Großbritannien will zurück zu Frontex

Offizieller Antrag beim EU-Gipfel Anfang Oktober

Die britische Regierung hat mit der Europäischen Union eine vorläufige Vereinbarung über die Mitarbeit bei Frontex getroffen. Der Premierminister Rishi Sunak will diesen Status als »Drittstaat« Anfang Oktober bei einem Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs in Granada offiziell beantragen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf »mit der Angelegenheit vertraute Personen«. Bis Ende dieses Monats soll demnach ein Entwurf für ein Abkommen mit Frontex vorliegen, das dann nach einem Genehmigungsverfahren beider Seiten von der EU-Kommission und der Regierung in London unterzeichnet werden kann.

Die damaligen EU-Staaten hatten Frontex 2004 als gemeinsame Grenzagentur gegründet. Frontex koordiniert außerdem die Umsetzung des sogenannten Schengen-Aquis und die damit verbundenen Vorgaben zur Kontrolle aller Außengrenzen des Schengen-Raums. Zu diesem gehören Norwegen, Liechtenstein, die Schweiz und Island. Auch diese Länder tragen zum Gesamthaushalt für Frontex bei und beteiligen sich an gemeinsamen Operationen. Wie viel Geld Großbritannien jährlich an Frontex bezahlen will, ist nicht bekannt.

Der Antrag zur Kooperation mit Frontex ist ein weiterer Versuch des Vereinigten Königreichs, die EU-Zusammenarbeit zu normalisieren. Mit dem Brexit musste Großbritannien ab dem 1. Januar 2021 den »Europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts« verlassen, das Land wurde aus EU-Sicht zu einem Drittstaat.

Zur Bekämpfung und Verfolgung von grenzüberschreitender Kriminalität und Terrorismus dürfen britische Behörden aber weiterhin an wichtigen EU-Informationssystemen teilnehmen und auch mit Agenturen kooperieren. So regelt es das vorläufige »Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland«, das vor dem Brexit in letzter Minute ausgehandelt worden war. Zu dieser privilegierten Partnerschaft gehört die weitere Teilnahme an einigen Polizeidatenbanken der Schengen-Staaten.

Anders ist dies bei den EU-Agenturen, zu denen auch Europol gehört. Gemäß dem Austrittsabkommen darf Großbritannien Verbindungsbeamte zur Europol-Zentrale in Den Haag entsenden und das gesicherte Nachrichtensystem mitbenutzen, über das die Polizeien aller Europol-Mitglieder kommunizieren. Außerdem dürfen britische Behörden an operativen Sitzungen bei Europol teilnehmen. Wichtiger ist jedoch die Möglichkeit, an Europol-Analyseprojekten mitzuwirken. Diese betreffen mit der Bekämpfung von »Migrantenschmuggel« auch den Bereich der Migration.

Die geplante Frontex-Vereinbarung folgt auf die jüngst beschlossene Wiederaufnahme Großbritanniens in das milliardenschwere EU-Forschungs- und Innovationsförderprogramm »Horizon Europe«, in dem auch zahlreiche Vorhaben zur Migrationsabwehr beforscht und entwickelt werden. Ebenfalls geplant ist die britische Teilnahme am Erdbeobachtungsprogramm »Copernicus«, mit dem unter anderem Frontex Migration in die EU frühzeitig erkennen und stoppen will. Großbritannien darf damit Bilder von EU-Satelliten nutzen, etwa um das Übersetzen von kleinen Booten mit Geflüchteten aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich besser zu kontrollieren.

Auf die Eindämmung dieser Überfahrten hätte eine Frontex-Vereinbarung keine unmittelbare Auswirkung. Denn bei dem Phänomen der »kleinen Boote« handelt es sich um irreguläre Ausreisen aus der EU, die nicht strafbar sind.

Jedoch gehört zum Frontex-Mandat auch die gemeinsame Verfolgung von Schleusungen mithilfe von Europol. Hierzu arbeiten britische Polizeibehörden bereits mit Anrainern des Ärmelkanals sowie Deutschland eng zusammen. 2021 hatte Frontex zu diesem Zweck bereits ein Flugzeug aus Dänemark zu Patrouillen an den Ärmelkanal geschickt.

Auf Anfrage des »nd« hat Frontex die laufenden Verhandlungen mit dem Innenministerium des Vereinigten Königreichs für ein gemeinsames Abkommen bestätigt. Die Agentur arbeite dazu »eng mit der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten zusammen«. Zum jetzigen Zeitpunkt könne die Sprecherin aber keine weiteren Informationen geben.

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