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Kinofilm von Charly Hübner: War da was?
Noch weniger als Kitsch: Charly Hübners Verfilmung von »Sophia, der Tod und ich«
Der Kritiker ist zwar zuerst Zuschauer, aber eben nicht nur. Und also sieht er den Film, wie das Publikum auch, möglichst abends, geht dann aber, statt in der Kneipe oder im Bus über den Film zu reden, ins Bett und setzt sich einen Tag später an die Besprechung, vielleicht auch drei oder fünf Tage später, jedenfalls mit Abstand. In ihren Grundzügen mag die Kritik beim Abspann schon fertig sein, die Ausarbeitung hat Zeit, und das ist gut, denn Abstand klärt den Blick.
Bei »Sophia, der Tod und ich«, der Verfilmung des schlichten Bestsellers, den der Popsänger Thees Uhlmann (Tomte) der Welt geschenkt hat, stellt sich nun die Schwierigkeit ein, dass der Kritiker letztlich nichts gesehen hat. Nichts kann man freilich nicht sehen, man sieht ja immer etwas, und am Ende des Films wusste man auch, was: nämlich einen Film, der sich von der formalen Einfalt seiner Vorlage kein Jota entfernt hatte und das Unbedarfte getreulich ins Unbedarfte übertrug.
Nach ein paar Tagen Pause aber stellt der Kritiker fest, dass die Belanglosigkeit der Angelegenheit so eminent war, dass er sich schon einigermaßen zusammennehmen muss, um das Filmerlebnis noch einmal auf die innere Leinwand zu holen. Ein Erlebnis, das damit beginnt, dass der Berliner Fernsehturm in den nächtlichen Himmel sticht, und das ist – goldene Regel – nie ein gutes Zeichen. Mit Berlin kommen sie nämlich immer dann, wenn es sonst nichts zu sagen gibt, denn dann ist es immerhin ein Hauptstadtfilm; und der verkrachte, dem Weißwein zugetane Altenpfleger Reiner (Dimitrij Schaad), dessen Lebensinhalt es ist, seinem in Süddeutschland bei der Mutter lebenden Sohn Postkarten zu schreiben, wohnt nicht so wie alle, sondern in etwas wunderbar Altbaufälligem. Wie cool ist das denn? Etwa so cool wie ein Wadentattoo.
Es bleibt dabei, dass es »Sophia, der Tod und ich«, das Langfilm-Regiedebüt des prima Schauspielers Charly Hübner, nie über sich hinausschafft: So muss ein Film sein, wenn er Massenkost fürs anspruchslose Alles-gut-Publikum sein will. Nichts, wirklich gar nichts berechtigt diesen Film zu seiner Existenz außer der Idee, einen Buch-Bestseller zu einem Kinoerfolg zu machen, und dass der Tod (Marc Hosemann) beim noch gar nicht alten Reiner an die Tür klopft, das Heimholen aber misslingt und Reiners Ex (Anna Maria Mühe) in der Tür steht, damit Ex und Tod mit Reiner und Mutti auf letzte Fahrt zu Sohn und Enkel gehen können, wäre stichhaltig insofern, als der Tod den Film wirklich keine Sekunde verlässt. Oder jedenfalls fast. Wir kommen darauf zurück.
Es ist wirklich schlimm, alles: die dürftigen Dialoge, die dürftigen dramaturgischen und bildgestalterischen Einfälle, die dürftigen Leistungen eines Ensembles, von dem zu seiner Ehrenrettung angenommen werden mag, dass gegen die Dürftigkeit kein Ankommen war. Die Leistung der Buchvorlage war es ja bereits, die doch eigentlich belastbare Idee, einem freundlichen Versager den Tod als seinerseits freundlichen Versager an die Seite zu stellen, durch völlige formale Hilflosigkeit zu ruinieren, denn was immer Thees Uhlmann kann, schreiben gehört nicht dazu.
Aber nichts goutiert das Publikum so sehr, wie wenn einer auf dem operiert, was da »Augenhöhe« heißt, und auch der Erfolg Til Schweigers erklärt sich so und nicht anders. Und also erleben wir 100 Minuten Laientheater, und zwar eins, das nicht einen Klassiker, sondern was Selbstgeschriebenes aufführt; und erst am Schluss, als Morten de Sarg – das ist das Niveau – endlich hinlangen darf, darf der Kitsch wie eine Adrenalinspritze wirken. Das sagt vermutlich alles.
Doppelbegabungen sind selten, und es müsste Uhlmann nicht verdrießen, dass er, so wenig wie der mitchargierende Rocko Schamoni, nicht auch noch schreiben kann. Muss Charly Hübner noch einmal Regie führen? Wenn er’s noch mal probiert, dann vielleicht nicht nach einem Drehbuch, das eine dürftige Romanvorlage als sakrosankt akzeptiert. Eine Ausrede hat er dann aber nicht mehr.
»Sophia, der Tod und ich«, Deutschland 2023. Regie: Charly Hübner. Mit: Dimitrij Schaad, Marc Hosemann, Anna Maria Mühe. 90 Minuten. Start: 31.8.
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