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Fairer Handel trotzt Inflation

Verbraucher geben mehr als zwei Milliarden Euro für fair gehandelte Produkte aus

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

»Weltläden« gibt es in fast jeder größeren Stadt. Sie sind eine Art moderner Kolonialwarenladen: Kaffee aus Äthiopien, Reis aus Thailand, dazu handgemachte Rasierseife vom Amazonas, elegante Schals aus Costa Rica oder kunstvoll gefertigte Kunstgegenstände aus Ghana. Etwa 900 Läden gibt es in Deutschland. Im Unterschied zu ihren historischen Vorgängern verkaufen sie jedoch Produkte, die »fair« gehandelt werden. Das meint vor allem eine Entlohnung der Menschen für ihre Arbeit und Produkte, die über dem landes- und branchenüblichen Preis liegt, und den Verzicht auf Kinder- und Zwangsarbeit. Zunehmend setzt der »faire Handel« auch auf Bio-Produkte.

Die Mehrheit der Verbraucher in der Bundesrepublik kauft nur gelegentlich im Weltladen oder faire Produkte im Supermarkt. Der Marktanteil von fairem Kaffee, einem der weit verbreiteten alternativen Produkte, beträgt nur 5,6 Prozent. Es besteht noch viel Potenzial.

Bereits vor zwei Jahrzehnten organisierte sich die Szene. 2002 wurde das Forum Fairer Handel (FFH) gegründet, um insbesondere die politische Arbeit zu stärken. Entsprechend versteht sich das FFH mittlerweile gegenüber Parteien und Regierung als Stimme des fairen Handels in Deutschland. Und dieser besteht aus zwei Welten.

Auf der einen Seite gibt es spezialisierte Importorganisationen, die Lebensmittel, Handwerksartikel und andere Waren von ihren Handelspartnern abnehmen, teilweise weiter verarbeiten und bundesweit vertreiben und vermarkten. Sie sind ausschließlich im fairen Handel tätig. Produkte von El Puente, Gera oder Naturland sind vor allem in Weltläden und nur teilweise in Bioläden und Supermärkten erhältlich.

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Auf der anderen Seite werden jedoch 81 Prozent des Gesamtumsatzes des fairen Handels mit »gesiegelten« Waren erzielt. Produkte werden nach Kriterien eines Fair-Handel-Standards hergestellt. Über diesen Weg ist es auch konventionellen Unternehmen möglich, faire Produkte zu verarbeiten und zu vertreiben. Diese können dann mit einem entsprechenden Siegel gekennzeichnet werden. Die bekanntesten Siegel in Deutschland sind »Fairtrade« und »Naturland Fair«.

FFH-Geschäftsführer Matthias Fiedler bemühte sich am Dienstag anlässlich der Jahrespressekonferenz des Forums in Berlin um optimistische Töne. Der Verkauf fairer Produkte habe 2022 erstmals die Grenze von zwei Milliarden Euro übersprungen. Seit 2015 sei der Umsatz zudem um 70 Prozent gestiegen. Und trotz hoher Inflation sei der Umsatz mit fair gehandelten Produkten auch im vergangenen Jahr, anders als befürchtet, preisbereinigt »stabil geblieben«: Er sei um 11,5 Prozent auf 2,18 Milliarden Euro gestiegen.

Ein paradoxes Ergebnis ergab eine im Juni durchgeführte, repräsentative Verbraucherbefragung. Danach ist das größte Hindernis für den Kauf fairer Produkte der Preis. Genau dieser höhere Preis erlaubt es aber, Kleinbauern und Handwerker im »globalen Süden« finanziell abzusichern, Ernten vorzufinanzieren oder etwa Bäume als Schattenspender für Zuckerrohrplantagen zu pflanzen. Zugleich treffen im »globalen Süden« in vielen Projekten sinkende Ernteerträge infolge der Klimakrise auf horrend gestiegene Lebenshaltungs- und Produktionskosten.

Damit werde der Spielraum für zivilgesellschaftliche Aktivitäten und damit auch für Genossenschaften, die wichtigsten Produzenten fairer Produkte, weltweit kleiner. Schuld sei der zunehmende Druck von Regierungen in vielen Staaten, beklagt Andrea Fütterer. »Für unsere Handelspartner in Afrika, Asien und Lateinamerika sind faire Lieferketten wichtiger denn je«, bekräftigt die FFH-Vorstandsvorsitzende.

Erfolge gebe es in der Europäischen Union. So sei das europäische und deutsche Lieferkettengesetz auch ein Ergebnis der politischen Lobbyarbeit des FFH. Doch noch immer seien viele Erzeuger gezwungen, Lebensmittel zu Dumpingpreisen an »marktmächtige Konzerne« zu verkaufen. Deswegen fordert das Forum im Rahmen der »Initiative für faire Preise in der Lieferkette« ein gesetzliches Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskosten.

Die öffentliche Wahrnehmung und das politische Gewicht des fairen Handels haben zugenommen. Entscheidenden Anteil daran habe die Entscheidung, faire Produkte auch über den Lebensmitteleinzelhandel zu vertreiben, zeigt sich Fütterer überzeugt. Anfänglich sei dieser Einstieg bei Aldi, Edeka und Rewe in der Bewegung heftig umstritten gewesen. Das habe sich angesichts der Verkaufserfolge gelegt, so Fütterer.

Die »Pioniere« des fairen Handels seien und blieben aber die Weltläden, versichert Fiedler. Sie erreichten im vergangenen Jahr einen Gesamtumsatz von 77 Millionen Euro, ein Plus von rund sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im September feiern die ehrenamtlich geführten Weltläden ihren 50. Geburtstag.

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