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Fußball-WM der Frauen: Australien feiert, Neuseeland fremdelt
Die Stimmung bei den beiden Gastgebern könnte unterschiedlicher kaum sein
In Sydney sind sie stark damit beschäftigt, noch eine zweite Fanzone zu errichten. Direkt neben dem Circular Quay, wo die Fähren in alle Richtungen gefühlt im Minutentakt loslegen, wird seit Wochenanfang noch gehämmert und geschraubt, um einen prominenten Anlaufpunkt für die Fußballfans zu bauen. Das offizielle Fanfest ist am Tumbalong Park, mit prächtigem Blick auf die Skyline, eigenem Fußballplatz und buntem Programm. Vermutlich wird es an diesem Donnerstag beim Auftaktspiel der »Matildas«, wie die australischen Fußballerinnen in Anlehnung an das Lied »Waltzing Matilda« genannt werden, gegen Irland überall richtig voll.
Die ursprünglich für das Sydney Football Stadium vorgesehene australische Auftaktpartie dieser Weltmeisterschaft gegen den europäischen WM-Neuling wurde vor einigen Monaten extra ins große Australia-Stadion verlegt, wo trotz des Rückbaus nach den Olympischen Spielen immer noch mehr als 80 000 Menschen Platz finden. Tickets gibt’s nur noch auf dem Schwarzmarkt. Ohnehin läuft der Kartenverkauf gerade für Sydney, Melbourne oder Brisbane sehr gut, in Adelaide und Perth ist die Nachfrage etwas geringer. Aber von den bereits 1,25 Millionen verkauften WM-Tickets entfällt die Mehrzahl auf das riesige Land mit den rund 25 Millionen Einwohnern.
Das Fünf-Millionen-Volk in Neuseeland ist etwas zurückhaltender, laut Angaben des Weltverbandes Fifa wurden dort bislang nur 320 000 Karten verkauft. Sportminister Grant Robertson forderte sogar, er wolle »bitte mehr Leute« in den Stadien von Auckland, Hamilton, Dunedin und Wellington sehen. Der Weltverband wird nun 20 000 Freikarten ausgeben, doch dann werden die »last minute buyers« (Robertson) kaum noch an die Tageskassen kommen. Es deutet sich ein großer Kontrast an. Partyhochburg da, Stimmungskiller dort – diese Befürchtung besteht für zwei Gastgeber, die doch eigentlich viel verbindet.
Klar, auch beim Eröffnungsspiel der WM zwischen Neuseeland und Norwegen in Auckland werden an diesem Donnerstag die Ränge im 48 000 Plätze bietenden Eden Park gut gefüllt sein. Aber während Australien nicht erst durch die Olympischen Spiele 2000 in Sydney gezeigt hat, dass solche globalen Events ein Leuchten in die Augen einer sportbegeisterten, weltoffenen Bevölkerung zaubern können – selbst dann, wenn nicht die Nationalsportarten im Programm sind. Auch deshalb erhielt Brisbane den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 2032.
Neuseeland tickt anders: Außer Rugby zieht selbst bei Frauen und Mädchen nicht so viel. Wobei die grüne Insel ja noch das Glück hat, dass der Rekordchampion USA mit seiner großen Gefolgschaft hier mindestens dreimal antritt. Vielleicht aber wird man mit dem Fußball nicht richtig warm, weil auch die »Football Ferns«, wie das Gastgeber-Team bezeichnet wird, kein Feuer entfachen. Noch nie hat Neuseeland ein WM-Spiel gewonnen. Wenn sich die schwachen Eindrücke der Vorbereitung bestätigen – mit hohen Niederlagen gegen die USA (0:4, 0:5) und sogar gegen WM-Neuling Portugal (0:5) –, dann könnte schon nach dem letzten Gruppenspiel gegen die von Inka Grings trainierten Schweizerinnen Schluss sein.
Die aus Tschechien stammende neuseeländische Nationaltrainerin Jitka Klimkova ahnt, dass sich schnell einiges ändern muss: »Ich weiß nicht, ob Neuseeland schon verstanden hat, was da kommt, wie groß und toll es werden wird.« Immerhin kann es ihre Stürmerin Hannah Willinson, früher beim MSV Duisburg unter Vertrag, kaum erwarten, dass der Ball endlich rollt. »Es wird ein Erlebnis wie kein anderes werden«, sagt die 31-Jährige.
Gänsehaut bekommt auch die australische Torjägerin Sam Kerr. Ihr Team hat beim jüngsten 1:0-Testspielsieg gegen die stark eingeschätzten Französinnen vor 53 000 Fans in Melbourne gespürt, mit welcher Leidenschaft ihre Landsleute dabei sind. Der schwedische Nationaltrainer Tony Gustafsson verfolgt einen klaren Plan – und spricht ebenso wie seine Starspielerin Kerr vom Titel. »Eine Heim-WM gibt es nur einmal im Leben«, begründet die 29-Jährige.
An der Stürmerin vom FC Chelsea kann in Down Under gerade niemand vorbei. Ihr Werdegang – Vater Roger und vor allem Bruder Daniel, waren im Australian Football überaus erfolgreich – verschafft ihr eine fast erdrückende Allgegenwärtigkeit in den Medien und der Werbung. Kerr sollte es eigentlich schaffen, dass in den vielen Sportbars bald etwas anderes läuft als Rugby, Australian Football, Cricket oder Pferderennen. Mancher Pub-Besitzer muss davon aber noch überzeugt werden.
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