Fußfessel hält prügelnde Ehemänner nicht auf

Fachleute zerpflücken im Innenausschuss des Landtags Gesetzentwurf zur Verhinderung häuslicher Gewalt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

»Gut gemeint, aber misslungen.« So deutlich fällt Hartmut Aden sein Urteil über einen Gesetzentwurf der rot-schwarz-grünen Landesregierung. Anliegen des Gesetzes ist die Verhinderung häuslicher Gewalt. Ein wichtiges Anliegen. Da stimmen alle Fachleute überein, die sich am Mittwoch in einer Anhörung im Innenausschuss des Landtags zu dem Gesetzentwurf äußern, darunter auch Aden, Vizepräsident der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht.

Er und andere fragen aber, was die elektronische Fußfessel bringen soll, die das Land Brandenburg Männern anlegen will, die ihre Partnerin misshandeln. Offensichtlich werde überschätzt, was so eine Fußfessel leisten kann, sagt Aden. Er bezweifelt auch, ob es sinnvoll sei, bedrängten Frauen eine neue Identität zu verschaffen. Zusammenfassend sagt Aden den Abgeordneten: »Ich würde Ihnen empfehlen, hier noch einmal gründlich nachzubessern.«

»Gut gemeint, aber doch misslungen« – dieser Einschätzung schließt sich Thomas Feltes an der Ruhr-Universität Bochum an. In seinen Augen ist der Gesetzentwurf »unsauber« und »würde einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten«. Er muss schmunzeln bei der standardmäßigen Versicherung, das Gesetz würde nur geringe Kosten verursachen. Feltes prophezeit ganz erhebliche Kosten. Denn der Glaube an die unterdrückende Kraft von Polizei und Justiz sei nicht gerechtfertigt. Deren repressive Maßnahmen seien nur auf kurze Sicht billiger. Langfristig hätte die Gesellschaft viel höhere Kosten zu tragen. Besser sei, Beratung und Vorbeugung auszubauen.

In den USA sei man in den 1970er Jahren rigoros gegen die häuslichen Gewalttäter vorgegangen, berichtet Feltes. Wer auch nur in den Verdacht geraten sei, den habe man gleich für ein halbes Jahr ins Gefängnis gesperrt. Doch das habe den Opfern nicht mehr Sicherheit gebracht, sondern weniger – und darum sei man davon wieder abgegangen. Denn wenn die Männer nach sechs Monaten freikamen, vergriffen sie sich umso schlimmer an ihren Opfern.

Bei einer elektronischen Fußfessel wird bei einer Überwachungszentrale ein Signal ausgelöst, wenn der Mann sich einem Bereich nähert, den er nicht betreten darf – etwa wegen eines Kontaktverbots die Wohnung oder die Arbeitsstelle seiner Ex-Frau. Es gibt dazu auch ein zweites Gerät, das von der Frau freiwillig getragen werden kann. Sie erhält dann eine Warnung, wenn sie beispielsweise gerade einkaufen geht und der Mann ihr zufällig über den Weg läuft oder sie abzupassen versucht.

Kriminalpolizistin Christiane Feichtmeier befürwortet im Namen der Gewerkschaft der Polizei die Einführung von elektronischen Fußfesseln für prügelnde Ehemänner. Bei ihr in Bayern gibt es dieses Mittel zur Überwachung des Kontaktverbots bereits. Dort wurde die Fußfessel in bislang drei Fällen eingesetzt. Die Betroffenen haben sich dann an ihre Auflagen gehalten. Aber ob sie durch die Fußfessel von einem Verstoß abgehalten wurden oder es sowieso nicht getan hätten, lässt sich nur vermuten. Auch dass Täter »verdonnert« werden können, sich beraten zu lassen, findet Feichtmeier gut. Ob die das dann alle nur über sich ergehen lassen und ihr Verhalten doch nicht ändern, kann die Polizistin allerdings nicht sagen. Sie meint aber: »Wenn es nur bei einem wirkt, wäre das schon ein Gewinn.«

Ähnlich äußert sich Brandenburgs Gleichstellungsbeauftragte Manuela Dörnenburg zur Fußfessel. Die Erhöhung der Fallzahlen häuslicher Gewalt um 20 Prozent während der Corona-Pandemie zeigt für Dörnenburg einen erhöhten Handlungsbedarf an. Sie begrüßt alle vorgesehenen Maßnahmen wie auch die Fußfessel: »Wenn es ein Opfer weniger gibt, dann hat es genutzt.«

Mit solchen Sichtweisen kann sich Thomas Feltes allerdings überhaupt nicht abfinden. Ihn erschüttert, dass die Fußfessel auch vorsorglich zur Anwendung kommen soll, wenn ein erneutes Ausrasten eines Partners nur vermutet wird. Mit der leisen Hoffnung, eventuell eine Gewalttat zu verhindern, Hunderte Menschen vorzuverurteilen und ihre Grundrechte massiv einzuschränken, dies sei verfassungsrechtlich bedenklich, betont Feltes.

Noch mehr ärgert Feltes der Plan, die Kontaktdaten von Opfern sogar gegen deren ausdrücklichen Willen an Beratungsstellen weiterzugeben, damit diese sich melden und Hilfe anbieten können. Normalerweise erhalten die Frauen bisher ein Faltblatt mit den Kontaktadressen von Beratungsstellen. Die Frauen befinden sich aber derart im Schockzustand, dass selten einmal eine bei einer Beratungsstelle anruft. Feltes sagt: »Es erschreckt mich schon, wie man hier Frauen entmündigt und ihnen eigene Entscheidungen abspricht.« Er bezieht sich damit auf eine Formulierung im Gesetzentwurf, laut der ein entgegengesetzter Wille des Opfers unerheblich sei. Ähnlich verhält es sich Feltes zufolge mit der Idee, dass Rettungsärzte und -sanitäter Informationen an die Polizei weiterleiten sollen. »Hier wird die ärztliche Schweigepflicht angetastet.« Das würde auch das Vertrauen der Opfer zu den Sanitätern untergraben, warnt Feltes.

Auch die Landesdatenschutzbeauftragte Dagmar Hartge hegt Bedenken. Es gebe keine zweifelsfreien Belege dafür, dass Fußfesseln wirklich abschrecken, sagt sie und nennt einen Fall aus Frankreich, wo ein Islamist trotz Fußfessel einen Terrorakt in einer Kirche verübte. Professor Feltes sagt, die Theorie einer abschreckenden Wirkung sei sogar bereits widerlegt. Dass eine Polizeistreife schnell zur Stelle ist, darf ausgeschlossen werden. Da bei diesen Fesseln Fehlalarme so häufig seien wie bei Alarmanlagen, habe sich die Polizei abgewöhnt, zeitnah zu reagieren, erklärt Feltes.

Die CDU-Landtagsabgeordnete Barbara Richstein fordert als Landesvorsitzende der Opferhilfe »Weißer Ring« den Einsatz der Fußfesseln. Dabei weiß sie, dass diese Fessel selbst Tötungsdelikte nicht verhindern konnte.

Juliane Moosdorf vom Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser begrüßt das Ausstellen von Tarndokumenten. Schließlich kennt sie Fälle, bei denen Opfer schon ins siebente Frauenhaus wechseln mussten, weil der sie verfolgende Partner ihren Aufenthaltsort immer wieder herausfand.

Die Anhörung habe erkennen lassen, dass es eine breite Zustimmung zu den geplanten Veränderungen geben sollte, sagt der Landtagsabgeordnete Andreas Noack (SPD). Die Bedenken von Aden, Feltes und Hartge wischt er damit beiseite. Kommentar

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