Österreich: Er ist wieder kurz da

Natascha Strobl über ein mögliches Comeback von Ex-Kanzler Sebastian Kurz

Österreich ist ein lustiges Land. Die geneigten Leser*innen dieser Kolumne wissen das. Vieles ist sehr schön an Österreich. Es gibt imposante Berge, wunderbare Seen und – man verzeihe mir den Anflug von Lokalpatriotismus – die besten Süßspeisen der Welt. Zwischen Bergen und Seen liegen satte, grüne Wälder, und es ist generell sehr sicher und lebenswert hier. Auf die Bahn ist man stolz, und die Öffentlichen in der Hauptstadt kommen alle drei bis fünf Minuten.

Aber es gibt da noch die Politik, die immer weniger erklärbar wird. Wir erinnern uns: Sebastian Kurz wurde Kanzler, nachdem er sich in der eigenen Partei quasi nach oben geputscht und den amtierenden Parteichef Reinhold Miterlehner abserviert hatte. Er wurde allgemein als Wunderwuzzi gefeiert. Endlich war man wieder wer.

Das Erfolgsrezept von Kurz war schon das Erfolgsrezept von Jörg Haider: jung, schön und eine Projektionsfläche für Schwiegermutterträume und Männerfantasien. Folgerichtig formierte sich eine Koalition aus ÖVP und FPÖ, die dann wegen des Ibiza-Skandals zerbrach. Nach den Neuwahlen formte Kurz eine Koalition mit den Grünen, und das Parlament begann mit der Aufarbeitung von Ibiza, das immer mehr auch zum ÖVP-Skandal wurde. Dann gab es noch Chats und den Versuch, die Staatsanwaltschaft abzumontieren. Irgendwann musste Kurz tatsächlich zurücktreten, weil eine Anklage gegen ihn im Raum stand. Das alles geschah während einer weltweiten Pandemie, einem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und einer Inflation samt Energiekrise. Österreich ist eben ein lustiges Land.

Natascha Strobl

Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextremer Sprache und faschistischen Ideologien, für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«. Darin widmet sie sich der Neuen und Alten Rechten und allem, was sich rechts der sogenannten Mitte rumtreibt. Alle Texte auf dasnd.de/umtriebe.

Mittlerweile ist Sebastian Kurz tatsächlich angeklagt. Ihm wird vor allem Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss vorgeworfen. Ermittelt wird bzw. wurde auch wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit. Mit der Anklageerhebung begann auch die Litigations-PR seines Teams: Kurz kam der offiziellen Anklageerhebung zuvor und beschwerte sich darüber, dass er die Anklage aus den Medien erfahren musste. Es war aber umgekehrt: Die Medien haben es von Kurz erfahren. Aber wen interessieren schon Details. Es folgten »spontane« Urlaubsfotos ganz bürgernah in Italien mit Frau und Kind. Kurz ist quasi einer von uns, der mit dem Auto nach Italien fährt und am Boden geblieben ist. Schließlich arbeitet er mittlerweile für den Kulturkampf-Milliardär Peter Thiel und gibt sich als Start-up-Investor von Dubai bis ins Waldviertel. Ein Mann von Welt eben.

Der neueste Streich sind zwei Kino-Dokumentationen über ihn. Eine davon ist lange angekündigt und bietet einen kritischen Blick. Zwei Wochen vor dem Start dieser Dokumentation kam plötzlich noch eine weitere ins Kino, die eher in den Bereich Schmeichelei fällt. So trat Kurz und fast die gesamte ÖVP-Polit-Prominenz bei der Premiere auf, als sei nichts gewesen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka war genauso zugegen wie (Ex-)Minister und Ministerinnen sowie Abgeordnete. Alle wollten ein Selfie mit ihrem ungebrochenen Idol Sebastian Kurz. Gefeiert wurde anschließend mit Kanzler Karl Nehammer, der nicht einmal bemerkte, wie sehr er an seiner eigenen Demontage mitwirkt.

Es wurde auch ein Drei-Kanzler-Foto geschossen. Nach Kurz’ Rücktritt wurde Außenminister Alexander Schallenberg Kanzler, der nach wenigen Wochen merkte, dass es ihn doch nicht freut. Also übernahm Innenminister Nehammer. Mitten in der Pandemie. Kann man alles lustig finden und darüber scherzen, es hatte nur eine handfeste politische Krise und Verdruss zur Folge. In Österreich hat man es eben gerne lustig.

In Wahrheit nutzt Kurz denselben politischen Stil wie Donald Trump in den USA. Im Versuch, sich selbst reinzuwaschen, wird jeder Schaden am politischen System nicht nur akzeptiert, sondern auch einkalkuliert. Hauptsache, man selbst und die eigene politische Clique, die Familie, gewinnt. Hauptsache, man hat es den anderen gezeigt.

So ist es auch möglich, dass Kurz – genauso wie Trump – in die Politik zurückkommt. Jede Form von Verantwortung, jeder Schutzmechanismus der Demokratie wäre dann zwar kaputt, aber wen interessiert es. Diese Leute leben vom Zerstören und nennen es Disruption. Österreich ist ein lustiges Land.

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