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DFB-Frauen: Lähmende Blockade

Vor dem Spiel gegen Island sind die DFB-Kickerinnen erkennbar verunsichert

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf der Playlist von Kabinen-DJ Laura Freigang stehen Lieder von Herbert Grönemeyer nicht zwangsläufig. Aber jetzt, wo die deutsche Frauen-Nationalmannschaft in ihrer größten Krise der jüngeren Vergangenheit in Bochum vorstellig wird – die zweite Partie der neuen Nations League gegen Island am Dienstagabend – wäre es vielleicht gar nicht verkehrt, die vor jedem Heimspiel des VfL Bochum für Gänsehaut sorgende Kulthymne »Bochum« zu spielen. »Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt, ist es besser, viel besser, als man glaubt«, heißt es eingangs.

Grönemeyers Hommage an seine Heimatstadt könnte zumindest Hoffnungen für die deutschen Fußballerinnen stiften, die nach dem ernüchternden 0:2-Auftritt gegen Dänemark in der Olympia-Qualifikation gleich unter Druck geraten sind. Aus Viborg reiste der DFB-Tross am Samstag nach Essen, wo am Sonntag auf dem Gelände an der Hafenstraße trainiert wurde. In Bochum werden im Ruhrstadion dann im ersten Heimspiel nach dem WM-Desaster immerhin mehr als 12 000 Zuschauer dabei sein.

Die wohlwollende Unterstützung wird es brauchen, wie die in Bocholt geborene Nationalspielerin Marina Hegering sagte: »Jetzt stehst du mit dem Rücken zur Wand. Ab jetzt gilt es, alle Spiele zu gewinnen.« Dabei haben die DFB-Frauen von neun Länderspielen in diesem Jahr nur drei siegreich gestaltet und sind in ihrem Leistungsstand erschreckend weit zurückgefallen. »Mit dem ganzen Drumherum ist es keine einfache Situation«, verwies Hegering auf die Begleitumstände mit der auf unbestimmte Zeit erkrankten Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.

Die Kardinalfrage lautet nun, wie lange sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den unhaltbaren Schwebezustand noch anschaut. DFB-Präsident Bernd Neuendorf sprach zuletzt von einer Blockade, die inzwischen besorgniserregende Ausmaße angenommen hat. Derzeit wird auf und außerhalb des Platzes die Verantwortung einfach abgeschoben – und damit ist seit jeher das Scheitern verbunden. Selbst Interimstrainerin Britta Carlson ist die Hängepartie irgendwie leid. »Ich würde mir eine Klarheit für alle wünschen«, sagte die 45-Jährige vor ihrem wahrscheinlich letzten Spiel in der Chefrolle: »Ob es jetzt für das Trainerteam ist, für die Mannschaft. Weil ich einfach möchte, dass wir, Deutschland, wieder so erstarken, wie es vorher mal war.«

Der ideen- und mutlose Auftritt gegen Dänemark war die nahtlose Fortführung des Versagens in Australien. Die ausgebliebene Aufarbeitung erweist sich als fatal. Kapitänin Alexandra Popp konnte nur Altbekanntes wiederholen: »Uns hat im letzten Drittel einfach die Durchschlagskraft gefehlt.« Vorne mangelte es an Präzision, hinten an Konzentration. Dass Giulia Gwinn fast ein Jahr nach ihrem zweiten Kreuzbandriss patzte, sich direkt danach Torhüterin Merle Frohms und Abwehrchefin Hegering nicht einig waren, belegte nur, dass alle gerade vom Negativsog erfasst werden.

Spielerinnen wie Klara Bühl, Jule Brand oder Lina Magull schenken Bälle her, weil ihnen jedes Selbstvertrauen abhanden gekommen ist. Kathrin Hendrich sucht seit Monaten ihre Form, Lena Oberdorf versteckt ihr Talent – und diese Liste ließe sich beliebig verlängern. »Leider hat man immer noch die Verunsicherung gespürt«, sagte Carlson und gab freimütig zu: »Wir haben noch nicht das Selbstverständnis wieder, das wir mal hatten.« Auch körperlich schienen erneut einige Akteure nicht auf der Höhe.

Überzeugung und Automatismen, Durchschlagskraft und Widerstandskraft aus dem EM-Sommer 2022 haben sich verflüchtigt. Nur zur Erinnerung: Die Vize-Europameisterinnen starteten damals in Brentford mit einem 4:0 gegen ein dänisches Team, das sich bei der WM eher mühevoll ins Achtelfinale quälte, dort gegen Gastgeber Australien chancenlos ausschied. Eine ehrliche Analyse unter Einbeziehung aller Aspekte würde vermutlich das Ergebnis bringen, dass ein Neuanfang mit neuen Köpfen unvermeidlich ist.

Die verfahrene Situation erinnert an 2017, als die überforderte Bundestrainerin Steffi Jones nach einer verkorksten EM noch ein WM-Qualifikationsspiel gegen Island vergeigte. Erst einige Monate später kam der Menschenfänger Horst Hrubesch, dem viele Spielerinnen bis heute nachtrauern. Es heißt intern, dass es genau eine solche Person wieder braucht, um zu einem harmonischen Miteinander zu kommen. Für den Auftritt tief im Westen verheißt das alles nichts Gutes.

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