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Polizei gegen häusliche Gewalt: Übergriffige Hilfe hilft nicht
Unerwünschte Polizeieinsätze verhindern keine Beziehungsgewalt, sondern gefährden die Betroffenen
Fast jeden Tag versucht ein Partner oder Ex-Partner, eine Frau zu töten. Jeden dritten Tag gelingt es. Diese Statistik zu Beziehungsgewalt in Deutschland wird häufig zitiert und verliert doch nichts an ihrer Eindrücklichkeit: Einer der gefährlichsten Orte für Frauen ist ihr Zuhause.
Und einer der gefährlichsten Momente in einer gewaltvollen Beziehung ist die Trennung. Denn stellt die Betroffene die Verfügungsgewalt des Täters in Frage, kann sein Streben nach absoluter Kontrolle bis zum Mord führen.
Angesichts einer derartigen Bedrohungslage erscheint der Gesetzentwurf der brandenburgischen Regierung fahrlässig bis ignorant. Die rot-schwarz-grüne Koalition will es der Polizei ermöglichen, die Kontaktdaten von Gewaltbetroffenen gegen ihren ausdrücklichen Willen an Beratungsstellen weiterzugeben. Die Begründung: Zu selten fänden Opfer selbstständig ihren Weg zu Hilfsangeboten.
Einmal abgesehen von der krassen Entmündigung würde das Gesetz damit potenziell lebensgefährliche Situationen schaffen: Was, wenn die Beraterin anruft und der Täter geht ans Telefon? Was, wenn die Stelle jemanden vorbeischickt und der Täter öffnet die Tür? Die gewaltbetroffenen Personen brauchen Hilfe. Doch wann sie diese Hilfe sinnvoll und sicher annehmen können, kann nicht die Polizei entscheiden.
Es geht noch weiter: Auch Ärzt*innen und Sanitäter*innen sollen von ihrer Schweigepflicht entbunden werden, um Informationen an die Polizei weiterzuleiten. Die elementare Möglichkeit, sich jemandem anzuvertrauen, ohne mit einem Polizeieinsatz rechnen zu müssen – die fiele dadurch weg.
Was Betroffenen wirklich hilft: Schutzorte, wo sie sich nach einer Trennung sicher fühlen und auch mittelfristig bleiben können. Davon gibt es in Brandenburg und Berlin jedoch viel zu wenige. Wenn dann die Polizei überraschend vor der Tür steht, das Frauenhaus aber leider gerade keinen Platz frei hat – dann wäre der Gesetzentwurf wirklich nur »gut gemeint«.
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