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Die ungleichen Außenseiterinnen bei der Fußball-WM der Frauen

Kleine Fußballnationen werden immer besser – überraschen in Down Under jedoch selten

  • Frank Hellmann, Melbourne
  • Lesedauer: 6 Min.
Underdog gegen Turnierfavorit: Jamaika mit Stürmerin Khadija Shaw (l.) konnte gegen Frankreich gut mithalten.
Underdog gegen Turnierfavorit: Jamaika mit Stürmerin Khadija Shaw (l.) konnte gegen Frankreich gut mithalten.

Für Lorne Donaldson ist die Angelegenheit ziemlich klar. Dass seine Spielerinnen aus Jamaika wie schon bei der WM 2019 in Frankreich wieder bei einer Endrunde mitspielen, sei ein Segen für die »Reggae Girlz«. Und für den Fußball. Tatsächlich ist die aus der Karibik nach Australien transportierte Fröhlichkeit ansteckend. Nach der Nullnummer gegen den Mitfavoriten Frankreich kommt es nun am Samstag um 14.30 Uhr zum Außenseiterduell gegen Panama. Die Teams treffen sich in Perth, ganz an der Westküste, Jamaika fliegt dafür aus seinem Basecamp über den ganzen Kontinent. Danach könnte es gegen Brasilien in Melbourne am Mittwoch tatsächlich darum gehen, ob ein möglicher Achtelfinalgegner der DFB-Auswahl auch Jamaika heißt.

»Meine Spielerinnen entwickeln sich«, betont Donaldson, »weil einige die Chance bekommen haben, in den Topligen zu spielen.« Fast die Hälfte seines Kaders steht in den USA oder England unter Vertrag, Topstürmerin Khadija Shaw etwa bei Manchester City. Für den Nationalcoach schließt sich die Lücke gerade. »Kleine Länder haben verstanden: Wir haben nicht die Ressourcen wie die großen Nationen, aber bei den Trainern und beim Staff tun wir mehr.« Kleine Stellschrauben mit großer Wirkung.

Frankreichs Nationaltrainer Hervé Renard findet ganz allgemein, dass der Fußball »immer näher zusammenrückt«. Der Mann muss es ja wissen: Er hatte Saudi-Arabien bei der Männer-WM in Katar zur Sensation gegen Argentinien gecoacht und Lionel Messi damit den Ansporn zur Krönungsmesse gegeben. Jenes Turnier bot bekanntlich in der Gruppenphase Spannung ohne Ende. Die deutsche Nationalelf war ein Leidtragender der Dramatik am letzten Spieltag. Doch für die Frauen-WM ist die Wiederholung nicht unbedingt in Sicht.

Die Bilanz der WM-Neulinge Irland, Portugal, Sambia, Marokko, Vietnam, Panama, Haiti und die Philippinen fiel am ersten Spieltag ernüchternd aus: null Punkte, null Tore. Irland und Sambia sind bereits ausgeschieden. Immerhin gaben die philippinischen Fußballerinnen den Partycrasher für Neuseeland (1:0); Nationaltrainer Alen Stajcic sprach sogleich vom größten Erfolg für das Land in einem Mannschaftssport.

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»Das ist in diesem Jahr schon noch mal ein Schritt, den einige Nationen gemacht haben«, hat auch Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter Nationalmannschaften beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) festgestellt. Seine These: »Egal ob im Männer- oder im Frauenfußball, es gibt keine Großen mehr.« Ein bisschen hat sich der 47-Jährige in seinem ersten Zwischenfazit aus dem Pressezelt des Wyong Race Club aber selbst widersprochen: Denn nach seinem Dafürhalten seien die Topnationen »in der Kognition, in der Spielgeschwindigkeit überragend. Wenn ich sehe, wie Japan gespielt hat, wie die Spanierinnen gespielt haben, die USA: Da erwarten uns dann irgendwann mal im Turnier andere Gegner.« Ein Geheimfavorit sei für ihn Brasilien, so der DFB-Experte: »Sie sind inzwischen sehr weit weg von einer Abhängigkeit von Marta. Brasilien wird mit Sicherheit auch ein Wörtchen mitreden, was den WM-Titel angeht.«

Grundsätzlich findet Chatzialexiou die Aufstockung von 24 auf 32 Teams bei dieser Weltmeisterschaft richtig: »Die Spiele waren immer sehr eng und auf einem sehr guten Niveau«, sagte er. Es sei erkennbar, »dass auch kleinere Nationen athletischer geworden sind, dass sie sich sehr stark verbessert haben«. Doch die Debütanten sind meist gut geordnet in der Defensive, oft aber überfordert in der Offensive. Manch eine scheint froh, nicht den Ball besitzen zu müssen.

So haben Topteams wie Japan und Spanien früh das Achtelfinalticket in der Tasche. Sambia und Costa-Rica waren in dieser Gruppe überfordert. Dann hätte auch die fürs Trendscouting zuständige Silvia Neid recht, die die Erweiterung skeptisch beäugt hatte: »Das ist aus meiner Sicht ein bisschen zu früh, aber das haben wir auch schon gesagt, als von 16 auf 24 Teams aufgestockt wurde.« Es ist wie so oft eine Frage der Perspektive: Die Entwicklung durch ein WM-Erlebnis fördern – oder lieber warten?

Fifa-Präsident Gianni Infantino hat analog zu den Männern auch für die Frauen die »beste und größte WM aller Zeiten« ausgerufen. Der Impresario bekundete, ein glücklicher Mann» zu sein, weil es «Hundertausende glücklicher Männer, Frauen, Mädchen und Jungen» gebe, die zu den Spielen kommen – und «Millionen über Millionen, die von daheim zuschauen». Tatsächlich sind die angestrebten 1,5 Millionen Eintrittskarten verkauft, zu den ersten 16 Spielen kamen im Schnitt 28 721 Zuschauer, rund 50 Prozent mehr als bei der WM 2019 in Frankreich. Und die gut besuchten K.-o.-Spiele kommen in Australien und Neuseeland erst noch.

Doch wenn es so einseitig abläuft, wie bei der deutschen Lehrstunde gegen Marokko, fehlen elementare Zutaten für gute Unterhaltung des Publikums. In dem nordafrikanischen Land werden den Fußballerinnen erst seit Kurzem viel bessere Möglichkeiten eingeräumt. Fehlende Unterstützung ist in vielen afrikanischen Ländern noch das Kardinalproblem. Beim Freundschaftsspiel gegen Deutschland kam heraus: Sambias Nationalspielerinnen verdienen eigentlich nur ein Trinkgeld. Einige gehen umgerechnet mit 50 Euro nach Hause, bekommen für einen Sieg 5 oder 10 Euro. «Das Geld reicht nicht aus, um die Familie zu ernähren.» Umso wichtiger wäre es, dass die von der Fifa gedachte WM-Grundprämie von 30 000 US-Dollar gerade in solchen Ländern bei jeder Spielerin ankommt. Aber das kann nicht mal die Fifa garantieren, wie Infantino auf der Auftaktpressekonferenz in Auckland zugab.

Erst mal landet das Preisgeld des Weltverbandes auf den Konten der nationalen Verbände, die es dann weiterleiten sollen. Würde sich an solchen Zuständen etwas ändern, wenn die Frauen-WM 2027 nach Südafrika ginge? Die gemeinsame Bewerbung der Verbände Deutschland, Niederlande und Belgien mögen ja viele in Europa klasse finden, dem Vernehmen nach kann sich manch Fifa-Funktionär aber eher dafür erwärmen, beim Kongress im Mai 2024 für den afrikanischen Kontinent zu stimmen. Das Votum würde sicher damit begründet, die Entwicklung des Fußballs der Frauen global zu fördern.

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