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Schwimmen vor Rammstein-Fans
Baden mit Ausblick: Ein Tag im Sommerbad Olympiastadion
Es knallt. Zum Summen, das mir beim Rückenschwimmen die ganze Bahn lang in den Ohren fiept, kommt dieser dumpfe Knall. Ich schrecke hoch, schaue auf den Sprungturm im benachbarten Becken und die überwiegend schwarz gekleideten Menschen, die etwas erhöht dahinterstehen. Sie lehnen an einem Geländer und schauen auf uns hinab, applaudieren, lachen, machen Fotos mit ihren Handys. Von uns Badegästen, von dem Jungen, der jetzt grinsend aus dem Becken klettert. Bauchklatscher oder Arschbombe? Wahrscheinlich Arschbombe. Ich wünsche den in der Sonne Schmorenden, dass sie wenigstens ein paar Spritzer abbekommen.
Ein Dienstagabend Mitte Juli, Sommerbad Olympiastadion in Berlin-Charlottenburg. Unzählige Fans des bevorstehenden letzten Berlin-Konzerts der Band Rammstein sind bereits in der U-Bahn. Viele tragen schwarze Shorts oder Röcke und T-Shirts mit Band-Logos, sind zwischen zwölf und siebzig und aufgeregt. Ich ziehe mit dem ganzen Tross auf das gigantische Olympiastadion zu, von den Bänken längs des Parkplatzes schwärmen Schnorrer und Pfandsammler um die Massen. Ein Mann in Lederschürze schmiert sich mit Kunstblut ein und grinst teuflisch in Selfielinsen. Buden bieten Pommes für fünf, Bier für sechs und Prosecco für sieben Euro an.
Anne Hahn ist Autorin von Romanen und Sachbüchern und schwimmt für »nd« durch die Gewässer der Welt.
Am Stadion angekommen, biege ich nach rechts ab und atme auf, raus aus dem Pulk. Rein ins Bad. Ein Weg führt zwischen Bauzäunen, den Hertha-Nebenplätzen und der Stadion-Rückwand in die Umkleiden unter eine der Schwimmbad-Tribünen mit ihren alten Fenstern und Wänden aus Rüdersdorfer Kalkstein. 1934 nördlich ans Stadion angebaut, bot das Freibad als Austragungsort der XI. Olympischen Sommerspiele 1936 Platz für mehr als 18 000 Zuschauer (die seitlichen Tribünen wurden um eine Holztribüne erweitert). 100 bis 1500 Meter Freistil-, Brust- und Rücken-Schwimmwettbewerbe der Frauen und Männer wurden hier ausgetragen, Wasserspringen und Wasserball. Seitdem wurde das vom Zweiten Weltkrieg weitestgehend verschonte und bei den Berlinern beliebte Sommerbad durchgehend genutzt und mehrfach behutsam saniert.
Jetzt sind die Tribünen dran, in helle Metallkästen verpackt erinnern sie mit den hinter Zäunen versteckten Kinderbecken und dem weißen Sonnenzelt der Bademeister an den Verpackungskünstler Christo. Geblieben sind die Liegewiese, die Sprunganlage, das 50-Meter-Becken und der offene Blick zum Olympiastadion. Dort kann man aus dem Unterrang direkt an das Schwimmbad herantreten, steht nur von einem Geländer getrennt über der Sprunganlage, schaut auf die Springer und Schwimmer. Im 50-Meter-Becken sind zwei Bahnen geleint, daneben wird wild geschwommen und geplanscht. Kurz vor Einlass-Schluss stürmt noch mal ein Schwung Schwimmlustiger das Bad.
Ich hänge mich an den Beckenrand. Ein Harmonium klimpert vom Stadion rüber, neben mir schlagen Hände an, drehen Schwimmerinnen ihre Bahnen, vor mir klatschen zwei Jungs ins Wasser, einer vom rechten Sprungbrett, einer links. Ein Bademeister steht auf der Fünf-Meter-Plattform des mittigen Turms und redet mit einem Mädchen, das sich mit beiden Händen an den Rand gehängt hat. Unschlüssig schaukelt. Der Sound dreht auf, die Sonne scheint, das Wasser kühlt. Das Mädchen fällt. Als ich später mit nassem Haar zur S-Bahn laufe und die vom Sonnenuntergang erleuchteten Rechtecke im dunkel dahockenden Stadion betrachte, trommelt ein harter Rhythmus, wehen Rauchsäulen und Musikfetzen herüber. Seufzend packt ein Mann sein Schild »Karte gesucht« weg und eine Flaschensammlerin schiebt davon.
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