Werbung

Die Oslo-Abkommen zementierten das Machtungleichgewicht

Nach 30 Jahren »Friedensabkommen« zwischen Israel und den Palästinensern bleibt nur die Ein-Staaten-Lösung

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.

30 Jahre ist es mittlerweile her, dass den Palästinensern Hoffnung gemacht wurde, dass sie in nicht zu ferner Zukunft ihren eigenen Staat haben würden. Nichts von diesem Versprechen wurde eingelöst: Bis heute leben über zwei Millionen Palästinenser im Westjordanland unter Besatzung des israelischen Militärs; im hoffnungslos übervölkerten Gaza-Streifen sind die Lebensbedingungen unmenschlich. Der sogenannte Osloer Friedensprozess nahm einen hollywoodreifen Anfang im Weißen Haus mit dem zur Ikone erstarrten Händedruck zwischen Jassir Arafat und Jitzchak Rabin, die sich wie Filmstars bei einem Festival von ihrer besten Seite zeigen wollten. Herausgekommen ist letztlich nicht viel, wenn man nach 30 Jahren Bilanz zieht: ein bisschen palästinenesische Selbstverwaltung durch eine korrupte Machtelite um Präsident Mahmud Abbas.

Musste das Oslo-Abkommen von 1993 scheitern? Die norwegische Wissenschaftlerin Hilde Henriksen Waage sieht den Grund für den Misserfolg im Machtungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern. Waage lehrt Geschichte an der Universität Oslo und hat schon 2001 vom Außenministerium den Auftrag erhalten, Norwegens Rolle bei den Friedensverhandlungen kritisch zu beleuchten. Ihre Aufarbeitung der Geheimverhandlungen und was daraus folgte, mündet in einem ernüchternden Fazit: »Arafat und die PLO waren schwach zu diesem Zeitpunkt«, erklärte Hilde Waage gegenüber der »Deutschen Welle«. Israel habe gewusst, dass Arafat dadurch bereit sein würde, »mehr Zugeständnisse zu machen«. Ihre Schlussfolgerung: »Israel war einfach die stärkere Partei. Die PLO hingegen stand unter Druck. Sie wollte wieder auf der Bühne erscheinen und für einen Staat Palästina kämpfen.«

Die PLO war tatsächlich politisch geschwächt, weil sie sich im Krieg um das besetzte Kuwait 1991 auf die Seite von Iraks Diktator Saddam Hussein geschlagen hatte. Das ließen sich Israel, aber auch die USA teuer bezahlen: Eine Folge dieser Schwäche der palästinensischen Seite war, dass wichtige Fragen bei den Verhandlungen ausgeklammert wurden: der Status von Jerusalem, die Räumung der Siedlungen, die Rückkehr der vertriebenen Palästinenser, die Grenzen des zu gründenden palästinensischen Staats.

Hilde Henriksen Waage war bei ihrer Untersuchung vor allem der Frage nachgegangen, wie viel »Manöver-Spielraum« in so einem asymmetrischen Machtverhältnis überhaupt vorhanden sei. Die Historikerin kam zu dem Schluss: sehr wenig. Der Stärkere gebe immer den Ton an. »Norwegen hat das gewusst und in diesem Punkt nachgegeben, es hat gewusst, dass die Verhandlungen zugunsten von Israel ablaufen mussten, denn sonst hätte es kein Abkommen gegeben.« Daher sei Norwegen nicht nur ein »facilitator« gewesen, wie es einer der damaligen norwegischen Unterhändler, Jan Egeland, nannte, sondern ein »voreingenommener Vermittler«. Das Oslo-Abkommen habe die Asymmetrie im Machtverhältnis sogar zementiert.

Ein sichtbares Hindernis für einen eigenständigen palästinensischen Staat sind die jüdischen Siedlungen im Westjordanland: Während 1993 rund 110 000 israelische Siedler im Westjordanland lebten, ist die Zahl heute auf mehr als eine halbe Million gestiegen und hat sich damit verfünffacht. Die Siedler leben inmitten der Palästinenser. Die Siedlungen werden von den Vereinten Nationen als großes Hindernis für eine Friedensregelung beider Seiten eingestuft.

Offiziell halten die involvierten Regierungen die Zwei-Staaten-Lösung rhetorisch am Leben, faktisch ist sie tot. Nur sagt das kein Staatsmann öffentlich. Bliebe die Ein-Staaten-Lösung: Israelis und Palästinenser lassen sich auf ein gleichberechtigtes Zusammenleben ein und akzeptieren den jeweils anderen als Nachbarn. »Die meisten Palästinenser und Israelis sind nach Oslo erwachsen geworden«, schreibt der palästinensische Analyst Marwan Bishara auf Al-Jazeera. »Es liegt an ihnen, einen neuen Weg in die Zukunft einzuschlagen, frei von den Illusionen ihrer Eltern.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -