Linke fordert Ganztagsbetreuung für Jugendliche mit Behinderung

Vor und nach dem Unterricht fehlt es an Betreuung für Kinder und Jugendliche mit Behinderung – die Brandenburger Linke will das ändern

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Teilhabe an Bildung und Freizeit für behinderte Jugendliche ist aus Sicht der Linken allenfalls bruchstückhaft umgesetzt. Am Montag wurde ein parlamentarischer Antrag vorgestellt, der hier Abhilfe schaffen soll. Auch andere Fraktionen wurden auf dem Bildungsfeld aktiv. Die bildungspolitische Sprecherin der Linke-Fraktion, Kathrin Dannenberg, bemerkte positiv, dass eine wesentliche Richtlinie verlängert und auch rückwirkend wieder in Kraft gesetzt werden soll. Doch müsse dieser Katalog in wichtigen Punkten erweitert werden.

Um zu erreichen, dass die Betreuung aller behinderten Kinder auch nach der Schule gewährleistet ist, muss laut Dannenberg das Recht auf fachlich fundierte Betreuung nicht nur nach Unterrichtsende, sondern – je nach Bedarf – bereits vor Unterrichtsbeginn und vor allem in den Ferien gewährleistet sein. Der Initiative zufolge sollen Eltern »unabhängig von ihrem beruflichen Beschäftigungsumfang« Anspruch auf Leistungen haben. Bislang hätten nur Eltern in Vollbeschäftigung diesen Anspruch geltend machen können. Die derzeit gewährten 300 Euro pro Kind und Monat reichen laut Dannenberg nicht aus. Die öffentliche Hand müsse die Personalkosten »entsprechend dem Bedarf« und nach dem erforderlichen Umfang der Heilpädagogik sichern. Im Antrag ist hervorgehoben, dass die bisherige Kann-Regelung zur Umsetzung eines Ganztagsangebotes für Förderkinder in eine Muss-Regelung verwandelt werden sollte. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder und Jugendliche mit Behinderung sollte nicht nach der Grundschule enden, sondern bis zum 18. Lebensjahr bestehen und einen Umfang von zehn Stunden am Tag haben. Ohnedies ist aus Dannenbergs Sicht »das Recht auf Teilhabe in Bildung und Freizeit nicht umgesetzt.«

Unterstützung fand sie bei Gudrun Obst, die im Beirat für Menschen mit Behinderung der Stadt Cottbus arbeitet. Familien mit behinderten Kindern sind ihr zufolge permanent stark belastet, sie benötigen viel Kraft für die Bewältigung des Alltags. Aber oft fehle ihnen der Durchblick, ihre Rechte bei den Behörden auch durchzusetzen. »Viele sind enttäuscht, erschöpft und verzweifelt.« Die von den Linken beantragte Unterstützung sei nötig, »damit die Eltern wenigstens in Teilzeit arbeiten können«. Bislang sei diese Hilfe für Kinder ausgeblieben, wenn sie aus dem Grundschulalter (i.d.R. mit 12 Jahren) heraus waren. »Weil sie Betreuung erfordern, müssen die Eltern zu Hause bleiben.« Nach einem entsprechenden Fernsehbericht sei die Hoffnung gekeimt, dass mit Schuljahresbeginn eine Verbesserung eintreten könnte. »Jetzt peilt man die Herbstferien an.«

Mit ihrem Antrag wolle man den Eltern den »Antragsmarathon ersparen«, sagte die Linke-Politikerin Dannenberg. Die von ihr beantragten Verbesserungen sollten im Schulgesetz verankert werden. Es gehe nicht um den Unterricht, sondern um die Zeit davor und danach. Wenn die letzte Stunde vorbei ist, müssen die Eltern älterer Schüler »zusehen, was dann passiert«. Um hier die Lage zu verbessern, wären Heilpädagogen, Einzelfallpfleger und Schulgesundheitsfachkräfte nötig. Dannenberg zufolge haben bislang rund 100 Familien diese Hilfen in Anspruch genommen, doch ist aus ihrer Sicht die Zahl der anspruchsberechtigten Fälle weitaus höher: »Tausend, zweitausend – ich weiß es nicht.«

»Die Linke weiß sehr genau, dass dies ein schwieriges Thema ist«, reagierte Grünen-Fraktionschefin Petra Budke. Die Grünen, die heute Regierungspartei sind, hätten unter Rot-Rot in Brandenburg vergeblich einen ähnlichen Antrag gestellt. Es sei schon mal »eine sehr positive Entwicklung, dass die genannte Richtlinie verlängert und Kinder mit Behinderung für 300 Euro weiter nach der Schule betreut werden können. Die Grünen-Abgeordnete Carla Kniestedt wies darauf hin, dass Deutschland sich zur inklusiven Bildung bekenne, sich mit der Umsetzung aber sehr schwer tue. Im europäischen Vergleich liege man beschämend weit hinten. Zwischen drei und vier Prozent der Menschen würden mit einer Behinderung zur Welt kommen, im Laufe des Lebens treffe es jeden fünften. «Wir haben die Tendenz, diese Menschen zu separieren und in Werkstätten abzuschieben.»

Auch BVB/Freie Wähler stellte am Montag zwei Schulinitiativen vor. Zum einen fordert die oppositionelle Fraktion ein ganzjährig gültiges, einheitliches und kostenloses Schülerticket für Bus und Bahn auf dem gesamten Territorium von Brandenburg. Das würde den bisher existierenden Flickenteppich auf diesem Gebiet sinnvoll ersetzen. Von Landkreis zu Landkreis würden derzeit völlig unterschiedliche Regelungen gelten. Man habe mit dem Wohnort eben Glück oder nicht. Das sei kein hinnehmbarer Zustand. «In Berlin gibt es bereits ein kostenfreies Schülerticket», sagte der Abgeordnete Philip Zeschmann. Die BVB-Abgeordnete Christine Wernicke stellte den Antrag, Gartenpädagogik wieder an Schulen in den Unterricht aufzunehmen. Ihr schwebe nicht die Wiederbelebung des DDR-Schulfachs «Gartenarbeit» vor, sagte sie. Doch ließe sich die wichtige Vermittlung von Kenntnissen über die Lebensmittelherstellung und die Gartenarbeit in verschiedene naturwissenschaftliche Fächer gut integrieren.

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