Kretschmer bleibt formal auf Abstand zur AfD

Sachsens Ministerpräsident und CDU-Chef sieht »Gefahr für die Demokratie« bei Zusammenarbeit mit Rechtspartei

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Brandmauer, so beschreibt es die Europanorm 1992, ist eine Wand zwischen zwei Gebäuden, die »im Fall eines Brandes und ggf. bei Tragwerksversagen in einem Abschnitt die Brandweiterleitung in den anderen Abschnitt verhindert«. Sie muss harten Stößen standhalten, Löcher darf sie keinesfalls aufweisen. Derlei Brandmauern sind nicht nur im Bauwesen ein Thema, sondern auch in der Politik. Friedrich Merz etwa errichtete am 23. Dezember 2021 verbal ein solches Sperrwerk gegenüber der AfD. Vier Wochen vor seiner Wahl zum CDU-Bundeschef warnte er seine Parteifreunde vor schwarz-blauen Schulterschlüssen: »Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an.«

Kürzlich allerdings schien es, als wolle ausgerechnet Merz selbst ein Türchen in die Mauer einbauen. Im Sommerinterview des ZDF erklärte er, das Verbot von Kooperationen gelte mit Blick »auf gesetzgebende Körperschaften, das betrifft übrigens auch das europäische Parlament, den Bundestag, den Landtag«. In den Kommunen, sagte er mit Blick auf die Wahl eines ersten AfD-Landrats im thüringischen Sonneberg, sei man »verpflichtet, demokratische Wahlen anzuerkennen«. Die Aufregung war enorm, auch in der CDU selbst. Also relativierte Merz seine Äußerungen umgehend. Die Debatte darüber aber, wie Kommunalpolitiker der CDU mit einer zumindest im Osten immer weiter erstarkenden AfD umgehen sollen, ebbt seither nicht ab.

Sachsen gehört zu den Bundesländern, in denen das Problem besonders groß ist – und in dem, wie etwa der Wissenschaftler Steven Hummel im nd-Interview einschätzt, die »Brandmauer im Wortsinn« bereits geschleift wurde. Dort arbeiteten Politiker der CDU und der AfD schon in etlichen kommunalen Parlamenten zusammen. So verhalf die CDU im Kreistag Bautzen einem Antrag der AfD zur Mehrheit, der bezweckte, dass ausreisepflichtige Flüchtlinge bestimmte Integrationsleistungen nicht mehr beziehen dürfen. Auch der CDU-Landrat stimmte zu.

Die Landesführung der Partei will verhindern, dass derlei Löcher in der Trennmauer zu einem Flächenbrand führen. Der CDU-Landesvorsitzende und Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte den Sendern RTL und n-tv diese Woche: »Natürlich kann man mit so einem Akteur nicht zusammenarbeiten, das ist eine Gefahr für die Demokratie.«

Die CDU müsse jedoch versuchen, den Rechtspopulisten den Nährboden zu entziehen, betonte er. Ob seine diesbezügliche Strategie Erfolg hat, wird sich zeigen. Kretschmer versucht seit Monaten, die AfD etwa mit Forderungen zu einem harten Einwanderungskurs oder gegen die Unterstützung der Ukraine mit Waffen zu überbieten oder mit ihr gleichzuziehen. In Sachsen werden im Frühjahr 2024 Stadt- und Kreistage sowie Gemeinderäte gewählt, im Herbst der Landtag.

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) wiederum erklärte in einem Interview, der Beschluss gegen jedwede Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD gelte für ihn überall da, wo er freiwillig umgesetzt werden könne. Mit der Wahl in Sonneberg aber sei »die Brandmauer-Diskussion jetzt zu stumpf geworden«, fügte er hinzu. Das einstündige Interview gab er dem Portal »Nius«, einer rechten Fake-News-Plattform. Auch da hat eine Brandmauer Löcher bekommen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.