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Radical Softness: Die Go-Betweens waren eine emotionale Band mit Eigensinn. Jetzt gibt es ihre Songs als Comicstrips

  • Luca Glenzer
  • Lesedauer: 4 Min.
Der erste Songtitel der Go-Betweens mit dem Wort »Liebe« (1988), gezeichnet von Noah Van Sciver
Der erste Songtitel der Go-Betweens mit dem Wort »Liebe« (1988), gezeichnet von Noah Van Sciver

Kennen Sie »Radical softness«? So heißt ein Konzept, das sich seit einigen Jahren insbesondere innerhalb der Generationen X und Z wachsender Beliebtheit erfreut. Im Zentrum steht dabei die Idee, Verletzlichkeit und Emotionalität offen zeigen und artikulieren zu können, statt sie hinter einer glatten Fassade makelloser Coolness verbergen zu müssen, die Individualität nur vorgibt und zugleich gähnende Gleichförmigkeit produziert.

Hört man sich vor dem Hintergrund dieses Konzeptes die Musik der Go-Betweens an, verwundert es, dass die Idee nicht schon viel früher populär geworden ist. Die 1977 im australischen Brisbane von den beiden Freunden und Hauptsongwritern Robert Forster und Grant McLennan gegründete Band war ab den frühen 80er Jahren ein ganz wesentlicher Faktor dafür, dass australischer Indie Pop – auch »Aussie-Indie« genannt – nicht bloß auf einen geographischen Ursprung, sondern auf einen ganz eigenen qualitativen Gehalt verwies. Beschwingte Melodien trafen dabei auf eine allgegenwärtige Melancholie und Schwermut, folkige Gitarren und ausgefeilte Harmoniegesänge auf treibende Rhythmus-Partien. Aussie-Indie war leichtfüßig und schwermütig zugleich, genauso wie die Go-Betweens, die ihre Vorliebe für Paradoxien ja bereits im Namen trugen.

Sieben Alben veröffentlichte das Quartett zwischen 1981 und 1988, auf denen die beiden heterosexuell lebenden Frontmänner ihre Sensibilität, Selbstzweifel und starke Frauen besangen und damit das Konzept der Straight-Queer Masculinity belebten, das der US-Soziologe Robert Heasley erst viel später – in den 2000er Jahren – entwarf. Den PR-Agenten der Plattenfirma gefiel die Umkehrung klassischer Geschlechterrollen – Forster etwa ging schon mal im Kleid auf die Bühne – gar nicht, doch sie bissen sich am konzeptionellen Eigensinn der Band die Zähne aus.

1989 war dann vorläufig Schluss mit der Band. Forster und McLennan gingen getrennte Wege und schlugen jeweils Solokarrieren ein. Im Jahr 2000 erfolgte dann in neuer Besetzung ein Comeback mit dem Album »The Friends of Rachel Worth«. Bis 2005 erschienen zwei weitere Alben, bevor McLennan 2006 völlig überraschend an einem Herzinfarkt starb. Forster erklärte die Band daraufhin für aufgelöst.

Das endgültige Ableben der Band hat ungeachtet der seither erschienenen Soloalben Robert Forsters eine Lücke in der internationalen Musikszene hinterlassen. Und doch bietet der Backkatalog der Band nach wie vor Anknüpfungspunkte für Neues. Davon zeugt aktuell der vor Kurzem im Mainzer Ventil Verlag erschiene Songcomic »Thank You For a Lovely Day«.

Das Prinzip des mittlerweile bewährten Konzeptes – der hier vorliegende Band ist der mittlerweile fünfte des Verlags – ist leicht erklärt: Jede*r Comiczeichner*in hat sich einen Song aus dem Songrepertoire der Band ausgewählt und diesen im Anschluss in einem knappen Comic interpretiert. Augenfällig ist dabei, wie gut das einfache, unprätentiöse Konzept des Comics mit der ebensolchen Musik und der bildlichen Sprache der Band korrespondiert. So erzählt die in rot-grünen Farbtönen gehaltene Bildgeschichte von Katharina Kuhlenkampf zur ersten Go-Betweens-Single »Lee Remick« aus dem Jahr 1978 von den Liebesgefühlen eines jungen Einzelgängers, der sich aus Mangel an Alternativen in die US-Filmschauspielerin verliebt. Robert Forster schreibt dazu in den vorangestellten Linernotes, dass er sich im Alter von 20 Jahren vornahm, einen Liebessong zu schreiben, dabei aber vor dem Problem stand, keinerlei Liebeserfahrung zu haben. So imaginierte er sich ein fernes Liebesobjekt, Lee Remick schien da eine willkommene Projektionsfläche zu sein.

Die elf im Band enthaltenen Bildgeschichten variieren dabei von detailreich (»Right Here« von Matthias Lehmann) bis minimalistisch (»Quiet Heart« von Ulf K.), von knallig-farbig (»The Clarke Sisters« von Bim Eriksson) bis hin zu sprödem Schwarz-Weiß (»Too Much Of One Thing« von Leif Gütschow und Luka Lenzin). Darin spiegelt sich die ganze emotionale Spannbreite, auf der die Go-Betweens wie auf einer Klaviatur gnadenlos gut und furios zu spielen wussten.

Neben den Comics selbst sind auch die anekdotischen, mal witzigen und mal traurigen Linernotes von Robert Forster überaus lesenswert. Wohl für den internationalen Markt ist das gesamte Buch in Englisch gehalten. Hier verbinden sich Forsters Erinnerungen an die Go-Betweens mit den Imaginationspotenzialen ihrer Musik, die von den insgesamt zwölf Künstler*innen in neue Bildgeschichten transformiert werden – so wie es in »Karen«, dem ersten Song, den Forster je schrieb und der hier von Philip Waechter mit fettem Strich interpretiert wird, in der ersten Zeile heißt: »I just want some affection«.

Gunther Buskies/Jones Engelmann (Hg.): Thank You For a Lovely Day. Ventil-Verlag, 128 S., geb., 25 €.

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