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Kulturerbe für die Kleinen
Vor Einführung des neuen Kinder- und Jugendgesetzes huldigt Brandenburg dem »Kindergarten«
Mit der Einführung eines Kinder- und Jugendgesetzes will Brandenburg zum Vorreiter in Sachen Kinderrechte aufsteigen. Im neuen Jahr soll das neue Gesetz in Kraft treten, mit dem die Regierung aus SPD, CDU und Grünen das vor gut zwei Jahren vom Bund verabschiedete Kinder- und Jugendstärkungsgesetz landesrechtlich ausformen will. »So sollen beispielsweise für alle Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen mit Behinderung oder einer drohenden Behinderung ab 1. Januar 2024 in den Jugendämtern Verfahrenslotsinnen und Verfahrenslotsen bereitgestellt werden, als erster Schritt zur weiteren Verwirklichung inklusiver Kinder- und Jugendhilfeleistungen«, erläutert das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport.
Ersetzen soll die neue Legislatur das bislang in Brandenburg geltende »Erste Gesetz zur Ausführung des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe«. Das Ministerium erklärt: »Deshalb wird ein Teil der Regelungsinhalte im Kinder- und Jugendgesetz auch nicht neu sein, allerdings werden alle Regelungen – einschließlich der neuen Umsetzungsregelungen infolge des neuen Bundesrechts – umsortiert und inhaltlich sowie sprachlich geschärft.«
Doch die Brandenburger Bildungspolitik ist auch im historischen Sinne in Bewegung: Ende Juni wurde in Potsdam darüber gesprochen, das einst in der DDR gebräuchliche Wort »Kindergarten« wiederzubeleben und zurück in den Sprachgebrauch zu führen. Bei einer Veranstaltung der Deutschen Unesco-Kommission und des brandenburgischen Wissenschaftsministeriums wurden 13 Kulturformen geehrt, die 2023 ihren Weg in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes gefunden haben.
Mit dabei: die »Kindergartenidee nach Friedrich Fröbel«, der 1840 den ersten Kindergarten der Welt in Bad Blankenburg eröffnet hatte. Vertreter der Fröbel-Pädagogik und des 1982 eingeweihten Fröbel-Museums aus dem thüringischen Städtchen nahmen die Urkunde in Potsdam entgegen. Die Rede war von einem »unglaublichen Sieges- und Triumphzug« der Fröbelschen Idee und von einem »pädagogischen Exportschlager des 19. Jahrhunderts«. In vielen Ländern der Welt wurde der Kindergarten zum Begriff. Das deutsche Wort wurde entweder (wie in Großbritannien) als solches übernommen oder das Wort Kindergarten wurde mit den jeweiligen einheimischen Worten übersetzt, also »detskij sad« (im Russischen) oder »jardin de niños« (im Spanischen).
Selbst am anderen Ende der Welt, im 18 000 Kilometer entfernten Neuseeland, ist der eng mit Friedrich Fröbel verbundene Begriff »Kindergarten« in den dortigen Sprachgebrauch eingegangen. Wie auch in schätzungsweise 40 weiteren Ländern. »Nur in seinem Ursprungsland wird der ›Kindergarten‹ durch sprachliche Nachlässigkeit aus dem Alltags- und vor allem aus dem Verwaltungswortschatz verdrängt«, hieß es in Potsdam. Vorschub leistete dem in Westdeutschland die Vorschulreform in den Siebzigerjahren. Seitdem ist sprachlich die »Kindertagesstätte«, kurz »Kita«, dominant.
Inzwischen haben beharrliche Anstrengungen zu einer Änderung in der thüringischen Gesetzgebung geführt. In ihr findet sich jetzt das Kindergartengesetz, früher: Kinderbetreuungsgesetz. Im November 2019 hatte der Linke-Politiker und Bürgermeister von Bad Blankenburg, Frank Persike, beim Thüringer Landtag eine diesbezügliche Petition eingereicht. Mit Erfolg. Seit August 2020 haben Kindertageseinrichtungen im Freistaat Thüringen das gesetzlich verbürgte Recht, in ihrem Namen die Bezeichnung »Kindergarten« zu führen.
In der Laudatio zur Auszeichnung der Kulturform wurde zudem erklärt: »Im Fokus der Kindergartenidee nach Friedrich Fröbel steht das Lernen im Spiel als Bestandteil der frühkindlichen Entwicklung.« Sie zeichne sich durch »Offenheit gegenüber allen Kindern« aus. Fröbels Idee von einem Kindergarten umfasst auch Gesang oder Kreativarbeiten wie Falten, Flechten und die Gartenpflege. Zugleich sind die Sorgen groß: »Ein erhebliches Risiko für den Erhalt und die Weitergabe der Kindergartenidee ist der fehlende Rückbezug zu Traditionen innerhalb der Aus- und Weiterbildung und des Studiums frühpädagogischer Fachkräfte in Deutschland.«
Auch in Brandenburg geriet nach 1990 die Kinderbetreuung zu einem Teil in die Hände von »Tagesmüttern«, die wohl kinderlieb waren, aber eben keine ausgebildeten Fachkräfte. Die Betreuung verkam so häufig zu einer Art Aufbewahrung, dem Recht der Kinder auf Förderung und Beanspruchung wurde nicht entsprochen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Kinderkrippe und der Kindergarten Einrichtungen, die vor allem in der DDR im Grunde zur Lebenswelt aller gehörten. In Westdeutschland hingegen war jahrzehntelang der Besuch von Kindergärten eher die Ausnahme, wenn nicht sogar verpönt. Wenn es ihn doch gab, dann fast immer ohne Mittagessen, um das sich dann die Eltern neben der Arbeit kümmern mussten. Zu den bedeutenden kulturellen und sozialen Unterschieden zwischen Ost- und Westdeutschland gehört, dass Ostdeutsche zwischen 45 und 70 Jahren in der Regel den Kindergarten besucht hatten, Westdeutsche dieses Alters meist nicht.
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