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Regierungsbildung in Spanien: Sánchez hat die besseren Karten

Spanische Sozialdemokraten bei der Parlamentseröffnung mit Achtungserfolg / Rechte chancenlos

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.

Die katalanische Unabhängigkeitspartei von Exil-Präsident Carles Puigdemont hat vor der konstituierenden Sitzung des spanischen Parlaments wichtige Forderungen durchgesetzt, um den Sozialdemokraten (PSOE) das Amt der Parlamentspräsidentin zu sichern. Deshalb konnte am Donnerstag die ehemalige Präsidentin der Baleareninseln, Francina Armengol, auch mit den sieben Stimmen von »Gemeinsam für Katalonien« (JxCat) schon im ersten Wahlgang mit einer absoluten Mehrheit von 178 Stimmen gewählt werden. Im spanischen Parlament gibt es 350 Sitze, die absolute Mehrheit erfordert 176 oder mehr Stimmen.

Ohne die Stimmen von JxCat hätte die Partei des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Pedro Sánchez den wichtigen Posten verloren. Armengol hätte zwar im zweiten Wahlgang nur mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen benötigt, doch die 171 Stimmen der PSOE und ihrer bisherigen Unterstützer hätten dazu nicht gereicht. Die rechte Volkspartei (PP) hätte mit ihren ultrarechten Unterstützern von der Vox und zwei Kleinparteien 172 erreichen können. Die PP-Kandidatin Cuca Gamarra bekam im ersten Wahlgang nur 139, da die Vox zunächst für den eigenen Kandidaten stimmte, was sie im zweiten Wahlgang nicht mehr gemacht hätte.

Ein wichtiger Fingerzeig für die Entscheidung, ob Sánchez erneut gewählt werden kann, kam von den Kanarischen Inseln. Der Parlamentarier der »Coalición Canaria« (CC) stimmte für Gamarra. Lange hatte Sánchez auf eine Enthaltung oder CC-Unterstützung für sich gehofft. Auf die baut nun der PP-Kandidat Alberto Nuñez Feijóo. Somit ist klar, dass Sánchez keine Chancen hat, erneut Regierungschef zu werden, wenn ihm JxCat die Unterstützung verweigert. Enthaltung reicht nicht. So wird die spanische Politik weiter im Umweg über Belgien bestimmt, wo der Exilpräsident in Waterloo weilt, da ihn die spanische Justiz weiter für die Durchführung des Unabhängigkeitsreferendums 2017 verfolgt. Puigdemont stellte nach der Abstimmung am Donnerstag klar, dass das Verhalten in »keiner Weise mit der Amtseinführung in Verbindung gebracht werden« könne. Die Position von JxCat in Bezug darauf sei »genau dort, wo sie nach den Wahlen war«, twitterte er.

JxCat lasse sich nicht mit »Versprechungen« abspeisen. Es müsse »Garantien« geben. Deshalb musste die Sánchez-Regierung noch am Morgen vor der konstituierenden Sitzung des Parlaments bei der EU in Brüssel offiziell beantragen, dass die ko-offiziellen Sprachen in Spanien wie Katalanisch, Baskisch und Galicisch in die Verordnung mit der Liste der Amtssprachen aufgenommen werden. Sánchez hatte einst behauptet, den Antrag schon gestellt zu haben. Das war gelogen. Spanien hat derzeit die turnusmäßige Ratspräsidentschaft inne, Sánchez ist Ratsvorsitzender. »Es ist genau diese Institution, welche die Kompetenz hat, die Verordnung zu ändern«, erklärt Puigdemont. Das sei weder die Kompetenz der Kommission noch des Parlaments. Sánchez habe eine »großartige Chance«, sich zu beweisen. Der Exil-Präsident stellte bisher immer wieder klar, dass JxCat »kein Vertrauen in die spanischen Parteien« hat.

An dem Deal mit JxCat, der auch Ermittlungsverfahren zu den Polizei-Kloaken und zu den Verstrickungen der Sicherheitskräfte in die islamistischen Anschläge vor genau sechs Jahren in Barcelona und Cambrils vorsieht, war das Linksbündnis »Sumar« (Summieren) »auf höchster Ebene« beteiligt. Das hat die Sumar-Chefin Yolanda Díaz bestätigt. Sie sprach sich zuletzt dafür aus, die ko-offiziellen Sprachen im spanischen Parlament zu benutzen, wie der Deal ebenfalls vorsieht.

Da die bisherige Parlamentspräsidentin Meritxell Batet immer auffiel, hart gegen die vorzugehen, die ko-offizielle Sprachen im Parlament sprachen, war die selbst Spanisch bevorzugende Katalanin untragbar geworden. Deshalb schlug die PSOE Armengol vor. Die Muttersprache der neuen Präsidentin ist Katalanisch (im Dialekt Mallorcas), die sie gewöhnlich auch benutzt. Die PSOE nennt sie in einer Erklärung eine bürgernahe und »sozialistische Feministin«, die auch für ein Land stehe, »das natürlich den Reichtum verschiedener Sprachen lebt«. Das ist bisher leider keine Realität. Die Sprachen werden oft als »Regionalsprachen« an den Rand gedrängt oder sogar bekämpft. Armengol hat als eine ihrer ersten Amtshandlungen das Sprechen von Katalanisch, Baskisch und Galicisch im spanischen Parlament erlaubt.

Puigdemont hat als Zünglein an der Waage seit den Wahlen am 23. Juli mehr erreicht, als der lokale Konkurrent in dieser Funktion zuvor. Die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) setzte in vier Jahren Sánchez-Unterstützung fast nichts durch. Ein versprochener Dialog zur Konfliktlösung hat zum Beispiel nie wirklich begonnen. Dass die ERC auch ein Abkommen mit der PSOE vorweist, in dem zum Beispiel auch die JxCat-Forderung einer Amnestie für die Vorgänge um das Referendum steht, ist bisher folgenlos geblieben. Umsetzungsgarantien, wie zur Ermittlung der Pegasus-Spionage gegen Katalanen, hat sie keine. Die wird Puigdemont als Gegenleistung für die Wahl von Sánchez zum Regierungschef fordern und, Stand jetzt, auch ein paktiertes Unabhängigkeitsreferendum. Für Sánchez sind das hohe Hürden.

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