Niederlande: Linke macht gemeinsame Sache

Die Parteien GroenLinks und PvdA treten bei Wahlen in den Niederlanden gemeinsam an

  • Sarah Tekath, Amsterdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit dem Rücktritt von Ministerpräsident Mark Rutte vor wenigen Wochen ist in der niederländischen Politik einiges in Bewegung geraten. Die Parteien orientieren sich um und beschreiten neue Wege. So gaben die Arbeiter*innenpartei PvdA und die grüne Partei GroenLinks Mitte Juli bekannt, für die anstehenden Wahlen im November mit vereinten Kräften antreten zu wollen, mit einer gemeinsamen Kandidat*innenliste und einem gemeinsamen Programm.

Nicht weniger als 92 Prozent der GroenLinks-Mitglieder und 88 Prozent der PvdA-Mitglieder stimmten für das gemeinsame Programm und eine gemeinsame Liste, die von jeweils einem Spitzenkandidaten aus jeder Partei angeführt werden soll.

Nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses erklärte die PvdA-Vorsitzende Attje Kuiken, sie habe nicht mit einem solchen Sieg gerechnet. »Die Menschen wollen Veränderung«, sagte sie. »In der Politik geht es derzeit um Misstrauen, darum, gegen den anderen zu sein, aber wir haben gesagt: Nein, wir werden es gemeinsam tun.«

Aktuell haben die Parteien jeweils acht beziehungsweise neun Sitze im Parlament. Sie erhoffen sich durch die Kollaboration einen Anstieg auf bis zu 26 Mandate. Allerdings stammen diese Zahlen aus Umfragen vor dem Zusammenbruch der Regierung Rutte. Neuere Umfragen sagen der Bauern- und Bäuerinnenpartei BBB und Geert Wilders rechter Partei VVD jeweils 25 Sitze voraus.

Derzeit läuft die Suche für die Spitzenkandidatur zu den Wahlen im November. Anwärter*innen, die im Gespräch waren, sind der EU-Kommissar Frans Timmermans, die Amsterdamer PvdA-Stadträtin Marjolein Moorman, der Rotterdamer Bürgermeister Ahmed Aboutaleb und die derzeitigen Fraktionsvorsitzenden Jesse Klaver und Attje Kuiken – wobei Klaver bereits wieder ausgeschieden ist.

Vor wenigen Tagen hat Frans Timmermans (PvdA) sein Interesse öffentlich bekannt gegeben. »Es ist Zeit, dass wir in den Niederlanden wieder zusammenwachsen, anstatt auseinanderzudriften«, sagt er gegenüber dem News-Journal »NOS«.

Zum Thema Migration, an dem die aktuelle Regierung gescheitert ist, sagte Timmermans, er sei für eine »strenge, aber faire« Asylpolitik. »Worüber Sie mit mir nicht sprechen können, ist das Auseinanderreißen von Familien«, betont er und bezieht sich dabei auf das Thema, das dem Kabinett Rutte zum Verhängnis wurde. »Das wird unter meiner Leitung niemals passieren.«

Aber auch Radio- und Fernsehmoderator Prem Radhakishun hat in einem Brief sein Interesse an der Position des Spitzenkandidaten von GroenLinks/PvdA bekundet. Bis Mitte August soll ein*e Kandidat*in gefunden sein.

Nach dem Rücktritt von Rutte folgte der Rückzug weiterer bekannter Politiker*innen. Eine davon ist Sigrid Kaag, Finanzministerin und Parteivorsitzende von der linksliberalen D66. Als Gründe gab sie Hass und Drohungen gegen ihre Familie an. »Meine Arbeit war eine große Belastung für meinen Mann und meine Kinder«, erklärte sie gegenüber der niederländischen Tageszeitung »Trouw«. »Ich finde, dass ich das nicht noch ein weiteres Mal von ihnen verlangen kann.«

Wenige Tage zuvor hatte auch der derzeitige Außenminister Wopke Hoekstra bekannt gegeben, er werde nicht mehr als Spitzenkandidat der Christdemokratischen Partei CDA zur Verfügung zu stehen. In der vergangenen Woche folgte dann der Rücktritt von Sylvana Simons. Sie werde bei den Wahlen im November nicht als Spitzenkandidatin der linken Partei BIJ1 antreten. »Ich bin ständig im Kampf gegen falsches Framing. Ich wäre zwar dazu in der Lage, ich will aber nicht«, erklärte sie gegenüber der niederländischen Tageszeitung »Volkskrant«.

Hatten viele Anhänger*innen möglicherweise nach den großen Erfolgen der BBB bei den Provinzwahlen auf die Vorsitzende Caroline van der Plas gehofft, so wurden auch sie enttäuscht. Die Politikerin gab an, aus persönlichen Gründen das Amt der Ministerpräsidentin nicht in Erwägung zu ziehen: die großen Auswirkungen, die dies auf ihr Privatleben haben würde, Flugangst und wenig Interesse an den Formalitäten offizieller Staatsbesuche: »Ich habe keine Lust, schicke Kleidung anzuziehen und um die Welt zu jetten.« Aktuell sei sie auf der Suche nach einer anderen Person für die Kandidatur mit internationaler Erfahrung, die für das Amt infrage käme. Sollte das nicht gelingen, wäre sie gegebenenfalls bereit, ihre Entscheidung zu überdenken.

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