Brandenburger Natur: Zu Besuch im Wissenschaftswald

Ministerpräsident Dietmar Woidke spricht im Forstbotanischen Garten Eberswalde vom Erhalt der Wälder und vom Tourismus

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 5 Min.

Ist den Ansprüchen an die Natur Genüge getan, wenn sie sich in Mitteleuropa einfach selbst überlassen bleibt? Wenn der Mensch schlicht gar nichts unternimmt und nur zuschaut, was vielleicht passiert? Nein, sagt die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. In ihrem Forstbotanischen Garten tritt sie den Beweis dafür an, dass Erfahrung, Überlegung und wissenschaftliche Erkenntnisse die Grundlage für wirkungsvolles Handeln im Wald und auf der Heide sein müssen. Der hochinteressante Garten steht jedem Besucher offen.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte dem bekannten Park im Rahmen seiner diesjährigen Tourismus-Tour einen Besuch abgestattet. In diesem Wissenschaftswald wird seit 1830 untersucht, auf welchen Standorten und in welcher Kombination Gehölze in Mitteleuropa am besten gedeihen und sie »wie ein Wald, brüderlich« aufwachsen, um es mit einem bekannten Gedicht-Zitat des türkischen Literaturnobelpreisträgers Nazim Hikmet zu sagen. Woidkes Gastgeber ist der Leiter des Forstbotanischen Gartens Bernhard Götz, seines Zeichens Wissenschaftlicher Leiter der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.

Götz führt durch den Park und schildert, welche Untersuchungen vorgenommen werden. »Vor dem Hintergrund der sich wandelnden Umweltbedingungen ist die Erforschung, das Wissen und die Lehre von Gehölzen von größter Bedeutung.« Keineswegs alle Untergruppen einer Baumart seien gleich, erfährt der Ministerpräsident beim Rundgang durch den Park. Auch von den Eichen gebe es solche, die auf trockenen Standorten besser gedeihen und solche, die die feuchten Gebiete bevorzugen würden. »Eichen und Linden können bis zu 1000 Jahre alt werden.«

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Eine Buche wird laut Götz bis 300 Jahre alt. Die in Brandenburg vorherrschende Rotbuche benötigt einen Feuchtigkeitsgrad, der vielerorts nicht mehr gegeben ist. Dagegen ist die Kaukasische Buche oder Orient-Buche trockenheitsresistenter. Im Botanischen Garten stehen Buchen-Exemplare, die schon ihre 250 Jahre erreicht haben. Aber auch nicht ewig leben. Die Stürme der vergangenen Jahre hätten auch in seinem wissenschaftlich angelegten Garten ihren Tribut gefordert – einige der größten Bäume seien umgerissen worden, berichtet Götz.

In vielen Parks und Landschaftsparks leiden heute die Pflanzen, weil ihre Auswahl ungeachtet der Umgebungsbedingungen erfolgt sei, fährt Götz fort. »Es muss aber genau umgekehrt sein.«

In Eberswalde werde das Konzept verfolgt, dass »die Baumarten mit ihren zum Teil sehr unterschiedlichen Ansprüchen hinsichtlich Bodenqualität, Wasser- und Nährstoffversorgung ausschließlich an den für sie passenden Standorten gepflanzt werden. Typisch für den Eberswalder Park sind daher «Baumpaare» oder auch «Gastbäume», an denen sich die unterschiedlichen Ansprüche vergleichend studieren lassen.

Angrenzend entsteht seit 2010 auf einem etwa 140 Hektar großen Waldgelände der sogenannte Klimawandelwald. Götz: «Gepflanzt werden nicht nur einzelne Bäume, sondern jeweils ganze Waldbestände in ihrer natürlichen Zusammensetzung.» Dabei orientieren sich die hiesigen Förster an Regionen mit solchen klimatischen Bedingungen, «wie sie in naher Zukunft für Deutschland vorhergesagt werden».

Der Nordosten Brandenburgs sei vor allem deshalb für solche Studien geeignet, «weil bei den schon heute geringen Niederschlägen sowie der häufig geringen Wasserspeicherfähigkeit der sandhaltigen Böden damit zu rechnen ist, dass negative Folgen des Klimawandels auf das Baumwachstum in dieser Region frühzeitig und besonders intensiv wirken werden».

Der brandenburgische «Brotbaum», die Kiefer, ist im Park ebenfalls mit mehreren Unterarten vertreten. Auch Kiefer ist eben nicht gleich Kiefer. Das Parkgelände ist Bestandteil des Eberswalder Urstromtals, ist also durch Endmoränen geprägt. Laut dem Wissenschaftlichen Leiter liegt ein Gefälle von immerhin 19 Metern vor, das sich hervorragend dafür eigne, die Vielfalt der Standortbedingungen in Brandenburg abzubilden.

Der von Friedrich Wilhelm Leopold Pfeil für den «lebendigen Unterricht» an der Forstakademie (1830–1963) gegründete Forstbotanische Garten Eberswalde 50 Kilometer nordöstlich von Berlin gehört zu den ältesten Botanischen Gärten Europas. Er wurde 1977 in das Landschaftsschutzgebiet «Nonnenfließ/Unteres Schwärzetal» eingegliedert. Seit 1992 gehört er zur Fachhochschule Eberswalde. Ministerpräsident Woidke bezeichnete ihn als «Schaufenster eines unserer größten Vorzüge – nämlich unseres Waldes». Gemeinsam mit den Tausenden Seen und Flüssen seien es die ausgedehnten Wälder, die einen entscheidenden der vielen Entdeckungsgründe darstellen würden.

Mit Blick auf den Klimawandel und den teils äußerst kritischen Zustand der Wälder in der Mark fügt Woidke hinzu: «Lange haben wir unsere natürlichen Ressourcen als selbstverständlich angesehen – auch im Tourismus. Die vergangenen Jahre, die vergangenen Sommer haben uns jedoch gezeigt, dass es diese Selbstverständlichkeit nicht gibt. Auch im Tourismus müssen wir den Schutz und den Erhalt unseres natürlichen Erbes stärker in den Fokus stellen.»

Der wissenschaftlich betriebene Forst ist Sitz der Stiftung Waldwelten. Sie wurde von der Stadt Eberswalde und der Hochschule für nachhaltige Entwicklung ins Leben gerufen. Er stellt eine Verbindung aus Wissenschaft und Freizeit, Erholung, Wohlgefallen und Vergnügen dar. Der zuständigen Hochschule ist es ein Anliegen, «den Lehr- und Forschungsgarten der Bevölkerung zugänglich zu machen».

Darüber hinaus bietet der Forstbotanische Garten einen inspirierenden Raum für Kunst und Kulturveranstaltungen. Einen Schwerpunkt dabei bilden in diesem Zusammenhang Führungen und Veranstaltungen in der Umweltbildung, die mit Schul- und Vorschulklassen durchgeführt werden.

Der Forstbotanische Garten Eberswalde ist vom Hauptbahnhof Eberswalde in ca. 30 Minuten zu Fuß erreichbar. Die Anlage ist ganzjährig vom Sonnenaufgang bis zur Dämmerung geöffnet. Der Eintritt ist kostenfrei.

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