• Berlin
  • Strukturwandel in der Lausitz

Höchste Eisenbahn für die Werkstatt

Eine Tochterfirma der Lausitzer Energie AG arbeitet an ihrer Zukunft ohne Kohlezüge

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Es soll weiter funken: Ein Arbeiter schleift in der MCR-Werkstatt im Inneren eines Güterwaggons.
Es soll weiter funken: Ein Arbeiter schleift in der MCR-Werkstatt im Inneren eines Güterwaggons.

Hämmern, Schleifen, Schweißen – in den Werkshallen der MCR Engineering GmbH in Schwarze Pumpe herrscht Betrieb. Die 2021 gegründete Tochterfirma der Lausitzer Energie AG (Leag) hat indirekt mit der klassischen Braunkohleförderung zu tun. Sie repariert beispielsweise die riesigen Schaufeln der Kohlebagger und die Segmente der Kettenfahrzeuge, die im Tagebau zum Einsatz kommen. Verrostete Stücke liegen zur Bearbeitung bereit und verlassen die Hallen am Ende wie neu. Die rund 300 Mitarbeiter warten auf die Güterwaggons, mit denen die Braunkohle zur Stromerzeugung in die Kraftwerke abtransportiert wird, und auf die Loks, die vor die Kohlezüge gespannt werden.

Die Hauptwerkstatt, in der dies alles geschieht, existiert bereits seit 1955. Es gibt aber auch eine neue Halle für die Instandsetzung von Güterzügen, die 2015 in Betrieb genommen wurde. Dieser Neubau erfolgte mit Blick auf einen erhöhten Bedarf durch den seinerzeit noch vorgesehenen neuen Tagebau Jänschwalde-Nord. Der ist aber mittlerweile aus dem Revierkonzept gestrichen und der Kohleausstieg spätestens im Jahr 2038 beschlossene Sache.

Vergebens war der Bau der Halle deswegen allerdings nicht. Die MCR sucht sich zunehmend neue Aufgaben. 2019 bearbeitete die Hauptwerkstatt noch ausschließlich interne Aufträge der Leag. Mittlerweile wartet sie jährlich auch 1800 Güterwaggons verschiedener Verkehrsbetriebe aus dem In- und Ausland. 15 Prozent der Aufträge kommen mittlerweile von außen und es sollen immer mehr werden, wie Leag-Produktionsvorstand Philipp Nellessen erklärt. Das soll der Belegschaft eine Perspektive für die Zeit nach der Kohle bieten. Den Bedarf gibt es.

Der Bundestagsabgeordnete Christan Görke (Linke) kann dies bei einer Besichtigung am Mittwoch bestätigen. Gegenwärtig würden 19 Prozent der Güter in Deutschland auf der Schiene transportiert, erinnert er. Der Bund habe sich vorgenommen, diesen Wert bis zum Jahr 2030 auf 25 Prozent zu steigern. »Das ist ein dickes Brett, das es zu bohren gilt.« Anders gesagt sei das ein Zuwachs von 40 Prozent, rechnet der Politiker vor. Dementsprechend würden Wartungskapazitäten benötigt.

Das sieht Nellessen genauso. Er macht sich keine Sorgen um die Zukunft der MCR Engeneering. Wenn das nicht klappen sollte und die GmbH auf dem Markt nicht Fuß fassen könnte, so hätte die Leag etwas falsch gemacht, sagt er.

KInderleicht sei die Neuorientierung gleichwohl nicht. Da gebe es auch ärgerliche, unerwartete Schwierigkeiten. Ein Beispiel: Die MCR fertige für einen Stahlkonzern Spezialwaggons. Der Kunde leiste eine Anzahlung. Für den theoretischen Fall, dass die MCR vor der Lieferung pleite gehen sollte, würde so eine Anzahlung durch eine Bürgschaft abgesichert werden, macht Nellessen deutlich. Normalerweise sei das keine große Sache. Doch: »99 Prozent der Banken sagen Nein«, beklagt Nellessen. Die Unternehmensphilosophie dieser Kreditinstitute sehe Finanzgeschäfte mit der Kohleindustrie nicht mehr vor. Dabei habe der Spezialauftrag überhaupt nichts mit der Braunkohle zu tun. »Transformation ist die Zukunft und da müssen wir hin«, bekräftigt der Vorstand. Aber wenn die MCR beim Weg in die neue Zeit behindert werde und keine Kredite für Investitionen erhalte, ja nicht einmal Bürgschaften, dann halte das unnötig auf.

Der Abgeordnete Görke erkennt das Problem und will es im Finanzausschuss des Bundestags ansprechen. Das verspricht er und sagt: »Da muss sich der Staat überlegen, wie er die Transformation begleitet.« Beim Rundgang durch die Werkstatthallen treffen Christian Görke und die Landtagsabgeordnete Anke Schwarzenberg (Linke) viele junge Gesichter. Schwierigkeiten, Nachwuchs einzustellen, hat die MCR nicht. Der Mutterkonzern Leag besitze noch »Strahlkraft« im Revier, wird den Politikern versichert. Außerdem: Das Lohnniveau sei vergleichsweise hoch. Aber wegen der Braunkohle seien die jungen Metallarbeiter nicht hier, weiß Ronny Sembol zu berichten, der die beiden Abgeordneten herumführt und mit ihnen gerade eine Halle betreten hat, in der Güterwaggons gewartet werden. Mit der Braunkohle haben diese jungen Leute laut Sembol längst innerlich abgeschlossen.

Neben Güterwaggons will die MCR später auch Personenzüge warten. Noch offen ist, ob die Leag eine Eisenbahn werden will. Mit rund 400 Kilometern Schiene in den Tagebauen und zu den Kraftwerken verfügt sie über eine interessante Infrastruktur, außerdem über 800 Waggons und 400 Lokführer, von denen mehr als 100 sogar schon eine Lizenz haben, Züge außerhalb der Grenzen des Reviers im öffentlichen Schienennetz zu steuern. 100 Stunden im Jahr müssen sie dort unterwegs sein, um die Lizenz nicht zu verlieren. Die Leag ermöglicht das den Kollegen nicht etwa nur, damit sie später zur Deutschen Bahn oder zur Ostdeutschen Eisenbahn wechseln könnten, wenn sie im Tagebau nicht mehr gebraucht werden. Vielleicht wird die Leag die Lokführer dann selbst für andere Aufgaben benötigen.

Ein Lichtblick ist der Innovationspreis, den die MCR vergangenes Jahr für ein Verfahren erhalten hat, alte Metallteile mit einem Laser-Schweißroboter aufzuarbeiten. Dabei werden auf den abgenutzten Oberflächen frische, glatte Metallschichten aufgetragen. Das sei allemal nachhaltiger und auch sparsamer, als teils tonnenschwere Teile einfach zu verschrotten, erläutert Ingenieurin Rosemarie Müller. »Faszinierend«, schwärmt die Landtagsabgeordnete Schwarzenberg. Auch der Bundestagsabgeordnete Görke ist voll des Lobes. Er glaube zwar nicht an einen Kohleausstieg schon im Jahr 2030. »Das ändert aber nichts daran, dass sich das Zeitfenster für die Kohle schließt«, sagt er. »Darum ist es richtig, sich vorzubereiten.«

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