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Immer mehr Abschiebeflüge gehen aus Deutschland
Innenministerium äußert sich zu Gewalt und Ausgaben bei »Rückführungen«
Obwohl die Regierungen der EU-Staaten und die Kommission in Brüssel weitere Verschärfungen in den Bereichen Asyl und Migration einführen, gehen die Zuwanderungszahlen nach Europa nicht zurück. Deshalb stehen vermehrte Abschiebungen auf der Tagesordnung: Die Grenzagentur Frontex baut unter deutscher Leitung eine neue Abteilung auf, die massenhaft »Rückführungen« auch unter Zwang durchführen und finanzieren soll. In Deutschland schlägt die Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vor, den Ausreisegewahrsam von derzeit bis zu zehn auf künftig bis zu 28 Tage auszuweiten. Betroffene sollen nicht mehr vorgewarnt werden, wenn ein Termin zur Abholung feststeht. Auch die Zahl von Abschiebeflügen aus Deutschland steigt an. Das geht aus der noch unveröffentlichten Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linke-Abgeordneten Clara Bünger hervor.
Über die Hälfte der im ersten Halbjahr 2023 abgeschobenen 7861 Personen wurden demnach in Linienflüge oder sogenannte »Sammelabschiebeflüge« gesetzt. Dabei werden sie durch die Polizei oder private »Sicherheitsbegleiter« eskortiert. Zusätzlich gab es außerdem 2186 sogenannte Zurückschiebungen, die fast immer an den deutschen Landgrenzen erfolgten. Von den Maßnahmen waren laut der Antwort 1375 Minderjährige betroffen.
Bei einem großen Teil der als »Rückführungen« bezeichneten Maßnahmen handelte es sich um sogenannte Dublin-Fälle: Schutzsuchende müssen ihr Asylverfahren in dem Land durchführen lassen, in dem sie zuerst in der EU angekommen sind. Diese Dublin-Abschiebungen betrafen 2473 Personen, gegenüber 2022 ist dies ein Anstieg um über ein Drittel. Die hauptsächlichen Zielstaaten dieser Überstellungen waren Österreich, Frankreich, Spanien, Polen, Bulgarien und die Niederlande.
»Es macht sprachlos, welche Ressourcen Bund und Länder bereit sind einzusetzen, um Menschen außer Landes zu schaffen«, sagt die Fragestellerin Bünger dazu dem »nd«. Abschiebeflüge, die horrende Kosten verursachen und bei denen die Zahl der Begleitbeamten die der abzuschiebenden Personen um ein Vielfaches übersteigt, seien keine Seltenheit.
Diese Ausgaben gehen für jeden einzelnen der Linien- oder Charterflüge in die Zehntausende. Am teuersten war ein Flug vom Flughafen Frankfurt/Main nach Nigeria am 16. Mai, bei dem für 32 Abzuschiebende fast 400 000 Euro für die Bereitstellung des Flugzeugs anfielen. Die Kosten dafür übernimmt in den meisten Fällen Frontex. Die zusätzlichen Kosten für die »Sicherheitsbegleitung« gibt das Ministerium für das erste Halbjahr mit 3,9 Millionen Euro an.
Besonders teuer sind demnach sogenannte »Kleincharterrückführungen« mit bis zu vier Betroffenen. Eine solche Mini-Abschiebung von Leipzig in den Niger kostete im Februar für eine betroffene Person 120 450 Euro, dabei waren vier Polizisten zur Eskorte an Bord. Insgesamt wurden auf diese Weise in neun Einzelmaßnahmen 25 Personen außer Landes geschafft. Diese Maßnahmen werden nicht durch Frontex finanziert.
Bei einem beträchtlichen Teil der Betroffenen setzt die Polizei »Hilfsmittel der körperlichen Gewalt« ein. Ihnen werden dabei Hand- und Fußfesseln oder als »Bodycuffs« bezeichnete Stahlfesseln angelegt. Im ersten Halbjahr betraf dies 480 Personen. Auffällig ist die Verteilung der Gewaltanwendung, die vor allem bei afrikanischen Zielländern vorkommt. Angeführt wird diese Liste von Abschiebungen nach Algerien (72 Prozent), Gambia (37 Prozent) und Nigeria (32 Prozent).
520 Abschiebungsversuche auf dem Luftweg seien abgebrochen worden, heißt es in der Antwort. Wie auch in den Vorjahren waren die häufigsten Gründe dafür der Widerstand der Betroffenen und die Weigerung der Piloten, diese zu befördern. In 59 Fällen hat die Bundespolizei die Übernahme verweigert. Bei Charterabschiebungen erfolgt dies deutlich seltener als bei Abschiebungen mit Linienflügen. Das könnte daran liegen, dass die »Kleincharterrückführungen« eingesetzt werden, wenn Widerstand von Betroffenen oder Proteste der Mitreisenden zu erwarten sind.
Die Angabe, welche Fluggesellschaften an den Abschiebungen verdienen, hat das Ministerium als vertraulich eingestuft. Zur Begründung heißt es, dies könne die Firmen der »öffentlichen Kritik« aussetzen und Abschiebungen erschweren. Jedoch sind die Flughäfen bekannt, von denen die meisten dieser Zwangsmaßnahmen erfolgen: Dies waren dieses Jahr Frankfurt/Main, Düsseldorf, Berlin-Brandenburg und München.
Die Fluglinien sind auch selbst von Repressalien betroffen, wenn sie Personen ohne den erforderlichen Pass oder Aufenthaltstitel nach Deutschland gebracht haben. Dabei handelt es sich um einen Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz, der mit bis zu 5000 Euro geahndet werden kann.
»Damit werden staatliche Kontrollaufgaben auf private Unternehmen übertragen, was grundsätzlich problematisch ist«, kritisiert die Linke-Politikerin Bünger diese Regelung. Im ersten Halbjahr haben die deutschen Behörden in 799 Fällen ein solches Zwangsgeld gegen die Firmen verhängt – ein deutlicher Zuwachs gegenüber dem Vorjahr. Pro Fall kostete dies im Durchschnitt 2357 Euro.
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