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Bergwerk Gorleben: Das Salz kommt wieder in die Erde
Das Bergwerk Gorleben wird endgültig geschlossen, aber die Freude der Atomkritiker ist gedämpft
Für Wolfgang Ehmke, den langjährigen Sprecher und Frontmann der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, ist es »eine wirklich gute Nachricht«: Das Bergwerk im Salzstock Gorleben, der jahrzehntelang auf seine Tauglichkeit als mögliches Endlager für den hochradioaktiven Atommüll untersucht wurde, wird endgültig verschlossen. Denn der Betreiber, die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), hat jetzt den Auftrag zum Verfüllen des unterirdischen Grubengebäudes vergeben.
Damit ist der erste Schritt zur endgültigen Schließung und zum Rückbau der Schächte und Stollen getan. Atomkraftgegner*innen hatten dies immer wieder verlangt – spätestens seit der Salzstock 2020 endgültig aus dem neu aufgerollten Suchverfahren für ein Atommüllendlager ausgeschieden ist.
Bisher war das Bergwerk in einer Art Stand-by-Betrieb gehalten worden, es hätte also jederzeit reaktiviert werden können. Im Zuge dieser Maßnahme waren die Erkundungsbereiche außer Betrieb genommen und abgesperrt, alle nicht mehr erforderlichen Maschinen und Fahrzeuge nach oben geholt worden.
In dem Vergabeverfahren für die Verfüllung des Bergwerks hatte sich eine Bietergemeinschaft aus dem Ruhrgebiet durchgesetzt. An ihr sind die Firmen Redpath Deilmann aus Dortmund und Thyssen Schachtbau aus Mülheim an der Ruhr beteiligt. Die Arbeiten könnten beginnen, sobald die bergrechtlichen Genehmigungen vorliegen, sagt BGE-Sprecherin Monika Hotopp. Nach derzeitiger Terminschätzung sei das Mitte 2024. Als Dauer für die Verfüllung veranschlagt die BGE drei Jahre. Die Bürgerinitiative spricht indes von einem »sehr ambitionierten Zeitplan«.
Für das Zuschütten des Bergwerks soll das Salz verwendet werden, das für die Erkundung des Salzstocks aus dem Untergrund entnommen wurde. Der unterirdische Salzstock wurde seit den 1980er Jahren als mögliche Lagerstätte für Atommüll geprüft. Die Bergleute trieben Schächte in den Boden, legten unterirdische Gänge und Hohlräume an, die eigentlich viel zu groß waren für eine bloße Prüfung. Das vorgebliche Erkundungsbergwerk nahm die Ausmaße eines Endlagers an, wie auch das Bundesamt für Strahlenschutz als damaliger Betreiber einräumte.
Im Zuge der Erkundung wurde das Salz an die Oberfläche befördert und in unmittelbarer Nähe des Bergwerks zu einer riesigen Halde aufgetürmt, insgesamt lagern dort rund 400 000 Tonnen Steinsalz. »Die markante Salzhalde wird jetzt nach und nach verschwinden und das Erkundungsbergwerk Schritt für Schritt verfüllt«, erklärt der technische Geschäftsführer der BGE, Thomas Lautsch. Die Schließung des Bergwerks erfolge phasenweise. Nach Verfüllung der Gruben und Stollen sollen die beiden Schächte über einen weiteren noch auszuschreibenden Bauauftrag zugeschüttet werden.
BI-Sprecher Ehmke verlangt, dass beim Rückbau des Bergwerks auch Naturschutzbelange zu berücksichtigen seien. »Wir haben vorsorglich der BGE einen entsprechenden Katalog schützenswerter Flora und Fauna zukommen lassen, damit der Rückbau endlich beginnen kann«, sagt er. Wünschenswert sei überdies der Erhalt eines etwa zehn Meter langen Mauerteils, der beim – bereits erfolgten – Rückbau der Überwachungsanlagen stehen blieb. Der größte Teil der insgesamt rund zwei Kilometer langen und bis zu fünf Meter hohen Mauer um das Bergwerk, die in den 80er Jahren als Abschottung gegen Demonstrationen gebaut wurde, war 2019 abgerissen worden.
»Dieser Mauerrest mit den Graffiti, die von der bewegten Geschichte der Gorleben-Auseinandersetzung zeugen, muss ein Denkmal für die industriepolitische Fehlentwicklung des letzten Jahrhunderts werden«, sagt Ehmke. Schließlich bleibt nach der Abschaltung der Atomkraftwerke der Müll. Die Suche nach einem Endlager werde sich noch Jahrzehnte hinziehen, für die Zwischenlagerung der hochradioaktiven Abfälle müsse inzwischen mit 100 Jahren gerechnet werden: »Drei Generationen haben von Atomstrom profitiert, 30 000 Generationen dürfen sich mit den Folgen herumschlagen.« Ihre traditionellen Sonntagsspaziergänge an den Gorlebener Atomanlagen und am Bergwerk wollen die Atomkraftgegner*innen aus dem Wendland bis zum Ende des Rückbaus fortsetzen.
Der Bau eines Endlagers im Gorlebener Salzstock ist Geschichte. Atommüllfrei ist der Gorlebener Wald aber nicht. Dort entstanden zwei Atommüllzwischenlager, eines für schwach und mittelradioaktive Abfälle, eines für Castorbehälter mit heißem und stark strahlendem Atomschrott, sowie eine Pilotkonditionierungsanlage – diese sollte radioaktive Abfälle endlagergerecht verpacken und defekte Castorbehälter reparieren.
Auch bei der Endlagersuche ist das Wendland noch nicht aus dem Schneider. Infrage kommen nicht nur Salzstöcke, auch Granit und Ton werden als Wirtsgesteine geprüft. Während sich viele Tonformationen mit einer Dicke von 100 Metern für den Bau eines Endlagers nicht eignen, sind die meisten Tonvorkommen am Rande von Salzstöcken deutlich massiver, in Gorleben etwa 430 Meter. »Wir müssen wachsam bleiben«, sagt deshalb der BI-Vorsitzende Martin Donat.
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