Segelboot aus dem Wendland unterstützt Seenotrettung

Eine weitere Initiative will dabei helfen, Schiffbrüchige zu entdecken und Hilfe zu organisieren

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 4 Min.
Die »Trottamar III« ist ein Segelschiff, das primär Boote in Seenot entdecken und für weitere Hilfe sorgen soll.
Die »Trottamar III« ist ein Segelschiff, das primär Boote in Seenot entdecken und für weitere Hilfe sorgen soll.

Ein Segelboot aus dem Wendland verstärkt seit dem vergangenen Wochenende die Nothilfe für Geflüchtete im Mittelmeer. Die »Trottamar III« mit sechs Crew-Mitgliedern stach von Sizilien aus in See. Die Besatzung will südlich der italienischen Insel Lampedusa nach Seenotfällen Ausschau halten, in Seenot geratenen Menschen erste Hilfe leisten und Boote stabilisieren, wie die wendländische Initiative »Compass Collective« am Montag im sizilianischen Licata mitteilte.

Um Geflüchtete an Bord zu nehmen, ist die »Trottamar III« mit einer Länge von 13 Metern zu klein, deshalb geht es der Besatzung vor allem um die Entdeckung von Flüchtlingsbooten in Seenot, eine Benachrichtigung der italienischen Küstenwache, von weiteren Behörden und von anderen Schiffen in der Nähe. Bei Rettungseinsätzen durch größere Schiffe wollen die Helfer assistieren. Zudem will die wechselnde Crew mögliche Menschenrechtsverletzungen wie illegale »Pushbacks« – also etwa das Zurückdrängen von Flüchtlingsbooten – dokumentieren.

»Das Mittelmeer wird zum europäischen Massengrab«, begründete »Compass-Collective«-Sprecherin Katja Tempel die Initiative. Europa trete die Würde der flüchtenden Menschen »und damit auch unsere eigene« mit Füßen: »Deswegen schicken wir ein Schiff.«

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Die Aktivistinnen und Aktivisten hatten das 13 Meter lange Boot in den vergangenen Wochen für die Seenothilfe ausgerüstet und beladen. An Bord befinden sich 230 Rettungswesten, schnell erreichbar in der vorderen Kajüte. Zwei lange Rettungsschläuche, so genannte Centifloats, sind seitlich am Bug befestigt, sie können den Angaben zufolge jederzeit schnell ins Wasser gelassen werden. Auch fünf Rettungsinseln warten auf ihren Einsatz. Ebenfalls mit dabei sind 300 Liter Trinkwasser in Halbliterflaschen und Müsliriegel als Notfallverpflegung für Geflüchtete auf dem Wasser.

Von der ersten Einsatzcrew im Alter von 28 bis 67 Jahren haben zwei Mitglieder bereits Erfahrung auf Schiffen der Seenotrettungsorganisationen »Sea Watch« und »Sea Eye« gesammelt. Die anderen verfügen den Angaben zufolge über viel Segelerfahrung und bringen ihr Know-how als Techniker, Rettungsbootfahrer, Koch oder durch andere Qualifikationen ein. Zusätzlich ist eine Italienerin mit an Bord, sie soll die Kommunikation mit der italienischen Küstenwache erleichtern.

Skipper ist Matthias Wiedenlübbert. Er und die ebenfalls im Wendland lebenden Jan Becker und Katja Tempel haben das »Compass Collective« gegründet. Tempel und Wiedenlübbert waren nach eigenen Angaben davor auf Fluchtrouten zu Land unterwegs, um Menschen auf dem Weg zu einem sicheren Ort insbesondere durch medizinische- und Hebammenhilfe zu unterstützen.

Als Zielgebiet der »Trottamar III« nennt die Crew die Fluchtroute zwischen Tunesien und Lampedusa. »Auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Folter, Hunger, Elend oder Vergewaltigung brechen täglich Menschen aus ihrer Heimat auf«, heißt es in einer anlässlich des Starts verbreiteten Erklärung des »Compass Collective«.

Dabei verschärfe sich die Not durch die strukturelle und personelle Gewalt, die Flüchtende auf ihrem Weg erlebten. Ganz Nordafrika, besonders das Bürgerkriegsland Libyen und seit der neuen Migrationspolitik auch Tunesien, sei dabei für Hunderttausende »eine Zwischenstation, die zunehmend lebensbedrohlich ist«. Es existierten keine legalen Wege, über die sich bedrohte Menschen in Sicherheit bringen könnten. In den kommenden Jahren werde die Zahl der Menschen, die über das Mittelmeer flüchten, weiter zunehmen, glauben die Leute vom »Compass Collective« – vor allem wegen der sich rasant verschärfenden Klimakrise in Afrika und Asien.

Im Wendland gibt es bereits mehrere Initiativen, die sich für Geflüchtete einsetzen. So wies ein »Freundeskreis Mittelmeer« mit Traueranzeigen und einer Trauerfeier auf dem Dannenberger Marktplatz auf rund 35 000 tote Flüchtlinge hin, die auf dem Weg nach Europa gestorben sind – viele davon bei der Überfahrt im Mittelmeer.

Das Wendland ist die Region in Niedersachsen, die 40 Jahre lang von der Auseinandersetzung um die Atomenergie geprägt wurde. Zivilgesellschaftlicher Protest habe am Ende ein Atommüll-Endlager in Gorleben verhindern können, erklärte das »Compass Collective«. Dieser Erfolg bringe jetzt den Rückenwind, um solidarisch gegen Abschottung und das Sterben auf dem Mittelmeer anzusegeln.

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