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CSD, Pinkwashing und Polizei: Wie links ist der Regenbogen?
In Kiel wollte die LSBTIQ*-Stelle der Polizei zum CSD, in Freiburg bekennt man sich zur Antifa. In Berlin gibt es längst zwei verschiedene Prides
Es ist Pride Month, also der Monat, in dem weltweit die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, trans, inter und queeren Menschen (LSBTIQ*) gefeiert werden. Wenn an diesem Wochenende der Christopher Street Day (CSD) in Berlin startet, werden allerdings nicht nur queere Initiativen auf der Straße sein, sondern auch Institutionen wie das Bundesinnenministerium und Unternehmen wie Siemens, Sony und der Touristikkonzern Tui. Anfang des Monats machte die Teilnahme der rechtspopulistischen »Bild« am Kölner CSD Schlagzeilen, auch Partnerunternehmen der Bundeswehr zeigten dort Präsenz.
»Bei diesen kommerziellen CSDs geht es gar nicht mehr um die queere Community und ihren Protest. Sie werden vereinnahmt von Konzernen, die sich nicht wirklich darum scheren, wie es ihren queeren Angestellten geht«, sagt Juli von der Initiative Queere Vernetzung Kiel zu »nd«. »Pinkwashing« nennt man die Strategie, sich aus Marketinggründen mit der queeren Bewegung zu schmücken. Bei »Bild«, einer Zeitung, die an den meisten anderen Tagen im Jahr gegen queere Menschen hetzt, ist das besonders offensichtlich.
Beim Kieler CSD ist Pinkwashing von Unternehmen laut Juli kein großes Problem. Dort sorgte in diesem Jahr allerdings die Teilnahme der Zentralen Ansprechstelle LSBTIQ* der Landespolizei Schleswig-Holstein für Konflikte. Als diese bei der Parade mit Regenbogenauto vorfuhr, schirmten Aktivist*innen die Beamt*innen mit polizeikritischen Bannern vom Rest der Demonstration ab. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Schleswig-Holstein behauptete anschließend, dass ihre Kolleg*innen von der Antifa »aggressiv bedrängt« worden seien. Tatsächlich habe es sich um queere Menschen aus dem antikapitalistischen Demonstrationsblock gehandelt, stellt Juli klar. Und von Gewalt hätten die Ordner*innen nichts mitbekommen, bestätigt Pascale Bahr aus dem Vorstand des Kieler CSD-Vereins.
Aus Sicht der Queeren Vernetzung Kiel hat die Polizei auf CSDs prinzipiell nichts verloren. Das habe erstens historische Gründe, da die Pride aus dem Aufstand gegen Polizeigewalt bei einer Razzia am 28. Juni 1969 in der New Yorker Szenebar Stonewall Inn hervorging. Zweitens sei die Polizei »für queere Menschen noch heute eine Gefahr«, sagt Juli. Queere, genau wie rassistisch diskriminierte oder arme Menschen seien besonders häufig von Polizeigewalt betroffen und würden vom CSD ausgeschlossen, wenn die Polizei dort Präsenz zeige.
Das hat die Queere Vernetzung bereits vor dem diesjährigen CSD an den Verein herangetragen. Dort nehme man die Kritik sehr ernst, sagt Pascale Bahr. Allerdings hätten der CSD-Verein und viele weitere Organisationen in Schleswig-Holstein lange für die Einrichtung der Zentralen Ansprechstelle LSBTIQ* bei der Polizei gekämpft, die 2018 gerade zu dem Zweck geschaffen worden sei, Opfern queerfeindlicher Gewalt zu helfen und entsprechende Straftaten anzuzeigen. »Wir halten nach wie vor an dem Standpunkt fest, dass wir diese Anlaufstelle mehr publik machen wollen für Menschen, die darauf angewiesen sind«, sagt er. Prinzipiell stehe auch der CSD-Verein der Polizei kritisch gegenüber, allerdings gebe es auch viele queere Beschäftigte bei der Polizei, die ihre Institution verändern wollten. »Die wollen wir nicht ausschließen«, betont Bahr.
Juli hält dagegen, dass natürlich auch bei der LSBTIQ*-Stelle Polizist*innen arbeiteten und Betroffene Polizeigewalt erfahrungsgemäß niemals bei der Polizei anzeigen würden. Der CSD-Verein suchte einen Kompromiss und bat die Stelle – erst persönlich, dann öffentlich – »optisch abzurüsten«, wie Bahr es nennt, also auf Uniform, Schusswaffen und Schlagstöcke zu verzichten. Darauf sei ein Shitstorm gefolgt, denn es gebe auch viele queere Konservative, »für die null nachvollziehbar war, warum die Polizei eingeschränkt werden sollte«, sagt Bahr. Daraufhin habe die Ansprechstelle den Stand ganz abgesagt, aber gefragt, ob sie trotzdem zum Startplatz der Demonstration kommen dürfe. Der Verein habe zugesagt, schließlich sei der CSD öffentlich.
»Dass da dann ein kompletter Stand mit Tisch und Fahrzeug aufgebaut wurde, war mit uns nicht abgesprochen«, so Bahr. Rund ein Dutzend Aktivist*innen habe nicht lange gefackelt und sich mit Transparenten davorgestellt, berichtet Juli. Auch dem späteren Versuch, mit dem Regenbogen-Polizeiwagen die Demonstration zu begleiten, sei man mit »polizeikritischen Bannern« begegnet. »Es ist bezeichnend, dass queere Menschen dafür, dass sie mit Bannern vor der Polizei stehen, von dieser dann als ›aggressiv‹ bezeichnet werden«, so ein Statement der Aktivistin Kim Wänke zur Darstellung der GdP. Auch aus Bahrs Sicht war die Aktion mit dem Auto »ein absolutes Fehlverhalten«. Allerdings habe der Verein mangels Kapazitäten nicht sofort eingreifen können und nach zehn Minuten habe der Wagen von selbst schon »den Rückzug angetreten«.
Die GdP teilte in einer Pressemitteilung mit, Auslöser des Konflikts »sind offenbar öffentliche Diskussionen und Statements zu einer Handlungsempfehlung zur Durchsuchung von trans Personen in Berlin«. Laut dieser Handlungsempfehlung dürfen trans Personen, die in Berlin von der Polizei durchsucht werden, darauf bestehen, dabei eine*n Beamt*in entsprechend der eigenen Gender-Identität zugewiesen zu bekommen, was von der GdP Berlin schwer kritisiert wurde. Allerdings hat diese Diskussion nichts mit dem Kieler CSD zu tun. »Ich kenne diese Handlungsempfehlung nicht. Den Grund hat die GdP Schleswig-Holstein sich nur ausgedacht, um besser dazustehen als die Polizei in anderen Bundesländern«, vermutet Juli.
Aus Perspektive der GdP Schleswig-Holstein zeigen die ablehnenden Reaktionen gegen die LSBTIQ*-Stelle der Polizei, »dass einige Personen aus ›lokalen politischen Gruppen‹ in Kiel ihr negatives Polizeibild dazu nutzen, ein jahrelang aufgebautes Miteinander zwischen der Ansprechstelle LSBTIQ und der Community zu diskreditieren«, wie der Landesvorsitzende Torsten Jäger auf nd-Anfrage mitteilt. »Der Streifenwagen in Regenbogenfarben symbolisiert doch aber ein eindeutiges Bekenntnis zu Vielfalt, Toleranz und Offenheit«, ist er überzeugt.
Die Queere Vernetzung Kiel ist da anderer Ansicht und verweist auf den New Yorker CSD, der die Polizei, »nicht zuletzt als eine Konsequenz der Black-Lives-Matter-Bewegung, von der Demonstration ausgeschlossen hat« und für den Schutz eine queerfreundliche Security organisiert hat. Das sei in Deutschland aber gar nicht erlaubt und für den Kieler CSD-Verein ohnehin viel zu teuer, wendet Bahr ein.
Für einen großen Teil der queeren Community sei das seiner Einschätzung nach ohnehin kein Thema. »Die meisten wollen einfach nur Party machen«, meint Bahr. Das müsse man sich auch beim Thema Pinkwashing vor Augen halten. Denn Partys kosteten Geld und dafür brauchten CSDs nun einmal Sponsor*innen. Allerdings trenne man in Kiel strikt zwischen Straßenfest und Demo – letztere sollte als solche wahrgenommen werden.
In anderen Städten hat die Diskussion bereits zu tatsächlichen Zerwürfnissen geführt. So gibt es in Berlin an diesem Samstag wie in vielen Jahren zuvor einen zweiten CSD, alternativ zu dem des Berliner CSD-Vereins. Bei der Internationalistischen Queer Pride soll es weniger um die Party gehen und stärker um den Kampf, mit einem Fokus auf trans Personen, Sexarbeiter*innen und rassistisch diskriminierte Menschen sowie einer klaren Verurteilung von Pinkwashing. Bis 2013 gab es den Transgenialen CSD, von 2014 bis 2016 den Kreuzberger CSD als alternative Prides.
In Freiburg spielte sich eine solche Kontroverse unter umgekehrten Vorzeichen ab. Dort bezog sich der CSD-Verein positiv auf die Antifa, bewarb die Pride, die Ende Juni stattfand, mit einem »Schwarzwaldmädel« mit Sturmhaube und dem Logo der queeren Antifaschistischen Aktion. Daraufhin boykottierten der Lesben- und Schwulenverband Baden-Württemberg (LSVD BW) und die Interessengemeinschaft CSD Stuttgart die Freiburger Pride, da sie diese »in direktem Zusammenhang mit gewaltbereiten Gruppierungen« sahen, wie es Kerstin Rudat aus dem Vorstand des LSVD BW ausdrückte.
Der Freiburger CSD-Verein reagierte mit einem Verweis auf den Rechtsruck und damit einhergehende Queerfeindlichkeit in Deutschland und anderen Ländern und erklärte: »Mit einem Blick auf die Geschichte und Gegenwart der queeren Community sind wir es der Zukunft schuldig, hier und jetzt für den Antifaschismus einzustehen.« Auch Juli von der Queeren Vernetzung ist der Meinung: »Der CSD sollte eine antifaschistische Veranstaltung sein.«
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