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Viel Gesprächsbedarf auf Malta
US-Sicherheitsberater Jake Sullivan und der chinesische Außenminister Wang Yi halten Arbeitstreffen ab
An Gesprächsstoff mangelte es Wang Yi und Jake Sullivan nicht. Zwölf Stunden dauerten die Beratungen zwischen dem chinesischen Direktor des Büros der Zentralen Kommission für auswärtige Angelegenheiten, der seit Juli auch wieder den Posten des Außenministers bekleidet, und dem Sicherheitsberater von US-Präsident Biden.
Das Treffen der beiden Regierungsvertreter reiht sich ein in eine Reihe von Gesprächen in verschiedenen Konstellationen, die die Beziehungen zwischen den Großmächten verbessern sollen. Denn in den letzten Jahren haben die Spannungen zwischen Washington und Peking stetig zugenommen. US-Finanzministerin Janet Yellen, der Sondergesandte für Klimaschutz John Kerry, Handelsministerin Gina Raimondo sowie Außenminister Antony Blinken reisten bereits nach China, nachdem die Präsidenten Xi Jinping und Joe Biden beim G20-Gipfel in Bali im November Gespräche geführt hatten. Dieses Jahr war Xi dem G20-Gipfel in Indien aber ferngeblieben. Sullivan und Wang sehen sich dieses Jahr nicht zum ersten Mal, bereits im Mai trafen sie in Wien zusammen.
Beim Anschlusstreffen auf Malta stand eine Liste von altbekannten Streitpunkten und neuen Auseinandersetzungen auf der Agenda. Gerade das Thema Taiwan sorgt seit Jahren für Konflikt. Die USA müssten »ihren Zusagen nachkommen, die Unabhängigkeitsbestrebungen Taiwans nicht zu unterstützen«, heißt es in der chinesischen Erklärung nach dem Treffen mit Bezug auf das Shanghai-Protokoll von 1972, in dem die USA die Einheit Chinas anerkannten. Man nehme die »Wichtigkeit von Frieden und Stabilität« auf beiden Seiten der Straße von Taiwan wahr, erklärte das Weiße Haus nach den Gesprächen.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Erst vor kurzem hatten die USA dem selbstverwalteten Inselstaat neue Waffenlieferungen zugesichert. Die Verärgerung darüber ist in Peking groß. Über viele Jahre hatte man dort betont, man strebe eine friedliche Wiedervereinigung an, inzwischen schließt man auch militärische Mittel nicht mehr explizit aus. Die Taiwan-Frage sei »die wichtigste rote Linie« in den US-China-Beziehungen, so der Wortlaut der chinesischen Erklärung.
Nichtsdestotrotz hieß es aus US-Regierungskreisen, es gebe »beschränkte« Fortschritte bei der Wiederherstellung von Kommunikationskanälen zwischen den Streitkräften beider Länder. Diese waren nach dem Taiwan-Besuch der damaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi im August 2022 unterbrochen worden. Von chinesischer Seite wurden diese Aussagen nicht bestätigt. Als Hindernis gelten die US-Sanktionen gegen Verteidigungsminister Li Shangfu, der aber seit Ende August nicht mehr öffentlich aufgetreten ist. Hintergrund sollen offenbar Korruptionsvorwürfe sein.
Auch die Exportbeschränkungen der USA und ihrer Verbündeten, die offiziell mit Sicherheitsinteressen begründet werden, sorgen für Ärger – denn unter vorgehaltener Hand gibt man auch in Washington zu, dass diese verhindern sollen, dass China technologisch zum Westen aufschließt. Der Elektronikkonzern Huawei, ein Prestigeprojekt der chinesischen Industriepolitik, ist durch den Wegfall von westlichen Lieferanten unter Druck geraten. Chinas Entwicklung habe aber »starke und endogene Antriebe«, ließ die chinesische Delegation verlauten, die einer »unausweichlichen historischen Logik« folgten und »nicht aufzuhalten« seien. Das chinesische Volk habe ein »legitimes Recht auf Entwicklung« – die Erklärung zum Thema war vor allem eine Demonstration der Entschlossenheit, den Maßnahmen zu trotzen.
Experten gehen etwa davon aus, dass China seine Anstrengungen, Vorsprung auf dem Gebiet der Softwareentwicklung zu erlangen, verstärken wird, um auch ohne Zugang zur neuesten Hardware mit dem Technologiestand im Westen mithalten zu können. Da die wirtschaftliche Erholung von der Corona-Pandemie in China aktuell nur schleppend verläuft, reagiert man besonders empfindlich auf die neuen Handelsbarrieren.
In den USA ist man zwar bemüht, deren beschränkten Umfang zu betonen – anders als etwa Regierungsvertreter unter Donald Trump spricht die Biden-Regierung nicht mehr von einer allgemeinen wirtschaftlichen »Entkopplung« als Ziel. Stattdessen charakterisiert man die geschützten Branchen lieber als »kleinen Garten mit hohen Zäunen«. In Peking betont man hingegen, mit dieser Strategie fügten die USA ihren eigenen Unternehmen Schaden zu.
Auch über den Krieg in der Ukraine, die Situation in Korea sowie über andere strategische Fragen sei gesprochen worden, erklärten beide Seiten. Eine vollständige Tagesordnung wurde nicht veröffentlicht – als sicher gilt aber, dass der Dissens in vielen Fragen groß ist. »Die meisten chinesischen Expertinnen und Experten (...) sind sich einig darin, dass die Beziehungen unter Biden sogar noch schlechter sind als unter Trump«, so Robert Daly, Direktor des Kissinger Institute on China and the United States am Woodrow Wilson Center, einem Thinktank in Washington D.C. Es sei aber wichtig, die tatsächlichen chinesischen Ziele im Auge zu behalten. China strebe »nicht die Weltherrschaft an«.
Beide Seiten sprachen von »offenen, substanziellen und konstruktiven« Gesprächen. »Das Treffen war Teil der fortwährenden Bemühungen, Kommunikationskanäle offenzuhalten und die Beziehungen verantwortungsvoll zu gestalten«, ließ die US-Delegation verlauten. Weitere Gespräche zwischen hochrangigen Vertretern seien geplant. Ob der Tiefpunkt der Beziehungen durchschritten ist, bleibt abzuwarten. Wang will Montag nach Moskau weiterreisen, um dort mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow zu sprechen.
Spektakuläre Durchbrüche sind von Arbeitstreffen wie in Malta eher nicht zu erwarten. Doch von einer Verbesserung der US-China-Beziehungen hängt wohl die Lösung einer ganzen Reihe von globalen Problemen, von einem Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine bis zu Fortschritten bei der Lösung der Klimakrise ab.
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