AfD-Niederlage in Nordhausen: Ein Triumph der Zivilgesellschaft

Prophet verliert Oberbürgermeisterwahl in Nordhausen mit 45,1 Prozent in der Stichwahl

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 4 Min.

Als das Wahlergebnis feststeht, ist der Mann sichtlich überrascht und überwältigt, von dem man in den vergangenen Tagen den Eindruck gewinnen konnte, er habe sich eigentlich schon mit seiner Niederlage abgefunden. Also eilt Kai Buchmann am Sonntagabend durch einen Saal des Rathauses in Nordhausen, schüttelt Hände wie ein Popstar und umarmt Menschen. Selten ist der Ausgang einer Kommunalwahl von so vielen positiven Emotionen begleitet worden wie dieser.

Nicht nur bei Buchmann löst sich in diesen Augenblicken eine große Anspannung. Denn im ersten Wahlgang der Oberbürgermeisterwahl in Nordhausen vor zwei Wochen konnte der AfD-Bewerber für dieses Amt, Jörg Prophet, mit Abstand die meisten Stimmen auf sich vereinen. Für Prophet hatten damals etwa 42 Prozent derer gestimmt, die in der ersten Wahlrunde ihre Stimme abgegeben hatten. Buchmann, der Amtsinhaber, der wieder als parteiloser Kandidat angetreten war, hatte im ersten Wahlgang etwa 24 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten. Die weiteren Bewerber waren weit abgeschlagen gewesen. Dass Buchmann die Stichwahl gewinnen würde, schien deshalb ziemlich unwahrscheinlich. Es galt fast schon als unausweichlich, dass Prophet der erste Oberbürgermeister Deutschlands mit AfD-Parteibuch werden würde.

Entsprechend gelöst und überrascht reagieren noch am Sonntagabend auch die Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien über den Sieg Buchmanns. Sogar einigermaßen deutlich. Auf Prophet entfielen nach dem vorläufigen Ergebnis 45,1 Prozent der abgegeben Stimmen, auf Buchmann 54,9 Prozent. Der Vorsitzende der Thüringer CDU, Mario Voigt, nannte das Ergebnis der Abstimmung in Nordhausen beim Kurznachrichtendienst X zu diesem Zeitpunkt bereits »eine Niederlage für die gesamte AfD«.

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All diese positiven Reaktionen aus dem politischen Raum allerdings dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es weniger die Parteien von Linke bis CDU waren, die der AfD diese Wahlniederlage beigebracht haben. Sondern die oft geschmähte Zivilgesellschaft. Nordhausens Ex-Oberbürgermeisterin Barbara Rinke (SPD) formuliert das ebenfalls noch am Sonntagabend ganz offen. »Es ist eigentlich ein Wunder geschehen«, sagt Rinke. Es sei klar, dass es die Zivilgesellschaft gewesen sei, die den Wahlausgang in den letzten sieben Tagen vor dem zweiten Wahlgang »gedreht« habe. »Viele Menschen glauben ja oft nicht, dass sie etwas bewirken können.« Doch das stimme offenkundig nicht. »Viele zusammen können etwas erreichen.«

Die Zivilgesellschaft hatte in Nordhausen unter dem Titel »Nordhausen zusammen« ein breites Bündnis unter anderem aus Vertretern von lokalen Vereinen, der dortigen Hochschule, der Gedenkstättenstiftung Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie zahlreicher Privatpersonen gegen die Wahl des AfD-Bewerbers bei dieser Abstimmung gegründet. Als inoffizieller Sprecher dieses Zusammenschlusses hatte sich der Direktor der Gedenkstättenstiftung, Jens-Christian Wagner, herauskristallisiert. Er war er es zum Beispiel, der kurz vor der Stichwahl betont hatte, Prophet sei ein rechtsextremer Geschichtsrevisionist und »keinen Deut« besser als der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke.

Nun, nachdem es gelungen ist, die Wahl Prophets zu verhindern, ist auch Wagner erleichtert. Die Wähler in Nordhausen hätten sich »für eine weltoffene, vielfältige Stadt entschieden, die sich ihrer historischen Verantwortung bewusst ist«, sagt er am Sonntagabend. Gleichwohl zeigt sich bei ihm, wie auch bei fast allen anderen, die der AfD kritisch und ablehnend gegenüberstehen, in diesen Stunden einiges Entsetzen darüber, dass jemand wie Prophet in einer Stadt wie Nordhausen und trotz der lauten Stimme der Zivilgesellschaft noch immer mehr als 40 Prozent Zuspruch erhalten hat.

Angesichts der Tatsache, dass bald mehrere Landtagswahlen in Deutschland anstehen, zeigt die Wahl in Nordhausen einen Weg dafür auf, wie es tatsächlich gelingen kann, die schleichende, zumindest teilweise Machtübernahme der AfD zu stoppen. Jedenfalls dort, wo es – wie in Nordhausen – starke zivilgesellschaftliche Player gibt: Neben demokratisch gesinnten Vereinen eben auch Hochschulen, Museen, Theater, Gewerkschaften, Kirchen. Im Umkehrschluss bedeutet diese Feststellung allerdings, dass die Auseinandersetzung mit der AfD überall dort verzweifelt bleibt, wo es keine Hochschule gibt und Museen, Theater, Gewerkschaften und Kirchen es wegen der ländlichen Struktur dieser Regionen viel schwerer haben, Menschen zu erreichen. Nicht ohne Grund bejubeln deshalb noch am Sonntagabend sowohl Prophet als auch Höcke das Abschneiden des unterlegenen Kandidaten zumindest leise, während AfD-Anhänger in den sozialen Medien Wahlfälschung wittern.

Die nächste Chance der AfD, einen Oberbürgermeister zu stellen, bahnt sich an: Bei der Wahl von Bitterfeld-Wolfen erhielt der AfD-Kandidat Henning Dornack im ersten Wahlgang am Sonntag die meisten Stimmen. Am 8. Oktober findet die Stichwahl gegen Amtsinhaber Armin Schenk (CDU) statt.

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