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Die Linke: Jan Korte, der Unvollendete

Er ist ein wichtiger Mann in der Linksfraktion und tritt nun in die zweite Reihe zurück. Dabei hatten ihn viele auf dem Sprung an die Spitze gesehen

»Ich merke, dass der Akku leer ist« – das sagte der Linke-Politiker Jan Korte vor einiger Zeit in einem Interview, um zu begründen, warum er sich aus der ersten Reihe der Politik zurückzieht. Ein ungewöhnlicher Vorgang, denn Korte ist 46 und gehört damit zu einer Generation, der in der Politik die Zukunft offen steht.

Allerdings: Der Mann hat auch schon allerhand Vergangenheit. Es ist fast 19 Jahre her, dass er die Bühne der Politik betrat. Da war der Student aus Hannover mit den Fächern Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichte seit fünf Jahren Mitglied der PDS. Der Parteivorsitzende hieß Lothar Bisky; er hatte die Partei nach einer Krise stabilisiert und holte sich ein paar Leute in den Vorstand, von denen er sich Unterstützung versprach. Dazu gehörte jener Student aus Hannover; laut Bisky »ein Talent, das man sich merken muss«.

Ein Jahr später waren sie Fraktionskollegen, der erfahrene Parteichef und der Newcomer im Parteivorstand. Beide gehörten sie der neuen Linksfraktion an, denn bei der Bundestagswahl im Spätsommer 2005 hatte die Liste der Linkspartei.PDS, auf der auch Mitglieder der linken Wahlalternative WASG kandidierten, 8,7 Prozent erreicht. Eine fulminante Erfolgsstory und ein Vorgriff auf die Fusion zur Partei Die Linke zwei Jahre später.

Bisky erlebte es noch, dass Jan Korte 2009 in den Fraktionsvorstand gewählt wurde, er hatte das Talent richtig erkannt und gefördert. Seit sechs Jahren ist Korte sogar Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion. Ein harter Job, bei dem man sich mit der Konkurrenz anlegen, mit ihr im Ältestenrat aber auch verhandeln muss – und zu dem es gehört, den eigenen Laden zu koordinieren und zusammenzuhalten. Gerade Letzteres ist nicht unbedingt ein Vergnügen in einer Fraktion, die erstens deutlich geschrumpft ist, zweitens harte Kontroversen austrägt und die drittens von der stetigen Gefahr begleitet ist, wegen einiger weniger Aussteiger den Fraktionsstatus zu verlieren.

Dass sich Korte all das nicht mehr in verantwortlicher Position zumuten will, kann man verstehen. Wenngleich er darauf beharrt, dass er den Schlussstrich aus persönlichen Gründen zieht. Dabei galt er lange Zeit als einer der ersten Kandidaten, wenn es darum ging, wer die Partei oder die Fraktion künftig führen könnte. Voraussetzungen dafür hätte er mitgebracht: Er ist lange dabei, kennt sich aus in der Linken, stammt aus dem Westen mit inzwischen langer Verwurzelung im Osten und Wahlkreis in Sachsen-Anhalt, ist allgemein anerkannt, ein scharfzüngiger Redner. Einen Namen hat er sich unter anderem mit geschichtspolitischen Themen gemacht, etwa mit seinem Einsatz für die Rehabilitierung von Opfern des antikommunistischen Kalten Kriegs in der alten Bundesrepublik, von Wehrmachtsdeserteuren und anderen NS-Opfern sowie von sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern.

Überhaupt hat ihn das Kriegsthema schon sehr früh bewegt: Bereits in jungen Jahren Mitglied der Grünen, verließ er die Partei 1999 aus Protest gegen die Nato-Angriffe auf Jugoslawien und die Zustimmung der Grünen. In dieser Haltung ist er sich treu geblieben. In Zeiten des Ukraine-Kriegs benennt er Russland als Aggressor, fordert aber von beiden Seiten Verhandlungsbereitschaft und von der Bundesregierung, sich für mehr Diplomatie statt für mehr Waffen einzusetzen.

Korte bleibt kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion – ganz und gar keine Nische angesichts der massiven Versuche der AfD, hier eine Art Stammtischhoheit zu erreichen und auf Kulturpolitik und -finanzierung massiv Einfluss zu nehmen. Und auch im zweiten Bereich, dem er sich stärker widmen will, erwarten ihn Konflikte: Er möchte sich »mit ganzer Kraft in die Rosa-Luxemburg-Stiftung einbringen«, deren stellvertretender Vorstandsvorsitzender er ist. Denn in der Linke-nahen Stiftung finden dieselben Auseinandersetzungen statt wie in der Linkspartei und in der gesellschaftlichen Linken überhaupt.

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So veröffentlichten Stiftungschef Heinz Bierbaum und Michael Brie, der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung, kürzlich eine Analyse zum Ukraine-Krieg. Darauf reagierte der namhafte Politikwissenschaftler Horst Kahrs, lange Jahre auch Stiftungsmitarbeiter, mit drastischer inhaltlicher Kritik. Er wirft den Autoren den Versuch vor, das Spektrum dessen, was die Stiftung repräsentiert, »analytisch und politisch zu verengen«. Bierbaum und Brie wiederum verteidigen ihren Text als Beitrag, die Stiftung zu einer Plattform des Diskurses mit unterschiedlichen Positionen zu machen. Das alles kann man ausführlich im Internetblog www.die-zukunft.eu nachlesen. Dort weisen Bierbaum und Brie auch die in Richtung Sahra Wagenknecht gemünzte Kritik von Kahrs zurück, ein anderer Beitrag von ihnen zur Entwicklung der Linkspartei sei praktisch »Aufstehen light«. Mario Candeias, Direktor des Instituts für Gesellschaftsanalyse der Luxemburg-Stiftung, veröffentlichte jüngst Thesen zu einem Neustart der Linkspartei, die umgehend Widerspruch in der Stiftung hervorriefen.

Diese Debatten kann dann auch Jan Korte auf anderer Ebene als der Bundestagsfraktion führen, wenn er sich »mit ganzer Kraft in die Rosa-Luxemburg-Stiftung« einbringt. Wer auf ihn als Parlamentarischer Geschäftsführer folgt, ist noch nicht klar. Die Wahl des Fraktionsvorstands findet gleich nach der Sommerpause statt, am 4. September. Gut möglich, dass die bisherigen Fraktionschefs – Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch – auch die künftigen sind, die dann bis zur nächsten Bundestagswahl amtieren. Sie vertreten zwei Strömungen in der Fraktion.

Bartsch hat immerhin schon einen prominenten Fürsprecher. Der Partei-Altvordere Gregor Gysi befand neulich, angesichts der politischen und sozialen Krisen und der Herausforderungen an Die Linke sei es »sinnvoll und wichtig, wenn Dietmar Bartsch als stabiler Ausgangspunkt« die Fraktion weiter führt. Dessen Kollegin Amira Mohamed Ali, die dem Flügel um Sahra Wagenknecht zugerechnet wird, fand keine Erwähnung. Und niemand von ihnen weiß, wie lange sich Die Linke noch an ihrem Fraktionsstatus im Bundestag erfreuen kann. Korte gab ihnen bei seiner Abschiedsparty vom Amt vor ein paar Wochen etwas mit auf den Weg, von dem man nicht genau weiß, ob es nur freundlich oder auch etwas sarkastisch gemeint war: »Macht’s gut, macht’s besser.«

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