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Sparkassen sparen Filialen ein
Verbraucherzentrale Brandenburg kritisiert das Geschäftsgebaren
Christian A. Rumpke geht mit den Sparkassen hart ins Gericht. Er ist Chef der Verbraucherzentrale Brandenburg und dort gehen täglich Beschwerden über Banken ein, auch über die Sparkassen. Zum Beispiel kündigten die Kreditinstitute einfach Prämiensparverträge, die Kunden zur Altersabsicherung abgeschlossen hatten. Die Sparkassen hätten zu den ersten gehört, die Negativzinsen und Verwahrgebühren eingeführt hätten. Zudem würden Kunden einbestellt und aus alten Verträgen »herausberaten«, sagt Rumpke. Die neuen Verträge mit ungünstigeren Konditionen nennt er »untergeschoben«.
»Von einer Anstalt öffentlichen Rechts erwarten wir mehr als den Verkauf schlechter Produkte«, schimpft der Verbraucherschützer. Es werde den Kunden aufgeschwatzt, wofür es die meiste Provision gebe, und nicht das angeboten, was wirklich das Beste sei. Bei solchem Geschäftsgebaren denke man eigentlich an Privatbanken und nicht an die Sparkassen. Wegen der Falschberechnung von Zinsen, die »nach Gutsherrenart« festgelegt worden seien, liefen zwei Musterverfahren, informiert Rumpke. Ein drittes Musterverfahren werde noch dazukommen.
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Die Direktoren der verschiedenen Sparkassen bekommen Rumpke zufolge Jahresgehälter im mittleren sechsstelligen Bereich. Von den beiden Direktoren der Mittelbrandenburgischen Sparkasse (MBS) erhält der eine dem Vernehmen nach sogar 1,5 Millionen Euro im Jahr, der andere gleich zwei Millionen. »Da ist der RBB-Skandal nichts dagegen«, findet Rumpke. Es entstehe der Eindruck eines »Selbstbedienungsladens«. Beim Rundfunk Berlin-Brandenburg hatte die 2022 entlassene Intendantin Patricia Schlesinger zuletzt 303 000 Euro im Jahr kassiert.
Damit nicht genug. Die MBS will die Zahl ihrer Standorte von 141 auf 131 reduzieren. Darüber hinaus hat die Sparkasse Uckermark die Schließung von fünf Filialen angekündigt. Die Begründung in beiden Fällen: Immer mehr Menschen erledigten ihre Überweisungen online und bezahlten im Geschäft mit Kreditkarte. Bargeld brauchten sie nicht und damit keinen Geldautomaten und keine Bankfiliale. Doch was wird aus den älteren Kunden, die sich an die moderne Technik nicht gewöhnen und auf eine Filiale in erreichbarer Nähe angewiesen sind?
Angesichts der Schließungen sieht Rumpke bei den Sparkassen einen Schwenk zur Direktbank, die ausschließlich via Internet agiert. Aber damit würde das »Alleinstellungsmerkmal« entfallen, »vor Ort« für die Menschen da zu sein. Das alles sagt der Verbraucherschützer am Montagabend bei einem Gespräch in Potsdam, zu dem die Landtagsfraktion der Grünen eingeladen hat.
Ludger Weskamp, Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbands, ist ebenfalls zu Gast und reagiert verschnupft. Die sehr große MBS, die sich über fünf Landkreise und zwei kreisfreie Städte erstrecke, sei ein Einzelfall in Deutschland. Normalerweise gebe es eine Sparkasse pro Landkreis oder eine Sparkasse für höchstens zwei Kreise. Die Sparkassen stünden im Wettbewerb mit anderen Banken und müssten rationalisieren. Sie seien nirgendwo Monopolist, hätten teilweise einen Marktanteil von weniger als 50 Prozent. Filialen offen zu halten, die kaum noch aufgesucht würden, müssten am Ende die Kunden bezahlen, mahnte Weskamp. Auch Geldautomaten müssten gewartet und gesichert werden. Insgesamt 571 solche Automaten hielten die brandenburgischen Sparkassen vor. Zum Vergleich: In den gesamten Niederlanden gebe es nur rund 800 Geldautomaten.
In einer Sache nur will Weskamp mit Rumpke nicht streiten. Die Sparkassen müssten in der Fläche präsent bleiben, versichert der Verbandspräsident. Das Netz der Filialen bleibe übers Land gespannt, nur weniger dicht, sagt er. Die MBS wolle doch nur von vier Filialen, die weniger als vier Kilometer voneinander entfernt seien, zwei schließen. Da entstünden keine weißen Flecken.
Die oppositionelle Linke versucht, die Sparkassenfilialen zu retten. Sie habe 170 000 Postkarten drucken lassen und verteile diese in den betroffenen Regionen, erklärte Landtagsfraktionschef Sebastian Walter am Dienstag. Die Absender müssten nur noch eine Briefmarke aufkleben. In einem vorgedruckten Text an die Adresse von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wird dieser aufgefordert, seinen Einfluss darauf zu verwenden, Schließungen zu verhindern.
Wörtlich heißt es auf den Postkarten: »Wer erst viele Kilometer fahren muss, um Geld abzuheben, oder eine finanzielle Beratung braucht, ist empört.« Ferner wird die Politik per Post dazu aufgefordert, das brandenburgische Sparkassengesetz unter dem Gesichtspunkt zu überprüfen: »Wie können Filialen flächendeckend erhalten werden und wie kann man das gesetzlich absichern?« Außerdem dürften die Gehälter der Sparkassen-Vorstände kein Geheimnis sein.
Derzeit sei es fast unmöglich herauszufinden, wer im Verwaltungsrat einer Sparkasse sitze, berichtet Christian A. Rumpke. Selbst Kreistagsabgeordnete bekämen das nicht so leicht heraus, bestätigt der Landtagsabgeordnete Thomas von Gizycki (Grüne). Dabei werden die Verwaltungsräte von den Kreistagen bestimmt.
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