Enthüllungen zum Eigentümer der Leag: Der Kohlebaron aus Brno

Für die Lausitz von Interesse: Deutsche Fassung des Enthüllungsberichts über Daniel Křetínský

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 6 Min.

»Oligarch«, »Kohlebaron«, »Putins Mann« – so wird der tschechische Unternehmer Daniel Křetínský in seiner Heimat von der Organisation Re-set genannt. Re-set ist eine Plattform für die sozial-ökologische Transformation. Sie veröffentlichte Ende vergangenen Jahres einen Enthüllungsbericht über die Machenschaften von Křetínský, der aber außerhalb Tschechiens kaum Beachtung fand. Die Grüne Liga ließ nun eine deutsche Übersetzung anfertigen, ergänzt um ein Kapitel über die Lausitzer Energie AG (Leag), die seit 2016 zu Křetínskýs Firmenimperium gehört. Damals kaufte seine Energetický a průmyslový holding (Energie- und Industrie-Holding, kurz EPH) die Kohlekraftwerke und Tagebaue in der Lausitz. Die EPH brauchte nur einen symbolischen Preis zu zahlen. Denn der schwedische Staatskonzern Vattenfall, der in Skandinavien auf Ökostrom setzt, hatte ein Imageproblem mit seinem ganz anders gearteten Engagement im Ausland und wollte seine deutsche Braunkohlesparte deshalb unbedingt loswerden.

Dass EPH bei einer dem Untergang geweihten Technologie noch zugreift, ist laut Re-set kein Zufall, sondern scheint ein wohlüberlegtes Geschäftsmodell zu sein. Es werde mit der Kohle noch so viel Geld gemacht, wie nur irgendwie geht. Der Kohleausstieg werde durch politische Einflussnahme so weit wie möglich hinausgezögert. Wenn er nicht mehr zu verhindern sei, kassiere EPH staatliche Entschädigungen. Die Masche funktioniere nicht nur in Deutschland und Tschechien, sondern auch in Frankreich, Großbritannien, Italien und der Slowakei, wo die EPH ebenfalls Kohlekraftwerke besitze. So ähnlich laufe es mit Gaskraftwerken. Lange Zeit eine der profitabelsten EPH-Tochtergesellschaften sei die slowakische Eustream gewesen, die praktisch ein Monopol auf die Durchleitung von russischem Erdgas gehabt habe.

Reich wurde Daniel Křetínský dem Bericht zufolge durch Deals, die staatliche und halbstaatliche Unternehmen übervorteilten. Ob da Korruption im Spiel war? Der Enthüllungsbericht legt diesen Verdacht zumindest nahe. Als beispielhafter Komplize eines zweifelhaften Drehtür-Effekts wird der ehemalige tschechische Ministerpräsident und Europaparlamentarier Mirek Topolánek genannt. Nach seinem Ausscheiden aus der Politik habe der Ex-Parteichef der konservativen Demokratischen Bürgerpartei bei EPH-Firmen angeheuert. Allerdings – das gehört zur Wahrheit dazu: Topolánek ist keiner dieser Politiker, die sich in gut bezahlten Beratertätigkeiten für die Wirtschaft wiederfinden, obwohl sie vom Fachgebiet wenig bis keine Ahnung haben dürften. Er studierte Maschinenbau und arbeitete schon in den 1970er Jahren als Ingenieur in der Kohleindustrie.

Wo die EPH nicht fossile Rohstoffe verbrennt, sondern Biomasse, ruft sie dennoch Umweltschützer auf den Plan. Statt Restholz zu verfeuern, werden gesunde Wälder abgeholzt, lautet ein Vorwurf. Statt Biomasse müsste es demzufolge »Biomassaker« heißen. »Křetínskýs Businessplan basiert auf dem Kalkül, dass die Weltgemeinschaft mit ihrer Absicht scheitert, das Klima rechtzeitig zu stabilisieren und den Planeten vor dem Klimakollaps zu retten«, heißt es. Zwar errichten EPH-Firmen auch Solaranlagen, so etwa in der Lausitz. Doch Energieriesen wie EPH zerstörten damit die Chancen der zukunftsweisenden Technologie, dezentral und sozial gerecht Strom zu erzeugen. Die Energieversorgung dürfte nicht privatisiert, sie müsste im Gegenteil verstaatlicht werden, so eine Forderung. Die Liberalisierung des Strommarkts durch die EU habe die gesteckten Ziele nicht erreicht und müsste rückgängig gemacht werden. Denn die Preise für die Verbraucher seien gerade nicht gesunken.

Daniel Křetínský und seine Holding
  • Daniel Křetínský wurde am 9. Juli 1975 in Brno geboren.
  • Er studierte Jura an der Masaryk-Universität in Brno. Er sponsert heute die dortige juristische Fakultät. Die Zusammenarbeit besteht zum Beispiel darin, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Křetínský an der Universität unterrichten und Studierende Praktika in seinen Unternehmen absolvieren.
  • Die Eltern des Unternehmers sind der Informatiker Mojmír Křetínský und die frühere Verfassungsrichterin Michaela Židlická.
  • Im Jahr 2020 machte die EPH 211 Milliarden Tschechische Kronen Gewinn. Das waren umgerechnet 8,5 Milliarden Euro. 2021 betrug der Gewinn 470 Milliarden Kronen und allein im ersten Halbjahr 2022 schon 371 Milliarden.
  • Das Vermögen von Křetínský wird vom Forbes-Magazin auf 9,7 Milliarden US-Dollar geschätzt. af

Als wäre alles nicht genug, hält Křetínský Anteile an einem tschechischen Unternehmen, das Mülldeponien betreibt, die es am besten nicht mehr geben sollte. Zusätzlich tummelt sich der Milliardär in der Medienlandschaft. Ihm gehören Anteile an auflagenstarken Zeitungen und an Rundfunksendern mit großer Reichweite in Tschechien und Frankreich. Zwei seiner Chefredakteure in Tschechien beschimpften Umweltschützer als Ökoterroristen, heißt es. In Frankreich soll Daniel Křetínský höchstselbst versucht haben, die Gestaltung einer Titelseite zu beeinflussen, um dem neoliberalen Präsidenten Emmanuel Macron zu helfen. In Frankreich aber reagieren Journalisten sensibel auf eine solche Einmischung in ihre Arbeit, vermerkt der Enthüllungsbericht. Beinahe heitere Randbemerkung: Wie es sich für einen waschechten Oligarchen gehört, ist der Unternehmer Miteigentümer des traditionsreichen Fußballklubs Sparta Prag und ihm gehört ein großes Stück des nicht minder wichtigen englischen Klubs West Ham United.

»Es ist höchste Zeit, dass die europaweiten Geschäfte und Verflechtungen von EPH auch in Deutschland breit wahrgenommen werden«, meint René Schuster von der Grünen Liga. In Gestalt der Lausitzer Energie AG (Leag) mische die Holding nicht nur energiewirtschaftlich mit. Sie nehme auch Einfluss auf die Politik und versuche, umfangreiche öffentliche Gelder zu erhalten. »Wir konnten eine ausführliche Recherche aus Tschechien für einen Bericht in deutscher Sprache aufbereiten, der vielen die Augen öffnen dürfte«, sagt Schuster.

Für eine Einordnung aus deutscher Sicht sorgte der Journalist Jörg Staude, der bis 2005 das nd-Ressort für Wirtschaft und Soziales leitete. »Es besteht die akute Gefahr einer Abspaltung der Braunkohlesparte, die man dann in die Insolvenz schicken kann«, analysiert Staude. Wenn in den 2030er Jahren der Kohleausstieg komme, brauche es noch Jahrzehnte bis Jahrhunderte, um die Folgen des Tagebaus zu beseitigen. Es sei »mehr als fraglich, ob es dann die Leag noch gibt oder die Eigentümer der EPH in Prag« und ob sie für die Wiedernutzbarmachung der geschundenen Landschaft »auch nur einen müden Cent bereitstellen«. Staude schließt: »Wenn jetzt nicht die Weichen gestellt werden, wird am Schluss die öffentliche Hand allein für die Beseitigung der Schäden aufkommen müssen, während die Gewinne längst ins Ausland abgeflossen sind.«

Diese Mahnung ist nicht neu, sondern immer wieder von verschiedener Seite zu hören. Leag-Sprecher Thoralf Schirmer beteuert jedoch, für die Rekultivierung der Tagebaue sei gemeinsam mit den Ländern Brandenburg und Sachsen »ausreichende und den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Vorsorge getroffen«. So bilde die Leag angemessene Rücklagen. »Diese Rückstellungen werden alljährlich von Wirtschaftsprüfern testiert und von den Bergämtern der Länder in regelmäßigen Abständen der Sache und der Höhe nach geprüft.« Bestes Beispiel, dass die Rückstellungen ausreichen, sei der alte Tagebau Cottbus-Nord, der geflutet wird. Im Restloch entsteht so der Cottbuser Ostsee. Das vollziehe sich mit Ausgaben in Höhe von 300 Millionen Euro vollständig im Rahmen der Rückstellungen, versichert Schirmer.

Darüber hinaus werden »insolvenzfeste Sondervermögen zur finanziellen Absicherung« gebildet, erläutert der Sprecher. Wie mit Brandenburg und Sachsen vereinbart, habe die Leag 2019 Vorsorgegesellschaften gegründet, »in denen bis zum Auslaufen der Tagebaue ausreichend hohe Sondervermögen angespart und erwirtschaftet werden«. Eine Verpfändung der Gesellschaftsanteile an die beiden Bundesländer sichere für den Fall einer Insolvenz ab. Der Staat hätte dann direkten Zugriff auf das angesammelte Vermögen. Schirmer sagt: »Ein weitergehender Handlungsbedarf besteht nicht.«

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