- Kultur
- Hans Arp: »flecken im leeren«
Der Dichter kräht, stottert, jodelt, wie es ihm passt
Mit »flecken im leeren« ist eine Auswahl der Gedichte, Erzählungen und Reflexionen von Hans Arp erschienen
Hans Arp schrieb: »Nie wird die leere nackt sein« – und tatsächlich: Unlängst ist eine Auswahl an Gedichten, Erzählungen und Reflexionen des elsässischen Dichters, Grafikers und Bildhauers im kleinen Aachener Verlag Rimbaud erschienen – unter dem Titel »flecken im leeren«. Entnommen wurde sie dem umfangreichen Sammelband »Jours effeuillés« (Entblätterte Tage), der 1966 bei Gallimard aufgelegt wurde, im Todesjahr von Hans bzw. Jean Arp. Er enthält alle seine in Französisch geschriebenen Texte.
Arp war ein Dadaist der ersten Stunde und später eins der treuesten Mitglieder der Pariser Surrealisten. Der ihm geistesverwandte Benjamin Péret schätzte seine »Poesie, in der Hochstimmung herrscht«. Sein dichterisches Werk sei für die Surrealisten sogar, »im Deutschen wie im Französischen, eines der köstlichsten des 20. Jahrhunderts« gewesen, wie José Pierre bemerkte, ja, der 670 Seiten starke Wälzer erschien ihm als »eines der großen Bücher unserer Zeit«. Sträflicherweise liegt dieses viel gelobte Werk noch immer nicht vollständig ins Deutsche übersetzt vor, wie der Herausgeber der nunmehrigen Auswahl, der ausgewiesene Surrealismuskenner und Übersetzer Heribert Becker, in seiner Einleitung bedauernd vermerkt.
Arp folgte in seiner Poetologie zeitlebens nicht nur dem psychischen Automatismus, einem »Denkdiktat ohne Kontrolle der Vernunft, jenseits aller ästhetischen und moralischen Erwägungen«, wie es 1924 André Breton im »Surrealistischen Manifest« verkündet und definiert hatte, er nahm dies sogar bereits zu Dada-Gründerzeiten in Zürich und Köln vorweg. Arp wollte das Gesetz des Zufalls, das »reines Leben« erschaffe, strikt befolgen und eine spontane Praxis eines analogischen Denkens entwickeln, denn »der tanz der nackten und geschminkten sterne lässt die testamente erröten«.
Wie kann man sich das vorstellen? Ungefähr so: »der stern war eine blume/die schlug wie ein herz/er war ein herz/das blühte wie eine blume«. Hans Arp listet auf: »Der Dichter kräht, flucht, seufzt, stottert, jodelt, wie es ihm passt. Seine Gedichte gleichen der Natur. Nichtigkeiten sind ihm so kostbar wie eine erhabene Rhetorik, denn in der Natur ist ein Teilchen so schön und wichtig wie ein Stern.«
In Arps »bienenstock aus träumen« sind »die blumen mit blitzen gekleidet«, »die steine sind eingeweide« oder auch »zweige aus wasser«, die »wolken sind wunden«, »die wörter sind schnelle pflanzen« und »herden von pflanzen verwandeln sich in herden von skeletten«. Arp war in erster Ehe mit der vielseitigen Schweizer Künstlerin Sophie Taeuber verheiratet, die den etwas weltfremden Künstler lange Zeit finanziell über Wasser hielt und mit ihm in einer Art schöpferischer Symbiose zusammenlebte.
Als Sophie 1943 durch einen Unfall starb, an dem sich Arp die Schuld gab, löste dies bei ihm einen heftigen und leider auch im Alter nicht mehr nachlassenden religiösen Schub aus, der erstaunlicherweise von den anderen Surrealisten, die allesamt militante Atheisten waren, entweder nicht wahrgenommen oder aber bewusst ignoriert wurde. Herausgeber Heribert Becker thematisiert diese zunehmende religiöse Färbung von Arps Wirken und seine Zuflucht ins Christentum eingangs nicht ausführlich, geht aber in der beigefügten Chronologie des Avantgardisten Vita und Werk näher darauf ein.
Hans Arp: flecken im leeren. Gedichte, Erzählungen und Reflexionen. Mit 8 Illustr. v. Hans Arp. Ausgewählt und a. d. Franz. übersetzt v. Heribert Becker. Lyrik-Taschenbuch. Rimbaud, 207 S., geb., 32 €.
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