Studie der TU nennt Manja Schreiners Radwege-Stopp »unbegründbar«

Ein Papier der TU Berlin findet nur Gründe, die für Fahrradwege an Hauptstraßen sprechen

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Radwege-Planungsstopp ist »nicht nachvollziehbar oder begründbar« – zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam der Technischen Universität Berlin. Wissenschaftler*innen aus den Fachgebieten Integrierte Verkehrsplanung und Nachhaltige Stadtökonomie haben am Dienstagabend ein Papier veröffentlicht, das die Schöneberger Hauptstraße in den Blick nimmt. Ihr Fazit: Der dort geplante und angeordnete Radweg würde die Verkehrssituation verbessern.

Die Verkehrsverwaltung unter CDU-Senatorin Manja Schreiner hatte in der Schöneberger Hauptstraße und bei vier weiteren Planungen eine zusätzliche Vollbremsung eingelegt. Nachdem sie erst einen allgemeinen Radwege-Stopp verkündet hatte, spezifizierte sie vergangene Woche, dass fünf Bauprojekte »einer gesamtheitlichen, verkehrlichen Überprüfung« bedürften. Vier Aspekte möchte sie vor allem untersuchen: die Verkehrssicherheit, insbesondere des Fußverkehrs, eine Beeinträchtigung des ÖPNV, Einschränkungen des Wirtschaftsverkehrs und umweltbelastende Effekte an Knotenpunkten.

Anhand dieser vier Punkte hat das Forschungsteam nun auch den Bauplan in der Schöneberger Hauptstraße begutachtet. Zur Frage der Verkehrssicherheit heißt es in dem Papier, dass eine eigene Fahrbahn mit Pollern und farblich markierten Einfahrten die Radfahrer*innen schützen würde. Die würden durch die erhöhte Sicherheit seltener auf den Gehsteigen fahren, was wiederum den Fußgänger*innen zugute käme. Die Befürchtung, dass Kreuzungen für Fußgänger*innen gefährlicher würden, wenn sich der Autoverkehr auf der einspurigen Fahrbahn staut, wiesen die Wissenschaftler*innen zurück. Denn: »Autofahrende dürfen nur dann in die Kreuzung fahren, wenn sie absehen können, dass diese auch komplett überquert werden kann.« Verkehrskontrollen müssten diese Regel im Zweifelsfall durchsetzen.

In Bezug auf den ÖPNV stellt das Papier ebenfalls eine ausschließliche Verbesserung durch das Bauprojekt fest. Dank einer separaten Spur könnten die Busse problemlos passieren. Lieferwagen könnten zwar nicht mehr in zweiter Reihe parken, doch der Wirtschaftsverkehr würde von neuen Lieferzonen und dem fließenden Verkehr profitieren. Was schließlich die Leistungsfähigkeit betrifft, zeigt dabei eine eindrückliche Grafik: Während eine Autospur von 2000 Menschen pro Stunde in Anspruch genommen werden kann, hat eine Radwegeanlage eine Kapazität von 14 000 Menschen – siebenmal so viel. Auch wenn sich der Autoverkehr stauen würde, »könnte in Zukunft mit einer Verringerung der Kfz-Verkehrsmenge zu rechnen sein, wodurch die Fließgeschwindigkeit für den verbliebenen Straßenverkehr wieder zunimmt«.

Mögliche Umweltschäden sehen die Wissenschaftler*innen nicht: Im Gegenteil, sie prognostizieren weniger CO2-Emissionen, geringere Luftverschmutzung, sinkende Lärm- und Stressbelastung. »Wenn man Klimaschutz ernst nehmen möchte, ist das eine sehr wichtige Maßnahme«, sagt Sven Hausigke vom Forschungsteam zu »nd«. Auch wenn sich das Papier nur auf die Schöneberger Hauptstraße bezieht, ließen sich sehr viele Aussagen auf die übrigen vier gestoppten Projekte übertragen. Mit dem Papier wollten sie zeigen, dass der Radwege-Stopp politisch motiviert sei. »Aus fachlicher Perspektive bestand kein Anlass zur Überprüfung.«

Oda Hassepaß, die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sieht sich von dem Papier der Wissenschaftler*innen bestätigt: »Bei der Planung der Hauptstraßen nach Radverkehrsplan wurden genau diese Kriterien berücksichtigt. Das Ergebnis der TU zeigt, dass bereits alles gut abgewogen wurde.« Genau darauf hatten auch die Bezirke mehrfach hingewiesen.

Mit Blick auf den am Dienstag vorgestellten Entwurf für den Doppelhaushalt 2024/2025 äußert die Grünen-Politikerin leichten Optimismus. 59,1 Millionen Euro hat der Senat hier für den Radwege-Ausbau veranschlagt. »Das sind immerhin weniger Kürzungen, als die ersten Zahlen befürchten ließen«, sagt Hassepaß. »Sie sind dem Druck nachgekommen, der in den letzten Wochen auf der Straße spürbar war.« Es sei aber nicht gesagt, wohin das Geld letzten Endes fließe – wenn sich die Koalition wie angekündigt auf Kreuzungen und Sanierungen fokussiere, könnte der Radverkehrsplan hinten runterfallen. »Man muss das weiterhin kritisch begleiten.«

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