Der DDR-Chip trägt weitere Früchte

Auch Marktführer TSMC baut Halbleiterfabrik in Dresden – mit fünf Milliarden Euro vom Staat

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Am 11. Februar 1986 fasste das Politbüro der SED einen ehrgeizigen Beschluss zur Entwicklung der Mikroelektronik in der DDR. Das Land sollte so den großen Rückstand gegenüber dem Weltmarkt aufholen. Kern des Plans war die Entwicklung eines 1-Megabit-Speichers im Forschungszentrum Mikroelektronik Dresden (ZMD). Wie sinnvoll das war, darüber wurde nach Ende der DDR viel gestritten. Das Thema bot Anlass für Witze wie: »Die Mikroelektronik in der DDR war nicht klein zu kriegen« und für zugespitzte wirtschaftspolitische Theorien. Manche Forscher verfochten die These, die Milliardensummen für den Chip hätten der DDR den ökonomischen Todesstoß versetzt.

Die Ironie der Geschichte ist freilich: Mit dem Geld wurde der Grundstock für eine imposante Entwicklung der Region Dresden nach 1989 gelegt. Die Expertise, die rund um das ZMD angesammelt wurde, gilt allgemein als entscheidend, dass sich die Region zu einem Zentrum der europäischen Mikroelektronik entwickelte. Zunächst siedelte sich Siemens an. Heute gibt es in der Region, die in Anlehnung an die kalifornische Technologieschmiede Silicon Valley als »Silicon Saxony« bezeichnet wird, Chipfabriken der einstigen Siemens-Tochter Infineon, von Globalfoundries und Bosch, in denen über 7000 Menschen arbeiten. Und bald kommt eine weitere hinzu. Mit dem in Taiwan ansässigen Unternehmen TSMC will auch der Weltmarktführer ein Halbleiterwerk errichten. Das sei »die Nachricht des Jahres«, jubelte Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Die Ansiedlung sei die größte Einzelinvestition eines Unternehmens in Sachsen seit 1990.

Auch in diesem Fall geht es, wie einst beim Megabit-Chip, nicht ohne Milliarden vom Staat. TSMC investiert 10 Milliarden Euro, erhält aber 5 Milliarden aus Steuermitteln. Das ist in der Branche mittlerweile üblich und erklärte Politik der EU. Diese hat den European Chips Act beschlossen mit dem Ziel, den Anteil in Europa produzierter Chips von jetzt rund 10 Prozent bis 2030 nahezu zu verdoppeln. So soll die Abhängigkeit von den USA und Asien verringert werden, die in der Pandemie wegen gestörter Lieferketten zum Problem wurde.

Um Ansiedlungen zu fördern, wollen die EU und die Mitgliedsländer immense Beträge lockermachen. Sagenhafte 10 Milliarden erhält allein der US-Chipriese Intel für seinen geplanten Neubau in Magdeburg. Infineon bekommt für die Erweiterung seines Dresdner Standorts eine Milliarde Euro, rechnerisch also eine Million für jeden der 1000 Arbeitsplätze. Im Fall von TSMC wären es 2,5 Millionen je Job. Ob derlei staatliche Förderung angebracht ist, wurde von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsforschern infrage gestellt. Frank Böseberg, Geschäftsführer des Netzwerks Silicon Saxony, sagte der »Sächsischen Zeitung«, ohne derlei Subventionen seien »alle anderen Standortvorteile leider nahezu obsolet«.

Spannend wird, wie lange Dresden andere Standortvorteile bewahren kann, etwa die Verfügbarkeit von Fachkräften. Zwar will TSMC rund 200 Experten mitbringen, weitere 1800 müssen aber angeworben werden. Dabei gibt es in der Region inzwischen harte Konkurrenz. Intel braucht in Magdeburg 3000 Mitarbeiter, Infineon in Dresden weitere 1000, Bosch hat die Rekrutierung seiner 700 Mitarbeiter noch nicht abgeschlossen. Die vielen Zulieferer und Institute haben ebenfalls Personalbedarf. Darüber hinaus benötigen die Beschäftigten und ihre Familien Wohnungen sowie Kita- und Schulplätze. Beim Werben um Mitarbeiter im Ausland spielt nicht zuletzt das gesellschaftliche Klima eine Rolle. Der FDP-Politiker und Taiwan-Experte Frank Müller-Rosentritt fordert, »für Weltoffenheit und Vielfalt einzutreten, damit neben der wirtschaftlichen Prosperität die Region zum Anziehungspunkt in Europa wird«.

Und schließlich wird auch der Ressourcenverbrauch zunehmend ein Thema. Flächen werden in Dresden immer knapper. Die Chipfabriken verbrauchen zudem enorm viel Strom und Wasser. Zu diesen Themen drängt der linke Landtagsabgeordnete Nico Brünler die Staatsregierung ebenso zu Auskünften wie zu sozialen Fragen. Bisher sei offen, ob TSMC in Dresden Tariflöhne zahlen wird. Auch die IG Metall fordert gute Arbeitsbedingungen. Ihr Regionalbevollmächtigter Stefan Ehly hofft auf »tragfähige Mitbestimmung und perspektivisch auch Tarifverträge«.

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