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Kämpfer für indigene Rechte
Mit dem ermordeten Fredy Campo verliert Kolumbien einen prominenten Friedensstifter
Fredy Campo war so etwas wie die verkörperte Hoffnung. Er war stark. Er stand für Stabilität, während um ihn alles zusammenbrach. Obwohl die Gefahr ständig direkt um die Ecke lauerte, hatte er nie Angst. Er zeigte sie jedenfalls nicht.
Im Südwesten Kolumbiens gibt es eine der stärksten revolutionären indigenen Bewegungen der Welt – und Fredy Campo war eine ihrer wichtigsten Stimmen. Ausgehend von Landbesetzungen haben die indigenen Nasa und ihre Verbündeten eine gewisse Autonomie vom kolumbianischen Staat erkämpft. Die Bewegung organisiert sich basisdemokratisch, hat ein eigenes Justizsystem und setzt auf Gemeinschaftsarbeit zur Versorgung der Gemeinschaft. Ein wichtiger Kern der Bewegung ist die Guardia Indigena, eine indigene Wache, die die Dörfer nach außen und nach innen beschützt. Dafür nutzt sie keine Waffen, sondern ihre gesellschaftliche Autorität. Diese kommt auch daher, dass jede Familie ein Mitglied entsendet.
»Die Guardia Indigena sind wir alle«, sagte Fredy Campo stets. Er meinte, dass sich die anderen zur Verteidigung ihrer Freiheit nicht auf die Guardia verlassen sollten. Denn Feinde des autonomen Projekts im Cauca gibt es viele – und die sind bis an die Zähne bewaffnet: die Regierung, die Paramilitärs, die Dissidenden der ehemaligen FARC-Guerrilla. Es geht um Besitz an fruchtbarem Land, auf denen Großgrundbesitzer Plantagen errichtet haben, meistens Zuckerrohr. Und es geht um Geld aus dem Drogenhandel.
Die Berge des Caucas sind eine der Hauptanbauregionen von Marihuana und Coca. Trotz Friedensvertrag und Regierungswechsel geht die Gewalt gegen die indigene Bewegung weiter. Manche sagen sogar, sie wird schlimmer. Hier im Cauca glaubt man nicht, dass eine Regierung Frieden bringt. Man glaubt an Leute wie Fredy Campo. Als immer mehr Dörfer dem militärischen und finanziellen Druck nachgaben und begannen, Marihuana oder Coca anzubauen, forderte Campo eine klare Linie gegen den Anbau, der die Bewegung von innen zu zersetzen drohte. In seinem Territorium Sa’th Tama Kiwe wurden sämtliche Marihuanapflanzen zerstört.
Fredy Campos Ziel war immer, dem Töten ein Ende zu setzen – ohne Waffen, sondern mit der Kraft der Gemeinschaft. Wie damals, als die gesamte Gemeinde, fast 1000 Menschen, eine Gruppe von acht Dissidenten der Ex-Guerrilla FARC verfolgten, die in das Dorf eingedrungen waren. Die bewaffneten Männer ergaben sich. Fredy und seine Gemeinschaft schmolzen die Waffen ein. Wer im Cauca fragt, wie das gehen soll, unbewaffnet gegen Milizen vorzugehen, der hört diese Geschichte aus Sa’th Tama Kiwe. Fredy Campo hat einen großen Anteil daran.
Die indigene Bewegung im Cauca ist so stark, dass sie sich in den letzten Jahrzehnten gewisse Zugeständnisse der Regierung erkämpft hat. Sie hat Zugriff auf Ressourcen und ist in vielen wichtigen Gremien vertreten. Fredy Campo warnte die Menschen immer davor, es sich zu gemütlich zu machen. Dass das eigentliche Ziel, der Kampf für ein selbstbestimmtes Leben, damit aus dem Blick geraten könnte. Er war unkorrumpierbar, gerade deshalb hassten ihn die illegalen Gruppen. FARC-Kämpfer forderten ihn bereits vor zwei Jahren auf, sein Dorf zu verlassen, sonst würden sie ihn erschießen. Campo blieb.
»In anderen Reservaten wurden Kommunarden umgebracht, und es gab keine Reaktion. Wie kann es sein, dass Anführende, die bedroht werden, fliehen und ihre Gemeinde verlassen? Stattdessen müssen wir uns alle gemeinsam wehren«, forderte Campo 2021 beim Treffen zum fünfzigjährigen Bestehen des Dachverbandes der Indigenen im Cauca, dem Cric. Aus seinem Blick sprühte die klare, ruhige Überzeugung, das Richtige zu tun.
Vor wenigen Tagen, am 26. Juli 2023, machten Campos Feinde ihre Drohungen war. Fredy Campo unterhielt sich gerade mit seinen Kindern, als drei vermummte, bewaffnete Männer in seine Finca eindrangen und auf ihn schossen. Als er ins Krankenhaus eingeliefert wurde, war es bereits zu spät.
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