Querdenker mit Kundgebungen in Berlin und Göttingen

Demos in Berlin und Göttingen angekündigt, Proteste dagegen ebenso

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Man sollte denken, ihnen sei das Thema abhanden gekommen, doch mehr als drei Jahre nach ihren ersten großen Versammlungen haben Akteure der »Querdenken«-Szene für den kommenden Samstag eine weitere »Großkundgebung der deutschen Friedens-, Freiheits- und Verfassungsbewegung« angekündigt. Und obwohl sie längst Geschichte sind, fordern sie das »sofortige Ende der Corona-Maßnahmen auch in Deutschland«.

Auch allgemein wollen Querdenker, Reichsbürger und Corona-Leugner in den kommenden Wochen wieder verstärkt Präsenz auf Straßen und Plätzen zeigen. Eine weitere Demo, zu der bundesweit mobilisiert wird, soll am 16. September in Göttingen stattfinden. Allerdings wurden weitere, zunächst geplante Aktionen bereits wieder gestrichen. In Göttingen wie auch in Berlin sind Proteste gegen die Veranstaltungen geplant.

In der Hauptstadt rufen die Herausgeber der Querdenker-Wochenzeitung »Demokratischer Widerstand«, Hendrik Sodenkamp und Anselm Lenz, zur Manifestation auf. Die »größte demokratische Erhebung der deutschen Geschichte« gehe »allen Schwanengesängen zum Trotz« weiter, schreiben sie in ihrem aktuellen Newsletter.

Neben den beiden Genannten ist als Redner unter anderem Michael Ballweg angekündigt. Ballweg war erst im April nach neun Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Er ist wegen versuchten Betrugs in 9450 Fällen und Geldwäsche angeklagt. Konkret wird ihm vorgeworfen, durch öffentliche Aufrufe von mehreren Tausend Personen finanzielle Zuwendungen für seine Organisation »Querdenken 711« im Umfang von mehr als einer Million Euro eingeworben und die Spender über die Verwendung der Gelder getäuscht zu haben.

Auf der Berliner Veranstaltung soll neben dem Ende der Corona-Maßnahmen die »Wiedereinhaltung des Grundgesetzes, des Nürnberger Kodexes und des Menschenrechtes in Wortlaut und Sinn« gefordert werden. Außerdem verlangen die Veranstalter Volksentscheide »über alle grundlegenden Angelegenheiten« sowie nichts weniger als »Neuwahlen, Brechung des Parteienprivilegs (und) imperatives Mandat«.

Proteste gegen den Aufzug werden unter anderem von den »Omas gegen Rechts« und der »Antiverschwurbelten Aktion« vorbereitet. Letztere ist ein linker Zusammenschluss, der aus dem ersten Protestbündnis gegen verschwörungsideologische und rechtsoffene Versammlungen im Frühjahr 2020 entstand und seither vielfältige, oft satirische Aktionen in Berlin, aber auch bundesweit organisiert. Erkennungszeichen der Gruppe sind Reptiloidenkostüme. Reptiloide sind fiktive Wesen, die in der Science-Fiction- und Fantasy-Literatur, in Pseudowissenschaften und Verschwörungstheorien eine Rolle spielen.

In Göttingen ruft das dortige Bündnis gegen Rechts zum Anti-Querdenken-Protest auf. Die Organisatoren der Querdenker-Aktionen wollen am 16. September unter dem Motto »Herbsterwachen« zu Fuß sowie mit einem Autokonvoi durch die Stadt ziehen. Die Veranstaltung wird bundesweit in Chats und sozialen Medien der Szene beworben und ist nach Angaben der Göttinger Stadtverwaltung bereits angemeldet worden. Bereits im April hatten mehr als 600 Anhänger der Querdenker-Bewegung in Göttingen demonstriert. Protestierende hatten den Demozug allerdings mit Straßenblockaden nach einem Drittel der Strecke zum Umkehren gezwungen.

»Wir sehen die erneute Anmeldung einer Veranstaltung in Göttingen als eine beleidigte Reaktion auf den Misserfolg der Querdenker*innen im April«, erklärt das Bündnis gegen Rechts. In den Aufrufen für das »Herbsterwachen« fänden sich diverse Anspielungen auf Göttingen als »links-grüne Hochburg«, die »sensibilisiert« und »aufgeweckt« werden solle. Gegendemonstranten würden im rechten Jargon als »Antifa-Terroristen« bezeichnet.

Auf der Querdenken-Demo in Göttingen wird eine zentrale Forderung die nach einem Stopp der Waffenlieferungen an und Frieden für die Ukraine sein. Nach Ansicht des Bündnisses gegen Rechts nutzen die Veranstalter diese und Themen wie Landwirtschaft, die Debatte um die Abschaffung des Bargelds, die Corona-Politik sowie »queerfeindliche Narrative«, um möglichst viele Menschen zu ihrem »rechten Protestfest« zu locken. »Aber diese vermeintlichen friedlichen Kämpfer sind Wölfe im Schafspelz«, erklärt das Bündnis gegen Rechts in seinem Aufruf zur Gegenkundgebung. Die Positionen der Querdenker, Reichsbürger und »Verschwörungsideolog*innen« seien »alles andere als friedliebend und demokratisch«, sondern »neonationalistisch, populistisch und demokratiefeindlich«.

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