Gambier in Berlin: Nicht sicher vor Kriminalisierung

Die gambische Community kämpft gegen das Stigma des »Drogendealers« und Abschiebungen

  • Kofi Shakur
  • Lesedauer: 3 Min.
Ohnehin ist im Görlitzer Park viel Polizei unterwegs, bald könnte es noch mehr werden.
Ohnehin ist im Görlitzer Park viel Polizei unterwegs, bald könnte es noch mehr werden.

Im Hof des Familien- und Nachbarschaftszentrums Kiezanker 36 im Kreuzberger Wrangelkiez läuft traditionelle und moderne Musik. Deutlich ist Mandinka zu hören, ein in Gambia üblicher Dialekt der in Westafrika weitverbreiteten Mande-Sprachen. »In dem Song geht es um den Weg zurück«, erzählt Yahya Moro Yapha, der für den Verein Fixpunkt im Görlitzer Park arbeitet.

Seit Langem setzt er sich für die Rechte von Geflüchteten ein und klärt in Gambia über die Risiken der Flucht auf. Gemeinsam mit dem Aktivisten Muhammad Lamin Jadama, der die Bewegung seit mehr als zehn Jahren fotografisch begleitet, hat er den Gambia Action Day am vergangenen Samstag organisiert. Er will über die aktuelle Gefahrenlage für Menschen aus Gambia informieren.

»Niemand ist sicher, bis alle sicher sind« ist das Motto des Tages. Auch wenn man selbst einen sicheren Aufenthaltsstatus habe, würden Abschiebungen Freunde oder Verwandte treffen. Dabei sei der Großteil der Menschen längst integriert und werde zu Unrecht kriminalisiert, so Yapha.

In Deutschland leben derzeit etwa 16 500 gambische Staatsangehörige, von denen laut Arbeitsagentur 9000 erwerbstätig sind, betont Yahya Sonko vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg am Samstag im Kiezanker.

Sonko und Jadama sind sich einig: Niemand komme nach Deutschland, um kriminell zu werden. Das System aus Rassismus und Ausbeutung lasse aber manchen keine andere Wahl. Sonko sagt, er habe viele der insgesamt weniger als tausend inhaftierten Gambier*innen in Deutschland besucht, um sich ein Bild über deren Lage zu verschaffen. Es sei klar, dass Gambier*innen nicht krimineller als andere seien. Aber selbst, wenn man »auf regulärem Weg« nach Deutschland komme, gebe es strukturelle Hindernisse für Aufenthalt und Arbeit.

Auch im Görlitzer Park aufgegriffene Dealer kommen nicht selten aus Gambia. Im Juni sollen mutmaßliche Drogendealer im Park eine Frau vergewaltigt haben. Eine neue Debatte über ein stärkeres Durchgreifen im Park ist entbrannt. Mehr Polizeipräsenz, Videoüberwachung und die nächtliche Schließung werden gefordert.

Biblap Basu, Gründer der Beratungsstelle Rache Out, weist auf den strukturellen Charakter rassistischer Diskriminierung hin. Er ist sich sicher, dass die Kriminalisierung von schwarzen Menschen auch nach einer Legalisierung von Drogen nicht nachlassen würde.

Ein Aktivist erzählt von der Organisierung im Kiez, die vor mehr als zehn Jahren mit der Initiative »Unser Görli« begonnen hatte. Gemeinsam habe man es geschafft, auf die Menschen zuzugehen und die Propaganda von Politik und Polizei aus dem Viertel zu verdrängen und so einen solidarischen Kiez zu schaffen.

Doch die Forderungen nach mehr Polizei im Görlitzer Park gibt es seit Langem. Auch 2019 sprach sich der damalige Innensenator Andreas Geisel (SPD) für das konsequente Abschieben von Dealern aus. Man könne nicht hinnehmen, was hier passiere.

Die EU und Gambia trafen mit dem »Good Practices Document« von 2018 eine informelle Abmachung über Abschiebungen. Die Regierung Gambias habe sich bereit erklärt, zu kooperieren, obwohl klar sei, dass sie die Menschen nicht wieder integrieren könne, sagt Sonko.

Die Anthropologin Viola Castellano von der Universität Bayreuth, die zu diesem Abkommen forscht, weist darauf hin, dass das Dokument zwar nicht verbindlich sei. Dadurch, dass es keinen offiziellen Status habe, müsse der genaue Inhalt aber nicht offengelegt werden. Inzwischen würden auch viele Entwicklungsprojekte mit ökonomischen Anreizen auf die Eindämmung von Migration zielen. Castellano, die mit zurückgekehrten Gambier*innen arbeitet, erklärt jedoch, dass Maßnahmen zur Reintegration beschlossen würden, ohne die Betroffenen einzubeziehen.

Zum Schluss der Diskussion am Gambia Action Day ergreift die vor zwei Wochen vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg aufgrund ihres Engagements mit dem Silvio-Meier-Preis geehrte Journalistin Nyima Jadama das Wort. »Wie kann man Menschen wieder in eine Gesellschaft integrieren, wenn sie von Anfang an keinen Platz darin finden konnten?«

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