den Frust: Das Oberste Wahlgericht in Brasília hatte dem im vergangenen Oktober abgewählten Präsidenten ein Amtsverbot erteilt. Fünf Richter stimmten dafür, nur zwei dagegen. Mit der Verurteilung ist der Ex-Staatschef für die nächsten acht Jahre von allen Wahlen ausgeschlossen. Bleibt das Urteil bestehen, darf Bolsonaro bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2026 also nicht wieder kandidieren.

Begonnen hatte der Prozess gegen Bolsonaro am 22. Juni. Die Anklage wirft ihm vor, bei einem Treffen mit ausländischen Diplomaten im Juli des vergangenen Jahres Falschinformationen über elektronische Urnen und deren vermeintliche Sicherheitsmängel verbreitet zu haben. Der Vorsitzende Richter, Benedito Gonçalves, erklärte in seiner Urteilsbegründung: Das Wahlgericht stehe in der Pflicht, »die gefährliche Verbreitung von Desinformationen einzudämmen, die darauf abzielen, das demokratische System zu diskreditieren.«

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Bolsonaros Verteidigung erklärte hingegen, ihr Mandant habe mit seiner Rede »Zweifel an der Transparenz des Wahlprozesses« ausräumen wollen und bestand darauf, die Aussagen seien nicht an Wahlberechtigte, sondern an ausländische Diplomaten gerichtet gewesen. Außerdem kündigte sie an, Rechtsmittel einzulegen und notfalls auch vor den Obersten Gerichtshof zu ziehen.

Andere Prozesse könnten wegen weiterer Untersuchungen der Justiz auf Bolsonaro zukommen. Seit seinem Ausschneiden aus dem Präsidentenamt Anfang Januar genießt dieser keine Immunität mehr vor Strafverfolgung. Ende April musste Bolsonaro vor der Bundespolizei aussagen, die ihn als möglichen »intellektuellen Anstifter« für die Ereignisse am 8. Januar sieht. An diesem Tag hatten Anhänger des ultrarechten Ex-Präsidenten das Regierungsviertel in Brasília gestürmt und eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Anfang Mai durchsuchte die Bundespolizei das Haus des Rechtsextremen. Der Vorwurf: Bolsonaro und einige seiner nächsten Angehörigen sollen mit gefälschten Impfpässen in die USA eingereist sein. Außerdem soll Bolsonaro geschenkten Schmuck aus Saudi-Arabien ohne Verzollung ins Land gebracht haben.

Durch die diversen Ermittlungen sehen sich Bolsonaro-Anhänger darin bestätigt, dass ein »Komplott des Systems« gegen ihr Idol im Gang sei. Doch auch dem Ex-Präsidenten nicht nahestehende Beobachter sehen bei Justiz und den Ermittlungsbehörden eine zunehmende Politisierung. »Ich habe den Eindruck, dass die brasilianische Justiz in letzter Zeit dazu neigt, zu schauen, wer verklagt wird und welche Folgen das haben wird«, sagte der Politik-Professor und Autor Fernando Limongi im Gespräch mit der Tageszeitung »Folha de São Paulo«. Auch wenn der Angeklagte Bolsonaro heiße, dürfe die Justiz nicht den Eindruck erwecken, »es handele sich um einen politischen Rachefeldzug«.

Bolsonaro gibt sich selbstbewusst und will weiterhin politisch aktiv bleiben. »Das ist nicht das Ende der Rechten«, sagte er. Außerdem verkündete er, »ein Ass im Ärmel« für die Wahl 2026 zu haben. Was das genau sein soll, sagte er aber nicht.

Während seiner Amtszeit schaffte es Bolsonaro, eine überaus aktive Bewegung hinter sich zu scharen. Immer noch verehren viele Brasilianer den ultrarechten Demagogen. Die Verurteilung werde sicherlich »einen Einfluss« auf die Schlagkraft der Bewegung haben, meint Odilon Caldeira Neto, Geschichtsprofessor und Rechtsextremismusexperte, im Gespräch mit »nd«. Der Bolsonarismus bringe allerdings ganz verschiedene Themen und unterschiedliche rechtsradikale Gruppen zusammen, die auch »ohne die Führung Bolsonaros« weiterleben werden.

Laut Neto gebe es zudem viele Abgeordnete und Senatoren, die weiterhin auf der »Bolsonaro-Welle« surfen. Sicherheitsfragen und konservative Werte – Kernthemen Bolsonaros – dürften auch bei den nächsten Wahlen großen Stellenwert einnehmen.

Trotz aller Loyalität haben bereits die Diskussionen über mögliche Bolsonaro-Nachfolger begonnen. Als aussichtsreichster Kandidat gilt derzeit der Gouverneur von São Paulo, Tarcísio de Freitas. Dieser sagte nach dem Gerichtsurteil, die Führungsrolle Bolsonaros sei weiterhin »unbestreitbar«. Bei eingefleischten Bolsonaro-Fans gilt er allerdings als nicht loyal und radikal genug. Auch Bolsonaros Frau Michelle brachte sich unlängst für eine politische Karriere ins Spiel. Die streng gläubige Christin könnte gerade bei Anhängern der Pfingstkirchen punkten, die immer mehr an Einfluss in Brasilien gewinnen. Jair Bolsonaro erklärte, es gebe »mehrere gute Namen« für seine Nachfolge – natürlich werde er aber seine Frau unterstützen, sollte sie höhere Aufgaben anstreben.

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