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Polen: Hungerstreiks in »bewachten Zentren«
In Polen inhaftierte Geflüchtete protestieren gegen Unterbringung in Gefängnislagern
Mehrere Tage lang waren über 70 Geflüchtete im polnischen Przemyśl in der vergangenen Woche im Hungerstreik, einige hatten auch keine Flüssigkeit mehr zu sich genommen. Ihr Protest in einem Flüchtlingsgefängnis begann am Dienstag und wurde am Samstag gewaltsam beendet. Maskierte Polizisten haben die Anstalt in der Nähe der Karpaten an der ukrainischen Grenze gestürmt und einige der Hungerstreikenden dabei verletzt.
Laut der solidarischen Grupa Granica seien die Insassen von der Polizei eingeschüchtert und bedroht worden. Einer der Demonstranten sei ins Krankenhaus gebracht, andere in Gewahrsam genommen worden. Nachdem die Polizei weitere Verhaftungen oder sogar Isolationshaft angedroht habe, hätten die Menschen ihren Protest gestoppt.
Auch der polnische Beauftragte für Bürgerrechte hat das Gefängnis vergangene Woche besucht, er ist unter anderem für den Nationalen Mechanismus zur Verhütung von Folter verantwortlich. Ihm gegenüber haben die in Przemyśl inhaftierten Männer die überlange Dauer der sie betreffenden Verwaltungsverfahren und die damit verbundene Verlängerung ihres Aufenthalts in der Einrichtung als »Grund für ihre Frustration und gedrückte Stimmung« genannt. Der Auslöser für die Proteste soll auch der Selbstmordversuch eines Insassen Ende Juli gewesen sein, schreibt die Grupa Granica.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Polnischen Behörden zufolge sollen sich in Przemyśl derzeit 93 »Ausländer« befinden, deren Identität ungeklärt ist oder die auf eine Entscheidung über ihr Asylverfahren warten. Przemyśl ist eines der sechs berüchtigten Gefängnislager, in denen die Regierung Asylsuchende unterbringen lässt. Offiziell firmieren diese als »bewachte Zentren« und stehen unter Verwaltung der Grenzschutzbehörden. Betroffen sind ausschließlich Menschen, die über Belarus nach Polen eingereist sind. Die meisten von ihnen kommen aus Krisenstaaten wie etwa Syrien, Irak, Iran, Afghanistan, Pakistan, Kamerun, Niger oder Somalia. Viele wollen eigentlich nach Deutschland weiterreisen und dort ihren Asylantrag stellen.
In den umzäunten Lagern mit vergitterten Fenstern waren bereits Tausende Männer, Frauen und Kinder eingesperrt. Laut der Grupa Granica sollen im ersten Halbjahr 2023 über 1000 Menschen dort hingebracht worden sein, darunter 56 Minderjährige. Ihre Haft kann von sechs Monaten auf bis zu 18 Monate verlängert werden. Über die Dauer der Unterbringung und die mögliche Verlängerung entscheidet ein Gericht, mögliche Alternativen zur Inhaftierung werden dabei nicht berücksichtigt.
Auf einer Veranstaltung am Montag in Berlin haben Betroffene über die inhumanen und unhygienischen Zustände in den »bewachten Zentren« berichtet, wonach den Insassen in überbelegten Räumen mitunter nur zwei Quadratmeter pro Person zustehen. Häufig wird der Zugang zu anwaltlicher Unterstützung oder medizinischer Versorgung verweigert, selbst lebensbedrohliche Krankheiten werden nicht behandelt. Rassistische, sexistische, verbale und physische Angriffe gehören zum Alltag. Besuche sind in den Lagern nicht erlaubt, die Eingesperrten erhalten auch kaum Informationen über ihr Asylverfahren in Polen. Hilfe erhalten die Menschen ausschließlich von lokalen Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsverteidigern, die selbst von polizeilicher Repression betroffen sind.
Am Sonntag protestieren polnische Aktivisten vor der Anstalt in Przemyśl mit Plakaten, auf denen die Forderungen der Insassen notiert waren. Dazu gehören das Ende der verbalen und psychologischen Gewalt sowie von Elektroschocks und Prügel durch die Wärter. Pakete, die an die Häftlinge geschickt werden, sollen ausgehändigt und nicht weggeworfen werden. Derzeit dürfen die Gefangenen monatlich nur rund 20 Euro für den täglichen Bedarf ausgeben. Auch die Anzahl und Qualität der Mahlzeiten im Gefängnis sollen erhöht bzw. verbessert werden. Die Gefängnisleitung soll zudem mehr Sozialarbeiter sowie Dolmetscher einstellen. Zu den Forderungen gehört außerdem die Übernahme von Reisekosten zu den »offenen Zentren« durch den Staat, nachdem die Inhaftierten aus den »bewachten Zentren« entlassen wurden.
Immer wieder treten die Insassen der sechs »bewachten Zentren« in den Hungerstreik, die Aktion in Przemyśl war jedoch die bislang größte dieser Art in Polen. Kleinere Hungerstreiks soll es der Grupa Granica zufolge weiterhin in Krosno Odrzański geben, wo zwei Personen damit ihren Protest ausdrücken. In Kętrzyn verweigert eine Person seit Mitte August das Essen.
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