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Die CDU aus der Regierung prügeln

Berliner Linksfraktion bestimmt ihre Position in der ungewohnten Oppositionsrolle

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Klar, die mögliche Gründung einer Wagenknecht-Partei stehe irgendwie im Raum, bestätigt der Berliner Abgeordnete Alexander King (Linke) am Montag. Die Arbeit seiner Abgeordnetenhausfraktion beeinträchtige das aber nicht. »Die Diskussion ist eigentlich gut gelaufen«, sagt er am Rande einer Klausurtagung.

Infolge der Berliner Wiederholungswahl vom 12. Februar und seit dem 27. April, also seit Kai Wegner (CDU) Regierender Bürgermeister ist, befindet sich die Linksfraktion in der Opposition. Es ist eine für sie ungewohnte Rolle: Seit 2002 war die Partei fast durchgehend ein Koalitionspartner der SPD – mit einer kurzen Unterbrechung von Ende 2011 bis 2016.

Steffen Zillich ist schon so lange dabei, dass er sich noch an die Zeit vor 2002 erinnern kann. Er warnt seine Fraktionskollegen: »Nichts von dem, was wir tun, hat von sich aus Relevanz.« Man müsse sich selbst darum kümmern, dass es relevant werde. Allein eine andere Meinung zu haben als der Senat, sei noch keine Meldung wert. Man müsse Lösungen entwickeln, von denen die Berliner sagen: »Oh, das könnte mir tatsächlich helfen.« Das Wahlergebnis vom 12. Februar, der Sieg der CDU seien Ausdruck eines Misstrauens der Bevölkerung, ob Rot-Grün-Rot die Probleme in der Stadt wirklich lösen könne. So sieht es Fraktionsgeschäftsführer Zillich. Das Vertrauen müsse man zurückgewinnen, sonst verspiele man mittelfristig die Chance auf progressive Mehrheiten.

Am Dienstag treffen sich die 22 Abgeordneten und Mitarbeiter der Fraktion im NH-Hotel an der Leipziger Straße zu einer Klausurtagung. Der erste Tagesordnungspunkt: eine Positionsbestimmung. Fest steht: Es gibt verschiedene Krisen, die sich überlagern, und obendrein steckt die Linkspartei selbst in einer Krise, ihr droht die Spaltung. »Das ist ein bisschen frustrierend«, bekennt Fraktionschefin Anne Helm. Dennoch müsse die Linksfraktion für das soziale Berlin funktionieren. Sie dürfe sich auch nicht auf Kulturkampfdebatten mit den Konservativen einlassen, sondern sollte sich um die materielle Lage der Menschen kümmern. Dass Berlins Linke die ganz großen Probleme angehe, habe sie etwa mit dem international beachteten Plan bewiesen, der Obdachlosigkeit bis 2030 ein Ende zu setzen, erinnert Helm. Die Fraktionsvorsitzende ist überzeugt, dass es in der Stadt noch progressive Mehrheiten gibt. Die müssten bei der nächsten Wahl 2026 so stark werden, dass nicht erneut eine »Rückschrittskoalition« aus CDU und SPD gebildet werden könne.

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Helms Stellvertreter Tobias Schulze fragt allerdings: »Ist Berlin überhaupt noch eine linke Stadt?« Es sei »unglaublich viel Geld« gekommen, hineingepumpt von Investoren. Die Freiräume der 90er Jahre gebe es nicht mehr. Die linke Subkultur habe sich, vom großen Geld verdrängt, in Nischen zurückziehen müssen. Auch Berlin habe einen Rechtsruck erlebt. Das beschreibt Helm selbst ganz gut mit Hinweis auf die CDU-Parole: »Wer morgens Stunk im Freibad macht, muss abends abgeurteilt werden.« Dieses zweifelhafte Versprechen – mit rechtsstaatlichen Verhältnissen habe das nichts zu tun – könne die CDU aber gar nicht einlösen. Darum helfe eine solche Parole nur der AfD. Eigentlich müsste darüber geredet werden, marode Freibäder zu sanieren und genug Personal einzustellen, anstatt Videokameras zu installieren und strengere Schließzeiten zu beschließen. »Es geht hier um die Verteidigung der Demokratie und sozialer und humanistischer Errungenschaften«, beschreibt Helm die Lage.

Co-Fraktionschef Carsten Schatz gibt das Ziel aus, spätestens 2026 wieder Teil einer gestaltenden politischen Mehrheit zu werden: »Wir müssen die CDU aus dieser Regierung prügeln.« Aber wie lässt sich das bewerkstelligen? Schatz nennt vier zentrale Projekte. Eine gute öffentliche Daseinsvorsorge gehört dazu, und das beinhaltet für Schatz, den Volksentscheid »Deutsche Wohnen & Co enteignen« konsequent umzusetzen und ein Konzept für eine fachärztliche Versorgung in den Außenbezirken zu entwerfen. Den Begriff der Medizinischen Versorgungszentren hält Schatz für sperrig. »Früher sagten wir mal Poliklinik.« Unter »solidarisches Berlin« fällt für Schatz eine Ausbildungsplatzumlage, die Betriebe zahlen müssten, die keine Lehrlinge einstellten. Bei »Stadt der Demokratie« fällt das Stichwort »Wahlrecht für alle«. Berliner, die Bürger eines anderen EU-Staates sind, dürfen nur ihre Bezirksverordnetenversammlung wählen und nicht das Abgeordnetenhaus. Wer keinen EU-Pass hat, der hat gar keine Stimme. Das sollte sich ändern. Außerdem sollen die Auswirkungen des Klimawandels abgemildert werden, so gut es geht. Das alles sollte bis zur Umsetzungsreife mit den Menschen diskutiert und von ihnen dann auch akzeptiert werden, erläutert Schatz.

Ein zehnseitiges Papier, das diesen Weg vorzeichnet, wird von den Abgeordneten beschlossen. In der Diskussion darüber äußern die Politiker noch verschiedene Ideen. An der Straße festkleben müsse man sich vielleicht nicht gleich, aber ein bisschen mehr Anti-Establishment könnte die Fraktion schon sein, heißt es. Katalin Gennburg meint: »Der 80-jährige Opi kann nur noch mit dem Auto fahren, wenn es keine Stadt der kurzen Wege gibt.« Darum sei der Widerstand gegen die Schließung eines Ärztehauses am Plänterwald so wichtig. Das sei auch gelebter Antifaschismus, weil die AfD schon auf das Thema aufgesprungen sei. Das Einkaufszentrum am Treptower Park mit Post, Bäcker und Bankfiliale für die Nahversorgung zu sichern, anstatt es durch Bürohäuser zu ersetzen, nennt Gennburg »antikapitalistische Stadtpolitik«.

Ferat Koçak fordert: Golfplätzen das Wasser abdrehen, Privatjets am Flughafen BER verbieten! »Das war eine gute Demo-Rede und ich meine das nicht spöttisch«, reagiert Ex-Kultursenator Klaus Lederer. Es klingt aber so. Nur mit den sozialen Bewegungen in Kontakt zu bleiben, reiche nicht aus, mahnt Lederer. »Wir gegen den Rest ist nie eine gute Position.« Den Vorschlag des neuen Kultursenators Joe Chialo (CDU), die Zentral- und Landesbibliothek im Lafayette-Gebäude in der Friedrichstraße unterzubringen, dürfe man nicht von vornherein abtun. »Es kann eine gute Idee sein oder ein mieser Deal. Das muss man sich genau anschauen.«

Die mögliche Spaltung von Bundestagsfraktion und Partei ist für die Berliner Fraktion zwar von Bedeutung. Sich davon abkoppeln kann sie beim besten Willen nicht. Aber wenn sich tatsächlich eine Wagenknecht-Partei gründet, dann gibt es in der Abgeordnetenhausfraktion nur einen, der da ganz sicher mitmachen würde. Das ist Alexander King. Darum wird er danach gefragt. Ein Abgang bei 22 Abgeordneten, das wäre zu verkraften. Doch es gibt noch eine andere Trennlinie. Sie verläuft vereinfacht gesagt zwischen jüngeren Rebellen und älteren Realisten.

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