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Luna-25: Moskau auf dem Weg zurück zum Mond
Nach einigen Verzögerungen startet Russland die Luna-25-Mission zum Erdtrabanten und träumt von mehr
Wenn am Freitagmorgen auf dem Weltraumbahnhof Wostotschnyji in Russlands Fernem Osten die Triebwerke der Sojus-2.1b-Rakete starten, um die Sonde Luna-25 (russisch für Mond) in den Weltraum zu bringen, werden neben Raumfahrtbegeisterten und Wissenschaftlern auch die 27 Einwohner des 340 Kilometer Luftlinie entfernten Dorfes Schachtinskij angespannt in den Himmel schauen und hoffen, dass alles gut geht. Für den Start der Rakete und der aktiven Phase von Russlands neuem Mondprogramm werden die Menschen evakuiert, schließlich könnten ein paar Trümmerteile der ersten Raketenstufe auf das Dorf niedergehen. Einen schlagzeilenträchtigen Zwischenfall will man möglichst vermeiden.
Sollte die Sojus-Rakete im Weltraum und ein paar Tage später am Mond ankommen, ist es für Russland die Rückkehr zum Erdtrabanten nach gut einem halben Jahrhundert. Im August 1976 startete die Vorgängermission Luna-24 vom berühmten Weltraumbahnhof in Baikonur und brachte Gesteinsproben auf die Erde.
Mondmission seit fast 20 Jahren geplant
Die ersten Planungen für eine neue Mondmission begannen bereits 2005 als Luna-Glob. Ein Netz seismischer Stationen sollte die Mondoberfläche umspannen, so die Idee damals, die jedoch wieder verworfen wurde. Stattdessen plante Russlands Raumfahrtbehörde Roskosmos analog zu Luna-24 das Aufsetzen auf dem Mond. Ohne zunächst erfolgreich zu sein. Immer wieder wurde der Starttermin verschoben, mal auf 2012, dann auf 2015 und später auf 2018. Der Mond blieb für Roskosmos nur beim Blick durchs Teleskop nahe.
Am Tag des Kosmonauten, dem 12. April, verkündete Russlands Präsident Wladimir Putin 2022 schließlich, die Mondmission werde noch im selben Jahr durchgeführt. Damit wolle sein Land auf die Herausforderungen bei der Eroberung des Weltraums antworten. Auch technischer Fortschritt und Souveränität spielten eine Rolle. Russland sei endlich so weit. Nach vielen Rückschlägen und Verzögerungen stehe Russlands Raumfahrt »sicher auf den Beinen«, so Putin. Schließlich habe man es erstmals in der jüngeren Geschichte geschafft, 100 Raketen ohne Unfall ins All zu schießen.
Erfolgsaussichten bei 50 Prozent
Doch schon damals hielten Wissenschaftler den Zeitrahmen für zu ambitioniert. Sorgen bereiteten insbesondere Bauteile, die eine sanfte Landung ermöglichen. Schnell war klar, dass sich das Projekt weiter verzögert. Auch weil die Europäische Raumfahrtorganisation Esa, die mit an Bord geholt wurde, sich nach Ausbruch des Ukraine-Krieges aus dem Projekt und auch aus folgenden zurückzog. Moskau erklärte daraufhin, die Esa-Ausrüstung für seine Mondprojekte durch in Russland hergestellte Ausrüstung ersetzen zu wollen. Auch in anderen Bereichen wie der internationalen Raumstation ISS gehen Europäer und Russen mittlerweile getrennte Wege. Neuer Partner für künftige Projekte könnte China werden.
Luna-25 soll jetzt dabei helfen, eine Technologie für eine weiche Landung zu entwickeln. Dazu soll die Sonde Bodenproben vom Mond einsammeln und analysieren, heißt es bei Roskosmos. Zusätzlich zu den Oberflächenschichten soll auch die Exosphäre untersucht werden. Anders als die Vorgängermissionen erkundet Luna-25 nicht die Äquatorgegend, sondern den Südpol.
Aufgrund der Umstände schätzt der Astronom Wladimir Surdin die Erfolgsaussichten für die Mission auf 50 Prozent. In der Theorie kann sich Russlands Raumfahrt auf die sowjetische Erfahrung berufen. Die Flugroute sei deshalb kein Problem, so Surdin gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Anders sei es bei den Materialien und Techniken, die die Ingenieure durchaus vor Herausforderungen gestellt haben. »Der erste Flug seit einem halben Jahrhundert. Das bedeutet neue Ingenieure und neue Technik. Aber aller Anfang ist schwer«, so Surdin.
Russland will alleine zum Mars
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Tatsächlich ist Luna-25 nur der Auftakt. Russlands dreistufiges Mondprogramm läuft noch bis 2040. In den kommenden Jahren sollen Luna-26 und Luna-27 folgen. Roskosmos will in der »Ausflug« genannten ersten Etappe ein Basismodul einer mondnahen Raumstation errichten und ferngesteuerte Raumschiffe den Mond erkunden lassen. Außerdem soll mit »Jenissei« eine schwere Rakete für die Flüge der zweiten Etappe »Vorposten« gebaut werden. In dieser sollen bis 2035 Landungsmöglichkeiten auf dem Mond erkundet werden, sodass Kosmonauten innerhalb von zwei Wochen auf dem Erdtrabanten die Grundlage für eine künftige Basisstation legen können. Diese Station soll in der dritten Etappe »Basis« ausgebaut und mit zwei Observatorien ausgestattet werden.
Und Russland will noch weiter. Gemeinsam mit der Esa hatte Roskosmos an der Marsmission »Exomars« gearbeitet und bereits ein Erkundungsfahrzeug für den Roten Planeten geplant. Auch dieses Projekt fiel dem Krieg in der Ukraine zum Opfer; beide Scheidungsparteien vereinbarten die Rückgabe von Ausrüstung an den ehemaligen Partner. Das werfe Russlands Pläne zwar um einige Jahre zurück, schrieb der damalige Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin auf Telegram. Aber man werde am Programm festhalten und den Marsrover einfach nachbauen.
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