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Verunsicherung in der Sterbehilfe
Gita Neumann über den Streit der Parteien über die Suizidhilfe
In der Lesung des Bundestags am 6. Juli zeigte die hohe Beteiligung von 690 Abgeordneten, wie ernst es allen mit einer – allerdings gegensätzlichen – gesetzlichen Klärung für eine ärztlichen Suizidhilfe ist. So stimmten insgesamt knapp 590 Abgeordnete entweder für den einen oder den anderen Entwurf, wobei sich die AfD blockartig beiden mit einem »Nein« verweigerte. Die Unionsabgeordneten votierten nahezu geschlossen für eine Neuauflage des vom Bundesverfassungsgericht 2020 gekippten Paragraf 217 im Strafgesetzbuch, wonach Suizidhelfer*innen (von Ausnahmen bei psychiatrischer Begutachtung abgesehen) bis zu drei Jahre Gefängnis drohen. Diese Gefahr mit katastrophalen Folgen ist abgewendet.
Allerdings bleibt die Verunsicherung hilfsbereiter Ärzt*innen, die nicht wissen, ob und wann eine Strafverfolgung auf sie zukommt. Der Status quo bleibt nun erhalten, wie es neben der AfD im breiten Konsens Ärztekammerfunktionäre, Kirchen, palliativmedizinische und psychiatrische Fachverbände haben wollten – ebenso Suizidhilfevereine, öffentlich mit »Erleichterung« reagierend, welche mit ihren Kompetenzen, Rechtsanwälten und zu erzielenden Finanzmitteln gut damit leben können.
Ungeregelt aber bleibt, welche Kriterien zur Bestimmung und Dokumentation eines frei verantwortlichen Willens gelten. Zum Beispiel wurde ein Arzt von der eintreffenden Polizei gefragt, warum er keine Videoaufnahme vom Tatgeschehen gemacht habe. Einem anderen Arzt wird vorgeworfen, auf ein psychiatrisches Gutachten verzichtet zu haben. Zudem kann es Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz geben: In der Suizidhilferegelung war vorgesehen, dort Mittel zum humanen Tod verfügbar zu machen.
Je nachdem, wo man lebt, welcher Haltung ermittelnde Beamte oder Staatsanwaltschaften folgen, kann von legaler Suizidhilfe oder Tötung ausgegangen werden. Der stellvertretende Dienststellenleiter eines Kriminalkommissariats für Todesermittlung erklärte unserem Verband gegenüber: »Die nicht geregelten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts machen mir Angst für Angehörige und alle, die sterbewilligen, kranken Menschen assistieren. Faktisch müssen wir viel im Hinblick auf die Freiverantwortlichkeit ermitteln.« Anzunehmen wäre aufgrund der Bundestagsabstimmung eine wachsende Aufmerksamkeit für Sorgfaltskriterien – die aber willkürlich interpretierbar bleiben. Der Kriminalbeamte fügte hinzu: »Auch wenn ein Verfahren gut ausgeht – bis dahin möchte ich nicht in der Haut derjenigen stecken, die Hilfe geleistet haben. Mir wäre als Ermittler ein Gesetz lieber, das eine unabhängige Stelle zur Willensentscheidung beigetragen hätte.«
Diese Rechtssicherheit wäre mit dem liberalen Gesetzentwurf geschaffen worden, initiiert von Katrin Helling-Plahr (FDP), Renate Künast (Grüne), Helge Lindh (SPD) und Petra Sitte (Linke). Letztere vertrat das dort vorgesehene Netz von Beratungsstellen in ihrer Bundestagsrede: »Eine umfassend angelegte und lebensweltlich orientierte Beratung ist ergebnisoffen und damit suizidpräventiv zugleich. Die Lebenssituation, Unterstützungs- und Betreuungsangebote, Hilfsangebote, Handlungsalternativen zur Selbsttötung sollten besprochen werden.« Und weiter: »Sollte sich während der Beratung zeigen, dass man psychiatrische und psychotherapeutische Hilfe braucht, dann ist diese aus dieser Beratung heraus selbstverständlich zu vermitteln. Dieses Beratungsangebot ist für jeden zugänglich, niedrigschwellig und steht jedem unentgeltlich offen.« Dieses Konzept wurde nachdrücklich vom Humanistischen Verband Deutschlands unterstützt, der es weiterhin praktisch verfolgen wird.
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