- Politik
- Unabhängige Kontrolle
Initiativen beobachten Polizeigewalt
Auf mehreren Webseiten wird der Missbrauch des polizeilichen Gewaltmonopols dokumentiert
In einer Demokratie verfügt der Staat über das Gewaltmonopol. Umgesetzt wird es von den Justiz- und Exekutivorganen, also der Polizei, den Gerichten und der Verwaltung. Näheres regeln Gesetze, die in den Parlamenten gemacht werden. Die Abgeordneten sollen den Staat und seine »Gewaltarbeiter« auch kontrollieren, der Presse als »vierter Gewalt« obliegt diese Funktion ebenfalls. So sollen exzessive Polizeigewalt und -willkür unterbunden oder wenigstens geahndet werden.
Tatsächlich werden die Verfehlungen der Polizei aber kaum verfolgt. Wenn diese als Anklagen dann doch vor Gericht landen, enden sie häufig mit mickrigen Urteilen. So werden 98 Prozent der rund 2000 jährlichen Verfahren wegen Körperverletzung im Amt eingestellt – das Dunkelfeld der nicht angezeigten Polizeiverstöße soll laut dem Forschungsprojekt KviAPol zudem erheblich sein. Die Ergebnisse einer diesbezüglichen Studie basieren auf Interviews mit über 3300 Betroffenen von übermäßiger Polizeigewalt.
Rückendeckung erfahren die Beamten nicht nur von Funktionären der Polizeigewerkschaften, deren berufliche Aufgabe das Lamentieren ist. Auch Politiker stellen sich gern hinter den Apparat. Zu den bekanntesten gehört Olaf Scholz (SPD), der als Oberbürgermeister von Hamburg nach dem G20-Gipfel sagte: »Polizeigewalt hat es nicht gegeben«. Den Gegenbeweis hat die Webseite G20-Doku erbracht, auf der massenhaft Videos und Bilder zu Übergriffen gesammelt und Zeugenaussagen dokumentiert wurden. Heute ist die Seite nur noch über das Internetarchiv erreichbar.
Eine ähnliche Chronik führt die Kampagne Death in Custody, die Todesfälle von Schwarzen Menschen, People of Color und von Rassismus betroffenen Personen in Gewahrsam oder durch Polizeigewalt dokumentiert. Die Zählung beginnt mit der Wiedervereinigung 1990, derzeit verzeichnet die Webseite 233 Tote.
Seit 1993 dokumentiert auch die Antirassistische Initiative e.V. Geschehnisse, in denen Geflüchtete durch staatliche Maßnahmen sowie durch rassistische Angriffe der Bevölkerung verletzt wurden oder zu Tode kamen. Dort sollen nach Selbstauskunft 16 000 Geschehnisse dokumentiert sein, allerdings endet die Chronik im Dezember 2021.
Eine tagesaktuelle Statistik zu tödlichen Polizeischüssen bietet die Zeitschrift »Bürgerrechte & Polizei/Cilip« auf einer eigens dafür eingerichteten Webseite. Seit der Wiedervereinigung wurden demnach 325 Personen durch Polizeikugeln getötet. Auch die »Cilip« versucht, den Toten einen Namen und zu geben und jeden Fall kurz zu beschreiben.
Zudem führt »Cilip« die monatliche Chronologie »Polizeiproblem« mit Meldungen zu kriminellen und rechtsextremen Polizisten, Ermittlungen und Verurteilungen von Beamten, den Einsatz von Tasern und anderen Gewaltmitteln. Etwas Ähnliches versucht die Webseite Copservation zu »kontroversem Polizeiverhalten«, die aber augenscheinlich nicht mehr aktualisiert wird – die letzten Einträge datieren auf 2020.
Alle Initiativen sind für ihre Arbeit auf Informationen regionaler Tageszeitungen angewiesen. Dort wiederum entstehen die Artikel häufig aus Pressemitteilungen der Polizei, die sich ein ums andere Mal als voreingenommen oder sogar falsch erweisen. »Polizeimeldungen sind keine neutrale Quellen«, erklärt dazu Copwatch aus Frankfurt. Die Blaulicht-Meldungen seien stattdessen »Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit, hinter der immer eine eigene Agenda und Interessen stehen«.
»Wenn es um Unfälle, Verkehrsbeeinträchtigungen oder Einbruchsprävention geht, ist die Polizei eine glaubwürdige Quelle«, schreibt dazu die Gewerkschaft ver.di in einer Handreichung für Journalisten. Jedoch: »Ist die Polizei an einer Auseinandersetzung beteiligt, muss sie als Partei behandelt werden, weil es ihr im Zweifel an der erforderlichen Objektivität fehlt.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.