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Zweites Leben für 9-Euro-Ticket
Seit einem Jahr zahlt der 9-Euro-Fonds Bußgelder für Schwarzfahrer
Sie wollten nicht hinnehmen, dass das 9-Euro-Ticket nach drei Monaten schon wieder Geschichte war: Die Initiative 9-Euro-Fonds wird ein Jahr alt. »Das 9-Euro-Ticket war ein gesellschaftlicher Gewinn. Es hat die soziale Teilhabe gefördert und gezeigt, dass eine klimagerechte Mobilitätswende möglich ist«, sagt Leo Maurer, Sprecher der in Berlin entstandenen Initiative. Mit sieben anderen Aktivist*innen gründete er im August 2022 das Projekt. »Uns war klar: Wir wollen und brauchen dieses Ticket und wir wussten, dass wir einen Großteil der Bevölkerung an unserer Seite haben.«
Der 9-Euro-Fonds ist ein Spendentopf, in den Mitglieder monatlich neun Euro einzahlen. Fortan müssen sie die Fahrscheinkontrolle in Bus, U-Bahn und Tram nicht mehr fürchten. Denn werden sie kontrolliert, wirkt der Fonds wie eine Versicherung, die die »erhöhten Beförderungsentgelte«, also die 60 Euro Strafe fürs Schwarzfahren, bezahlt. In den vergangenen zwölf Monaten wurden rund 208 000 Euro in den Fonds eingezahlt. Davon konnte die Initiative mehr als 2500 Mal das erhöhte Beförderungsentgelt übernehmen.
Für den Erhalt des 9-Euro-Tickets Demonstrationen oder Petitionen zu starten, war für Maurer und seine Mitstreiter*innen keine Option. »Die günstige und einfache Art, mobil zu sein, hatte vor allem Menschen mit geringem Einkommen in ihrem Alltag ganz konkret entlastet«, sagt er. »Deshalb wollten wir an den Erfolg des 9-Euro-Tickets direkt anknüpfen und haben nach Ideen gesucht, wie wir das Mobilitätsangebot fortführen können.«
Nach einem Jahr zieht Maurer eine positive Bilanz. »Wir hatten von Anfang an eine gut gefüllte Kasse, weil es viele Mitglieder gibt, aber auch einige Spender*innen, die einmalig oder regelmäßig höhere Beträge einzahlen.« Manche nutzten den Fonds selbst nicht. Ihnen sei das Projekt wichtig, das sie mit einem solidarischen Beitrag unterstützen wollten.
Solidarität ist ein wichtiges Stichwort. »Wir bekommen viele Mails, in denen uns Menschen schreiben, dass sie den ÖPNV jetzt angstfrei nutzen könnten. Die große Zahl von Unterstützer*innen im Hintergrund erzeugt ein Gemeinschaftsgefühl«, sagt Mauer. »Der Fonds ermöglicht es Menschen, wieder mobil zu sein, und das holt viele auch aus der Vereinzelung heraus.«
Die meisten Zahlungsaufforderungen würden von Menschen aus Großstädten wie München, Hamburg, Köln, Berlin und Dresden an den Fonds weitergeleitet. Auf dem Land werde der Fonds kaum beansprucht, wahrscheinlich, weil der öffentliche Nahverkehr dort oft große Lücken habe und die Menschen eher die Regionalbahn nutzten, für die der 9-Euro-Fonds aber keine Strafzahlungen übernehme. »In Regionalbahnen wird zu oft kontrolliert. Das würde unser Budget in kurzer Zeit aufbrauchen«, erklärt Maurer.
Seit die Satirepartei »Die Partei« die Schirmherrschaft übernommen habe, sei der Fonds gegen rechtliche Angriffe besser geschützt. Auch der Vorwurf, mit der Kampagne wollten die Initiator*innen zum Schwarzfahren animieren, sei weitgehend verstummt. »Wir haben nie Menschen zum Schwarzfahren aufgefordert, denn Fahren ohne Fahrschein ist in Deutschland eine Straftat. Darauf weisen wir auch explizit hin. Wir fordern vielmehr von den politisch Handelnden, dass sie das 9-Euro-Ticket wieder einführen und das Fahren ohne Ticket entkriminalisiert wird. Dazu wollen wir den nötigen Druck aufbauen.«
Denn ein für alle bezahlbarer öffentlicher Nahverkehr verhindere auch, dass arme Menschen zu Ersatzfreiheitsstrafen verurteilt würden und im Gefängnis landeten, weil sie ihre Fahrkarten nicht bezahlen könnten. Dass Menschen das 9-Euro-Ticket brauchten, um ihren Alltag zu bewältigen, weiß die Initiative aus Umfragen und durch etliche Zuschriften. »Manche schrieben uns, dass sie sich die regulären Tickets für die Fahrt zum Facharzt oder den Besuch bei der Familie nicht leisten könnten. Seit es den Fonds gibt, trauen sie sich wieder, mit dem Bus zu fahren.«
Das 49-Euro-Ticket sei keine Alternative. »Es ist zu teuer und zu kompliziert. Damit bleiben Menschen mit geringen Einkommen auf der Strecke und die Autos bleiben auf der Straße«, sagt Maurer.
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