Im neutralen Dienst der Tour de France: Fahren im Materialwagen

Tom auf Tour: Unterwegs mit der blauen Flotte von Shimano

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.
Blauer Hilfsdienst: Der neutrale Materialwagen von Shimano
Blauer Hilfsdienst: Der neutrale Materialwagen von Shimano

Lange prägten die gelben Autos von Mavic den Konvoi der Tour de France. Seit zwei Jahren sind die gelben Autos blau: Der japanische Fahrradkomponentenhersteller Shimano hat den Vertrag über den Service der neutralen Materialwagen von der französischen Firma übernommen.

Die Aufgaben sind die gleichen. »Wir sind der neutrale Materialwagen. Wir sind für alle Fahrer da, geben ihnen komplette Ersatzräder oder wechseln defekte Laufräder aus«, erzählt Bruno Mallet »nd«. Er ist Koordinator der Shimano-Flotte mit drei Pkw und einem Motorrad. Die größte Herausforderung steht vor dem Etappenstart an: die Arbeit mit einer Vielzahl an Marken für Rahmen, Räder und Komponenten. »Wir arbeiten eng mit den Mechanikern zusammen. Von ihnen holen wir uns bereits am Abend die Informationen, mit welchem Set-up die Fahrer ins Rennen gehen. Nehmen sie zum Beispiel Kassetten, bei denen das kleinste Ritzel elf Zähne hat oder zwölf? Wichtig ist auch, welche Pedalen montiert sind«, erklärt Mallet. Informationen wie zur Sattelhöhe der Fahrer holt er sich noch früher.

Als »nd« eine Fahrt in Mallets Materialwagen mitmacht, kommen kurz vor der Abfahrt noch Techniker vom Reifenhersteller Continental und geben letzte Hinweise. »80 Prozent des Feldes ist auf schlauchlosen Reifen unterwegs«, teilt Mallet danach mit. Schlauchlose Reifen sind zwar moderner, haben mehr Haftung auf der Straße und sind weniger anfällig für einen Platten. Aber sie sind auch schwerer. Deshalb tendieren einzelne Fahrer weiterhin zu Schlauchreifen. Soll ein Rad ersetzt werden, müssen die neutralen Mechaniker in der Reifenfrage natürlich wissen, was sie herausgeben.

14 einzelne Räder sind in einem Materialwagen verstaut, sechs komplette Maschinen auf dem Dach befestigt. Das Material reicht also angesichts der drei eingesetzten Pkw für 18 Rahmenbrüche und 42 Platten. Zum Einsatz kommt nicht viel davon. »Bei der letzten Tour de France haben wir zwei komplette Räder herausgegeben und zehn bis zwölf einzelne Räder nach Platten gewechselt«, erzählt Mallet. Bei dieser Tour musste er noch gar nicht aushelfen. Denn die Teamfahrzeuge sind meist sehr schnell zur Stelle. Als zum Beispiel der Niederländer Roman Sinkeldam sich aufgeregt winkend aus dem Hauptfeld fallen lässt und auf die Kette zeigt, schaut sich Mallets Mitarbeiter hinten im Auto den Schaden an. Dann aber kommt schon das Alpecin-Teamfahrzeug und übernimmt die Arbeit.

Daraus zu schließen, dass man auf den neutralen Materialwagen verzichten könnte, wäre verfehlt. Er wird besonders dann gebraucht, wenn sich Ausreißergruppen bilden. Erst ab einem Abstand von einer Minute dürfen die Teamfahrzeuge den Gruppen folgen. Das Motorrad des neutralen Materialdienstes darf schon nach 30 Sekunden, die Pkws nach 40 Sekunden hinter die Gruppen. Das kann bei einem Defekt ganz vorn rennentscheidend sein.

Anspruchsvoll wird es für Mallet, wenn sich mehrere Gruppen bilden. Ein Fahrzeug bleibt immer beim Träger des Gelben Trikots, ein weiteres ganz vorn. Mit dem dritten Pkw und dem Motorrad kann Mallet zwei weitere Gruppen bestücken. Zerfällt das Feld noch weiter, muss er entscheiden, welche Gruppen wichtig sind und zu welchen man besser hingelangen kann auf den manchmal sehr engen Straßen.

Um die abgeschlagenen Fahrer ganz hinten kümmert sich der neutrale Materialdienst nicht. Dafür stellt der Veranstalter ein Auto, das aber nur wenige Ersatzräder dabeihat. Im Grupetto sollte man also lieber keine Panne haben.

Tom auf Tour

Tom Mustroph, Radsportautor und

Dopingexperte, berichtet zum 22. Mal

für »nd« von der Tour de France.

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