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Klassis-Was? Antiklassistische Sommerversammlung in Hellersdorf

Studierende der Alice-Salomon-Hochschule bringen bei einem Straßenfest die Klassenfrage in eine Großsiedlung im Berliner Osten

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 5 Min.
Klassenkampf zwischen Plattenbauten? Die antiklassistische Versammlung stieß in Hellersdorf nur auf wenig Interesse.
Klassenkampf zwischen Plattenbauten? Die antiklassistische Versammlung stieß in Hellersdorf nur auf wenig Interesse.

Sommerzeit ist Straßenfestzeit. Wo sonst Nachbar*innen zwischen Bierbänken tanzen und den zehnten Kartoffelsalat probieren, stach die antiklassistische Sommerversammlung am Theaterplatz in Hellersdorf am Samstagnachmittag heraus. Auf einem kleinen unscheinbaren Platz zwischen zahlreichen Wohnhäusern veranstalteten Studierende ein Fest, um mit den Anwohner*innen die Klassenfrage zu diskutieren.

Am frühen Nachmittag wird noch die Bühne aufgebaut. Junge Menschen sind beschäftigt, die richtigen Kabel und Anschlüsse zu finden. Mit etwas Verspätung eröffnet dann Binek das Festival. Der junge Mann gehört zu dem Organisationsteam der Versammlung. Alle sind Studierende der nahegelegenen Alice Salomon Hochschule (ASH) und Teil des Antiklassismus-Referats. »Wir mussten im Studium die Erfahrung machen, dass Menschen aus der Arbeiter*innenklasse Diskriminierungserfahrungen auch an der ASH ausgesetzt sind. Dabei handelt es sich um Klassismus«, erklärte Basti, ein weiterer Mitorganisator des Festivals. Danilo, ebenfalls im Antiklassismus-Referat der ASH aktiv, begründet die Wahl des Ortes: »Wir haben uns in der Hochschule organisiert. Uns ist aber klar, dass es Klassismus überall in der Gesellschaft gibt. Daher wollten wir das Festival auf dem relativ unbekannten Platz mitten in einer Wohngegend in Hellersdorf organisieren.«

Die Anwohner*innen der umliegenden Häuser bleiben jedoch größtenteils im Hintergrund. Eine ältere Frau fragt zunächst, ob klassische Musik gespielt wird. Nachdem sie über den Hintergrund des Klassismusbegriffs aufgeklärt wird, geht sie bald weiter. Tatsächlich wird die Debatte über die Sinnhaftigkeit dieses Begriffs in der linken Szene immer wieder geführt. Manche fragen sich, warum es für die Erklärung kapitalistischer Ausbeutung noch eines weiteren theoretischen Begriffs bedarf. Die Studierenden der ASH verteidigen diesen aber und betonten, dass es ihnen nicht darum ginge, damit den Begriff des Klassenkampfes zu ersetzen. »Wer das annimmt, hat den Klassismusbegriff nicht verstanden«, bekräftigt Basti. Es gehe ihnen nicht darum, die kapitalistische Ausbeutung mit neuen Begriffen zu versehen, sondern sie zu bekämpfen.

»Die antiklassistische Versammlung sollte auch ein Raum für Austausch und Diskussion an einem Ort sein, wo solche Veranstaltungen sonst nicht stattfinden«, sagt Binek. Er hat über mehrere Monate das Festival vorbereitet und zahlreiche Organisationen angeschrieben und zum Mitmachen eingeladen. Einige nutzen das Festival, um ihre Arbeit vorzustellen.

Dazu gehört die Hellersdorfer Schenke, ein Tausch- und Umsonstladen im Kiez. Am Samstag liegen Bücher, Kleidung und Schuhe in Regalen auf dem Theaterplatz. Das Interesse der Besucher*innen hält sich allerdings in Grenzen. Zufrieden mit der Resonanz zeigen sich hingegen die jungen Aktivist*innen vom Solidaritätsnetzwerk Berlin. Es ist Teil einer bundesweiten sozialistischen Kooperation, die sich für die Rechte und Interessen von Lohnabhängigen und Erwerbslosen einsetzt. Die Berliner Gruppe hat einen Informationsstand mit Flyern und Plakaten auf dem Festival aufgebaut. »Wir reden eher von Klassenkampf als von Klassismus. Wir haben gute Gespräche mit einigen Bewohner*innen aus den benachbarten Häusern geführt«, sagt ein junger Mann hinter dem Infostand.

Klaus von der »Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen« ist nicht das erste Mal in der Gegend. »Mehrere Häuser rund um den Hellersdorfer Theaterplatz sind im Besitz des Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen. Deswegen haben wir auch dort versucht, Unterschriften für das Volksbegehren zu sammeln, was aber in diesen Häusern nicht einfach war«, erinnert sich Klaus. Es sei oft schwer gewesen, mit den Mieter*innen in Kontakt zu kommen. Viele hätten gar nicht reagiert oder sich geweigert, die Tür zu öffnen, nachdem sie ihr Anliegen über die Fernsprechanlage mitgeteilt hatten.

Ein älterer Mann steigt in das Gespräch ein: »Das wundert mich nicht. Hier ist die Vereinzelung sehr groß und viele Menschen haben jedes Interesse an politischen Themen gänzlich verloren«, meint Paul. Der Rentner wohnt schon länger in Hellersdorf und ist sehr interessiert an linken politischen Debatten. Daher freut er sich über das Straßenfest gerade an diesem Ort. »Es ist super, was die jungen Leute machen. Ich frage mich nur, ob sich der große Aufwand lohnt. Denn viele Menschen in der Nachbarschaft gucken höchstens mal vom Balkon runter«, meint Paul und verweist auf die Anwohner*innen, die aus der Entfernung das Treiben am Theaterplatz beobachten. Sie verfolgen die zahlreichen kurzen Redebeiträge etwa von der Initiative Armutsbetroffene, dem Jugendclub Roter Baum oder dem Bündnis gegen Zwangsräumung – jedoch ohne Reaktion.

Als im zweiten Teil unterschiedliche Bands auftreten, mischen sich mehr Passant*innen unter die Zuhörer*innen. Schließlich ist das musikalische Repertoire denkbar unterschiedlich. Der Singende Tresen bietet einige Lieder mit Texten von Erich Mühsam und Christa Reinig dar. Danach spielt die Punkband The Nukes antimilitaristische Songs. Von dem kurzen Gewitter am Abend ließen sich die Übriggebliebenen nicht stören.

»Erst in den nächsten Tagen wollen wir ein Resümee ziehen und sehen, was gut gelaufen ist und was wir besser machen können«, sagt Binek zum Abschluss. Denn weitermachen mit dem Kampf gegen Klassismus wollen die Aktivist*innen auf jeden Fall.

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