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Sachsens Grüne im Gegenwind

Ansehen der Partei leidet unter eigenen Fehlern und den Dauerattacken von AfD und Koalitionspartner CDU

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Schaden war überschaubar, die Botschaft aber deutlich. Beim »Tag der Sachsen« im erzgebirgischen Aue gab es in der Nacht auf Sonntag einen Anschlag auf den Informationsstand der bündnisgrünen Landtagsfraktion. Unbekannte versuchten, den Pavillon anzuzünden. Von einer »verwerflichen Tat« sprach danach der parlamentarische Geschäftsführer Valentin Lippmann und fügte hinzu, es gehe »die Saat derjenigen auf, die permanent mit Hass und Hetze (...) besonders auch gegen uns Bündnisgrüne agieren«.

Der Anschlag sorgte für Empörung, überrascht aber waren die Betroffenen kaum. Franziska Schubert, in der Oberlausitz beheimatete Chefin der Fraktion, beobachtet auch in ihrem Bürgerbüro zunehmende Aversionen gegenüber Grünen. Diese schlagen sich jetzt auch in Zahlen nieder. Bei einer Umfrage, die das Institut INSA im Auftrag der sächsischen Regionalzeitungen durchführte und die bei der Sonntagsfrage die AfD mit 35 Prozent klar vor der CDU sah, gaben mehr als zwei Drittel an, sie wollten die seit 2019 im Freistaat an der Regierung beteiligten Grünen dort nicht mehr sehen; nur 15 Prozent befürworteten ihr Mitregieren. Eine AfD-Regierungsbeteiligung fände dagegen nicht einmal die Hälfte schlecht oder sehr schlecht, 39 Prozent hielten das für gut oder sehr gut.

Den Grünen, das zeigt die Umfrage überdeutlich, weht in Sachsen der Wind scharf ins Gesicht. Vor allem außerhalb der Großstädte seien sie eine Art »Sündenbock für alles« geworden, sagt Schubert. Ganz gleich, ob es um vom Wolf gerissene Schafe geht, um gestiegene Heizkosten, Gendersternchen oder Flüchtlinge: Die Schuld wird den Grünen in die Schuhe geschoben, »oft ohne es zu hinterfragen«, sagt Schubert.

Die Fraktionschefin sieht ein Gemisch an Ursachen für den Gegenwind. Eine davon sei zweifellos ein gewisses Unverständnis in ihrer Partei für die Lebenswirklichkeit im ländlichen Raum Ostdeutschlands, wo beispielsweise kleine Häuser eine Altersvorsorge darstellen und keine Quelle von Profit. Eine den Grünen unterstellte »Eigentümerfeindlichkeit« werde deshalb wahrgenommen als mangelnde »Wertschätzung für Dinge, die man sich hart erarbeitet hat«, sagt Schubert. Verstärkt wird das durch »handwerkliche Schnitzer« etwa beim Heizungsgesetz des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck, das im ländlichen Osten auch Parteifreunde ärgerte. Politik werde bei den Grünen teils noch zu stark aus der »Perspektive von westdeutschen Großstädten« betrieben, räumt Schubert ein. Es ist ein Kurs, den man im Jahr vor den drei Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen augenscheinlich zu korrigieren bemüht ist. Die Bundestagsfraktion beschloss jetzt unter dem Titel »Mit der Kraft des Landes« ein Papier, das »Leben und Wirtschaften in ländlichen Räumen« in den Blick nimmt. Schubert hofft, dass sich das auch bei der Gestaltung konkreter Gesetze durch die Berliner Ampelkoalition niederschlägt, etwa wenn es um die Zukunft der Krankenhäuser geht. In der Oberlausitz fährt die AfD derzeit eine Kampagne gegen eine drohende Schließung von Kliniken.

Den Hauptschuldigen sieht die Rechtsaußenpartei ausnahmsweise in der CDU. Ansonsten feuert sie bei jeder Gelegenheit gegen die Grünen. Es ist eine Polarisierung, die Schubert schon lange prognostizierte. Während die Grünen unter dem Eindruck des Klimawandels auf eine, wie sie formuliert, »Modernisierung« von Wirtschaft und Gesellschaft drängen, geriert sich die AfD als Fürsprecher derjenigen im Osten, die der Veränderungen müde sind oder ihre Notwendigkeit nicht sehen. Die AfD profitiere von einer »doppelten politischen Entfremdung«, sagte der Görlitzer Soziologe Raj Kollmorgen angesichts der jüngsten Umfrage der Chemnitzer »Freien Presse«. Viele Menschen hätten das Gefühl, ihre Probleme schlügen sich nicht im Regierungshandeln nieder. Gleichzeitig verstünden sie nicht, »wovon die da oben reden, was die von uns wollen und wieso das ein Problem darstellt«. Als Beispiele nannte er die feministische Außenpolitik, das Selbstbestimmungsgesetz oder Klimaschutzmaßnahmen am eigenen Haus. Viele Ostdeutsche neigten laut Kollmorgen dazu, »ihre Unzufriedenheit sofort auf das System zu projizieren« – welches die AfD offen in Frage stellt.

Problematisch und verwerflich ist aus Sicht Schuberts, dass diese Abwehrhaltung nicht nur die AfD kultiviert, sondern auch Sachsens CDU und ihr Ministerpräsident Michael Kretschmer. Dieser holzt seit geraumer Zeit gegen die Grünen, obwohl er mit diesen gemeinsam regiert. Im Juni 2021 warf er ihnen beispielsweise »Übergriffigkeit« vor. In jüngster Zeit verstärken sich die Attacken. So sprach er im Juni von einer »bevormundenden Energie- und Wirtschaftspolitik der Grünen«, die »demütigend für die Menschen in Ostdeutschland« sei. Die »Leipziger Volkszeitung« berichtete kürzlich, dass die verbalen Angriffe ein Kernelement der CDU-Strategie für den anstehenden Wahlkampf sind. Inhaltlich wolle man vor allem die Grünen attackieren, weil man gemerkt habe, dass das »bei einem Teil der Bürgerinnen und Bürger verfängt«. Man wolle den Koalitionspartner zwar nicht »waidwund schießen«, hieß es in dem Artikel. Man gehe aber davon aus, dass die Grünen wegen ihres gefestigten Wählerklientel »den Streit aushalten«.

Schubert hält das für einen gefährlichen Kurs. Kretschmers »Dauerbashing« der Grünen »macht rechte Narrative salonfähig«. Vielmehr sollte er »alles daran setzen, dass es 2024 eine verlässliche und demokratische Regierungsmehrheit gibt.« Aktuell hätte die Koalition von CDU, Grünen und SPD keine Mehrheit. Auch der CDU nützt ihr Kurs nicht. Sie steht bei 29 Prozent. Angesichts dessen solle sie sich »sehr gut überlegen, was sie tut«. Dass die Grünen bei nur sechs Prozent geführt werden, beunruhigt Schubert nicht. Ein Jahr vor der letzten Landtagswahl habe INSA den gleichen Wert erfasst. Bei der Wahl im September 2019 waren es 8,6 Prozent.

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