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Die DFB-Frauen spielen um Flugtickets nach Sydney
Im Test gegen Sambia soll der WM-Plan der DFB-Frauen Fahrt aufnehmen
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Es gehört zu den großen Stärken einer Martina Voss-Tecklenburg, nicht unbedingt jedem Streit aus dem Wege zu gehen, aber mit allen irgendwann wieder Frieden zu schließen. Zu besagten Personen in ihrer bewegten Vita zählt ihre frühere Lebenspartnerin und Mitspielerin Inka Grings, mit der die Bundestrainerin inzwischen längst wieder einen vertrauensvollen Austausch pflegt. Die nicht geräuschlose Trennung der beiden führte einst dazu, dass ihre Nationalmannschaftskarriere vor den Olympischen Spielen 2000 in Sydney überaus abrupt zu Ende ging. Um die Medaillen-Mission der deutschen Fußballerinnen in Down Under mit dem Zerwürfnis nicht zu gefährden, ließ die damalige Trainerin Tina Theune Voss-Tecklenburg einfach zu Hause. Eine Enttäuschung, an der sie lange zu knabbern hatte.
An der 55-Jährigen zeigt sich gerade, welche Kreise sich im Leben irgendwann wieder schließen. Als Bundestrainerin wird sie nun mit den DFB-Frauen nach Sydney fliegen, wenn der deutsche Tross am Dienstag zur WM nach Australien und Neuseeland, die vom 20. Juli bis 20. August stattfindet, abhebt. Als Generalprobe fürs Großereignis dient in Fürth das Länderspiel gegen Sambia am Freitagabend, von dem sich Voss-Tecklenburg nicht weniger als einen »emotionalen Push« erhofft. Das Publikum im Ronhof, wo nur noch Stehplatzkarten erhältlich sind, soll sich gut unterhalten fühlen. Ein Auftritt mit Leidenschaft soll Lust und Laune verbreiten. Ein Kantersieg ist aber kaum zu erwarten.
Davon kann zumindest die ehemalige Nationalstürmerin und Voss-Tecklenburg-Vertraute Grings erzählen, die inzwischen das Nationalteam der Schweiz trainiert. Gegen die gerade auf Europatournee befindlichen Gäste aus dem Süden Afrikas reichte es für den WM-Teilnehmer und EM-Ausrichter 2025 nach einem 1:3-Rückstand mit Ach und Krach zu einem 3:3. Danach zweifelte bei den Schweizerinnen niemand mehr, warum ein Fifa-Weltranglisten-77. bei der WM-Endrunde mitspielt. Auch die Bundestrainerin ist längst der Meinung, dass die Ausweitung auf 32 Teams eher eine Chance ist, »eine Entwicklung einzuleiten, um den Frauen- und Mädchenfußball weltweit zu fördern«.
Zu den insgesamt acht WM-Neulingen gehört auch der erste deutsche WM-Gruppengegner Marokko am 24. Juli. Und so wie bereits der erste Test gegen Vietnam einen Vorgeschmack aufs letzte Gruppenspiel gegen Südkorea am 3. August lieferte, weil sich »fleißige Asiatinnen« in ihrem Ansatz ähneln, wie es Co-Trainerin Britta Carlson erklärte, soll erneut der Ernstfall gegen einen unbekannten Kontrahenten von einem anderen Kontinent simuliert werden. Der Ansatz der »Copper Queens« (Kupferköniginnen), wie das Team aus dem kupferreichen Land genannt wird: tief stehen, schnell umschalten – gerne auch unkonventionell. Gegen frühere Bundesligaspielerinnen wie die Schweizerinnen Ana Maria Crnogorčević vom FC Barcelona oder Ramona Bachmann von Paris St. Germain hat das gut geklappt.
Joti Chatzialexiou, der direkt von der U21-EM zur WM-Vorbereitung der Frauen gereiste Sportliche Leiter der Nationalmannschaften beim DFB, erwartet einen »robusten und leidenschaftlichen« Gegner. Die deutschen Spielerinnen um Alexandra Popp müssten an die »Grenzen gehen«, im Trainerjargon würde man von einer »roten Einheit« sprechen, erläuterte der 47-Jährige, der in Australien vor Ort verfolgen wird, ob die offensiv formulierten Titelansprüche mit Leben gefüllt werden. Dass die diesjährigen Länderspiele des Vize-Europameisters – gegen Schweden (0:0), in den Niederlanden (1:0), gegen Brasilien (1:2) und Vietnam (2:1) – allesamt nicht berauschend aussahen, gab Chatzialexiou zu: »Wir waren das Jahr nicht übermäßig zufrieden mit unseren Spielen – das lag aber auch daran, dass wir Rücksicht auf die Spielerinnen und Vereine nehmen wollten.«
Nun allerdings greifen keine Ausreden mehr. Nach einem intensiven zweiten Trainingslager fast ohne Verletzungssorgen kann Voss-Tecklenburg endlich ihre beste Elf einsetzen. In Grundzügen wird das WM-Gerüst erprobt, wo doch laut Co-Trainerin Carlson ohnehin nur noch »zwei, drei Positionen« der Stammelf offen sind. Die unangenehmere Entscheidung dürfte sein, am Samstag den WM-Kader zu benennen. Aus dem jetzt 28-köpfigen Kader müssen noch vier Feldspielerinnen und eine Torhüterin gestrichen werden. Wie es sich anfühlt, kurzfristig nicht in den Flieger nach Sydney steigen zu dürfen, kann niemand besser nachempfinden als Martina Voss-Tecklenburg.
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